Herzlich Willkommen beim Business Talk am Ku’damm. Unser heutiger Gast ist Rechtsanwalt Dr. Marc Liebscher. Wir sprechen über den P&R Container Skandal und die politische Regulierung des grauen Kapitalmarkts. Aus aktuellem Anlass wollen wir über den grauen Kapitalmarkt sprechen. Der größte Anlageskandal der deutschen Geschichte ist P&R Container. Herr Liebscher, können sie uns den aktuellen Sachstand wiedergeben?
Dr. Marc Liebscher: Der aktuelle Sachstand ist folgender: das Insolvenzverfahren läuft, das heißt, der Insolvenzverwalter führt das Unternehmen, ist in Kontakt mit den Anlegern und ist die beherrschende Person in dem Verfahren der Insolvenzverwalter. Herr Jaffé aus München ist das. Nun zuletzt hatte Insolvenzverwalter die Anleger angeschrieben und ihnen deutlich gemacht, dass er vorhat, Ausschüttungen, die in den letzten Jahren an Anleger erfolgt sind, anzufechten. Das heißt, zurückzufordern diese Zahlungen und er beabsichtigt wohl einen Musterprozess zu Ende zu bringen zuvor, um zu wissen, wie sieht der Bundesgerichtshof diese Sache und hat daher die Anleger aufgefordert auf die Einrede der Verjährung zunächst mal zu verzichten, damit er einige Musterprozesse zu Ende führen kann, um dann darauf aufbauen zu entscheiden, ob er weiter in Anspruch nimmt oder nicht. Das ist der Stand im Insolvenzverfahren.
Der zweite Sachstand ist folgendes: viele Anleger haben ihre Anlagen bei P&R auf Empfehlungen von Beratern erworben und diese Beraterempfehlungen sind nach Ansicht vieler Kollegen, ich unterstütze diese Ansicht, sind diese Empfehlungen falsch gewesen. Die Berater hätten wissen müssen, dass die Anlage und P&R aus vielerlei Gründen nicht sinnvoll ist, aus vielerlei Gründen nicht plausibel ist und aus vielerlei Gründen mit sehr hohen Risiken behaftet ist für Anleger. Das heißt, man hätte Anlegern gar nicht zu einer Anlage in P&R raten dürfen. Und hier ist der Sachstand, dass wir inzwischen erste Berater in Anspruch nehmen und auch schon Erfolge erzielt haben, so dass die Frage der Beraterhaftung jetzt allmählich hochkommt und allen Anlegern eigentlich zu raten ist: Zum einen sich klar darüber zu werden, wie es ihre Situation im Hinblick auf die Anfechtung Vorhaben des Insolvenzverwalters und zweitens, wenn sie die Anlage über Berater erworben haben, also die P&R Anlage über Berater erworben haben, dass sie sich an spezialisierte Anwälte wenden, gerne an uns hier in Berlin, um zu prüfen, ob sie ihren Berater in Anspruch nehmen können. Und da sind eigentlich sehr, sehr gute Aussichten.
Jetzt haben sie gerade schon über die Berater gesprochen. Beim P&R Container Skandal sind Milliarden Schäden entstanden. Was macht denn der Gesetzgeber, um private Kapitalanleger zu schützen?
Dr. Marc Liebscher: Im Moment ist die Gesetzgebung so, dass sie noch sehr ausgefranst ist und nicht wirklich effektiv wirkt. Man kann sagen, dass Anlegerschutz, Kapitalmarktregulierung in vielen unterschiedlichen Gesetzen verortet ist. Europäische Richtlinien spielen eine große Rolle, nationale Gesetze spielen eine große Rolle und da hat sich ein Geflecht ergeben, welches nicht wirklich zielführend ist. Die große Koalition, CDU, SPD, Koalitionsvertrag 2018, hat sich zum Ziel gesetzt, den finanziellen Verbraucherschutz nochmal zu evaluieren. Das heißt, die große Koalition sagt nicht: „wir haben konkrete Pläne, wir wollen das evaluieren“. Diese Evaluierung läuft im Moment und verschiedene Stimmen haben sich schon gemeldet und gesagt: „wir müssen nachsteuern in manchen Bereichen“.
Die Bereiche, wo man nachsteuern möchte, ist zum einen, dass man die Strukturierung der Berater ändert. Im Moment ist es so, dass Berater oftmals von dem Aufsetzer oder dem Vertrieb des Kapitalanlageprodukte bezahlt werden. Das heißt, Berater haben oftmals falsche Anreize. Berater sollten qualitativ beraten und Berater sollten immer nur im Interesse des Beratenden beraten und die finanzielle Anreizsituation für Berater ist im Moment so, dass sie doch viel mehr oftmals im Interesse des Vertriebs beraten. Hier sollte eine Regelung kommen, da sind Stimmen sehr stark, dass man im Grunde sicherstellt eine rein kundenorientierte Beratung.
Der zweite Ansatzpunkt sind Bestrebungen zu sagen, dass die BaFin, unsere Finanzaufsicht, Finanzdienstleistungsaufsichtsbehörde, wenn man so sagen will technisch, dass die verstärkten Kompetenzen und Pflichten übertragen bekommt, Kapitalanlageprodukte zu kontrollieren. Das ist im Moment noch nicht der Fall. Die BaFin kontrolliert nur ob bestimmte formale Voraussetzungen erfüllt sind zum Beispiel, wenn eine Prospektpflicht für eine bestimmte Kapitalanlage besteht, dann prüft die BaFin ob ein Prospekt vorhanden ist und ob dieser Prospekt die einzelnen Punkte enthält, den er zu enthalten hat, aber sie prüft nicht ist der Prospekt plausibel, sind die Annahmen richtig, sind Investitionsrechnungen in diesem Prospekt zutreffend. Dieser inhaltlichen materiellen Prüfung entzieht sich die BaFin im Moment und ein Bestreben ist, der BaFin die Kompetenz und die Pflicht zu geben, auch solche Anlagen, Prospekte inhaltlich zu prüfen auf Plausibilität, auf Nachvollziehbarkeit, auf Richtigkeit nicht nur auf formale Vollständigkeit.
Und wenn es so wäre, würde sich dann die Lage für Kapitalanleger verbessern?
Dr. Marc Liebscher: Nun man muss sehen, ich bin natürlich da immer ein bisschen vorsichtig. Man muss sich klar darüber werden, die BaFin sind Beamte, die machen den „nine to five job“ und müssen dann Dinge kontrollieren und inhaltlich prüfen, welche menschen- und gewinnorientierte Unternehmen, die am Kapitalmarkt orientiert sind, machen. Ich könnte mir vorstellen, dass die BaFin da Probleme bekommen könnte, aufgrund von Know-How und Ausstattung. Man braucht dann die Personen dafür, die müssen eingestellt werden, die müssen bezahlt werden, die müssen Know-How haben. Solche Personen gibt es nicht viele und die BaFin – nun ja – bezahlt auch nur X Euro und andere können vielleicht mehr als X Euro bezahlen. Das heißt, der „war for talents“, den wir überall auf den Straßen haben, der wird sich auch da abspielen. Man kann nur hoffen, dass es der BaFin gelingt Know-How, Personal aufzubauen, wenn sie diese Kompetenzen und diese Pflichten bekommt.
Der Gesetzgeber versucht ja auch den eigenen Vertrieb von Kapitalanlagen einzuschränken. Finden sie das sinnvoll?
Dr. Marc Liebscher: Das ist durchaus sinnvoll. Wir haben bei P&R zum Beispiel gesehen, dass P&R zunächst ihre Kapitalanlagen also dieses Containeranlageprodukt vertrieben hat über externe Vermittler und Berater also Banken oder außenstehende dritte Gesellschaften, die nicht mit P&R Zusammenhingen und dann, wenn es um 2. und 3. Erwerb von Kapitalanlagen ging, nachdem man schon mehrere hatte von P&R, hat P&R durch eigene Berater und Vermittler einen eigenen Vertrieb an die Kapitalanleger direkt gemacht. Die Folge davon ist, dass ich als geschädigter Kapitalanleger eigentlich nur an P&R selbst wenden kann mit Haftungsansprüchen. Und P&R, das wissen wir, ist in der Insolvenz, das heißt, meine Haftungsansprüche bei P&R sind natürlich sehr, sehr dünn, werden nur quartalbefriedigt, das hilft wenig. Das heißt, wenn man einen unabhängigen Vermittler, 34f Vermittler, dazwischenschaltet, könnte man zumindest sicherstellen, dass a) dieser Vermittler eine unabhängige Beratung liefert und b) dass falls diese Beratung falsch war, diese Vermittlung falsch war, dass es da offensichtliche Fehler gab, dass man dann gegenüber diesen Vermittler Haftungsansprüche noch geltend machen kann. Insofern wären diese Einschränkungen nicht mehr im Eigenvertrieb, sondern allenfalls nur noch mit 34f Vermittler Kapitalanlagen zu vertreiben, wäre sehr begrüßenswert. Überhaupt würde das sicherstellen, dass wir mehr eine kundenorientierte Vermittlung beziehungsweise Beratung haben. Wir müssen immer trennen Vermittlung-Beratung und Beratung – viel intensiver Vermittlung, nicht so intensiv – dass wir eine kundenorientierte Vermittlung beziehungsweise kundenorientierte Beratung haben. Daran fehlt es im Moment. Wir haben das Problem natürlich auch auf Anlegerseite, dass Anleger nicht bereit sind, sagen wir 100, 200, 300 Euro für die Beratung eines Kapitalanlageberaters auszugeben. Das heißt, wir haben das Paradoxon, dass Leute auf die Straße gehen und sagen: „ich will 100.000 Euro anlegen, bin aber nicht bereit 300 Euro für Beratung in die Hand zu nehmen. Das ist natürlich auch von Kapitalanlegerseite viel zu kurz gedacht. Die Kapitalanleger denken dann: naja der Berater hat mir gesagt, ich soll das Produkt annehmen, dafür möchte er kein Geld haben, das ist prima. Aber man muss sich immer klar machen: der Berater muss auch von irgendwas leben, er lebt dann von Provisionen, welche er vom Vertrieb bekommt und damit ist er dann eigentlich von seinem Interesse her, ist er gesteuert durch Anreize, finanzielle Anreize, und steht eigentlich im Lager des Vertriebs und nicht mehr kundenorientiert bei seinen Kunden.
Das heißt, Sie haben es gerade gesagt, Sie würden jedem Kapitalanleger raten, sich beraten zu lassen.
Dr. Marc Liebscher: Unbedingt ja.
Und gibt es noch andere oder gäbe es noch andere Möglichkeiten?
Dr. Marc Liebscher: Ich denke, dass die provisionsbasierte Beratung, das so der Fachbegriff dafür, dass ich selber als Kapitalanleger meine Berater bezahle und nur ich meine Berater bezahle und niemand anderes. Diese so genannte Provision, diese sogenannte kundenorientierte Beraterfinanzierung, dass das eigentlich das Modell ist, welches der Gesetzgeber implementieren sollte. Der Gesetzgeber sollte, denke ich, die provisionsbasierte Beratung sollte er als unzulässig erklären, mit der Folge, dass nur noch Kunden im Grunde ihre Berater bezahlen können. Und solange der Gesetzgeber das nicht macht, sollte ich als Kapitalanleger darauf achten, dass der Berater, der mich berät, nur von mir bezahlt wird, damit ich dann auch sicher sein kann, ich bekomme eine kundenorientierte Beratung.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Liebscher.