Unser Gast heute ist Annika Elena Polgar. Sie ist Psychosoziale Beraterin (M.A.), Systemische Familientherapeutin und Coach mit Schwerpunkt Traumata. Mit ihr sprechen wir über Behandlung und Umgang mit Traumata.
Unser Gast heute ist Annika Elena Polgar. Sie ist Psychosoziale Beraterin (M.A.), Systemische Familientherapeutin und Coach mit Schwerpunkt Traumata. Mit ihr sprechen wir über Behandlung und Umgang mit Traumata.
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Frau Polgar, wir würden Sie gern etwas näher kennenlernen, denn Sie sind Coach mit dem Schwerpunkt Traumata. Und im Vorgespräch erwähnten Sie, dass Sie eher weniger über die Theorie, sondern mehr über die Praxis berichten möchten. Daher zunächst die Frage vorab: Was können unsere Leser von diesem Interview erwarten?
Annika Elena Polgar: Ja, also ich finde, Trauma ist so ein großes Thema und auch wissen so wenige Menschen, dass sie selbst tatsächlich Traumata haben, denn wir alle haben Traumata. Und ich möchte dieses Interview gern dafür nutzen, einfach mehr Bewusstsein für dieses Thema zu schaffen, sodass jeder Leser sich während meiner Worte selbst ein wenig reflektieren und hinterfragen kann, wie es eigentlich bei ihm oder ihr aussieht und was sie für sich mitnehmen können Und da gibt es so ein schönes Zitat von Marcel Pros, der sagt: „Eine wahre Entdeckungsreise besteht nicht darin, neue Landschaften zu suchen, sondern mit neuen Augen sehen zu können. Und genau das möchte ich den Menschen mitgeben, sich selbst mit neuen Augen entdecken zu können.
Das hört sich sehr spannend an. Um sanft ins Thema einzusteigen und einen ersten Eindruck über Sie als Person zu gewinnen: Wie sind Sie auf dieses Thema gestoßen und was führte zur Entscheidung, als Coach zu arbeiten und dann eben auch mit der Spezialisierung Traumata?
Annika Elena Polgar: Da würde ich gern ein wenig weiter ausholen, um diese Frage adäquat zu beantworten. Zum einen hat es selbstverständlich mit meiner eigenen Geschichte zu tun, den eigenen Erfahrungen in meiner Kindheit, da ich selbst auch Traumata erlebt habe. Jedoch war mir das eigentlich gar nicht so bewusst. Ich dachte immer, ich habe so eine schöne Kindheit gehabt, bin so frei aufgewachsen mit einer Mutter, die sich kümmert, einem Vater, der da ist… Das Interesse an Psychologie hat sich bereits im Jugendalter herauskristallisiert, weshalb ich den Bildungsweg in diese Richtung einschlug und soziale Arbeit studierte. Dort gab es ein Modul, welches „systemische Beratung/ systemisches Coaching“ hieß. Unsere Dozentin hatte gerade ihre Therapeuten-Ausbildung abgeschlossen und sagte: „Wir machen jetzt mal ein Experiment unter euch Studenten…“, pickte sich eine Studentin heraus und sagte: “Hier, wir haben vorab mal so ein Thema festgelegt. Ich will Sie jetzt coachen und beraten.“ Dann fing sie an und es war für mich wie Zauberei. Es war wie Magie! Denn sie hat auf der einen Seite geschafft, den Prozess irgendwie zu steuern, zu lenken, auf die Uhr zu schauen, dass alles passt. Gleichzeitig hielt sie die „Klientin“, sodass sie sich wohl und sicher fühlte. Und sie hat alles mit erstaunlich wenig Fragen geschafft, die jedoch gezielt und auf das Thema gerichtet waren. So tiefgründig zu gehen und dabei den Kern zu treffen sowie die Herausforderungen, dieses Problem, was die Klientin, in dem Fall die Mitstudentin, hatte, so schnell aufzulösen. Und ich saß buchstäblich da und dachte: „Wow, das willst du auch können“. Somit war dieser Moment der erste Schritt, bei dem ich unbedingt lernen wollte, wie das funktioniert. Und dann habe ich eben weiter studiert, noch den Master gemacht in psychosozialer Beratung und schließlich auch die dreijährige Therapeuten-Ausbildung begonnen. In diesem gesamten Zeitraum wurde mir bewusst, dass meine Kindheit scheinbar doch nicht so gut war, wie ich immerzu annahm. Denn in diesen Ausbildungen wird ein großer Teil auch auf Selbsterfahrung gelegt, also dass wir Biografie-Arbeit machen und eben auch in uns selbst hineinhören. Und da ist auch für mich klar geworden: Wow, da ist tatsächlich mehr. Ich trug scheinbar unbewusst sehr viel Ballast mit mir herum und verdrängte es. Das fand ich sehr spannend.
Traumata stecken in jedem von uns, auch in mir, obwohl ich das gar nicht dachte. Und ja, das war dieser Aha-Moment, in dem ich begriff, wie spannend es ist, an dem Thema zu arbeiten und anderen Menschen zu helfen, ihre Traumata zu bewältigen.
Sie sagten eben, Trauma stecken in jedem von uns und dass Sie früher davon ausgingen, Ihre Kindheit wäre im Grunde genommen sehr gut gewesen. Als Sie sich damit beschäftigten, fielen Ihnen das Leben maßgeblich beeinflussende Ereignisse auf. Meine Frage daher: Wie kann es sein, dass Traumata in jedem Menschen stecken, wenn man sie doch gar nicht an der Oberfläche spürt bzw. fühlt?
Annika Elena Polgar: Also zum einen ist es so, dass Traumata tatsächlich unterbewusst sind. Also, wenn wir uns das mal als Eisberg vorstellen, da guckt ja meistens nur die Spitze heraus. Das ist entsprechend der bewusste Anteil. Wenn wir jetzt hier miteinander sprechen, sind wir komplett oben in dem bewussten Anteil. Dann gibt es eben noch diesen großen Teil des Eisbergs, der einfach unter Wasser liegt. Die Verteilung liegt hierbei bei einem Drittel des bewussten Teils und zwei Drittel des unterbewussten. Und Traumata, Limitierungen, limitierende Glaubenssätze, Muster liegen alle in dem unterbewussten Teil. Daher würden Menschen, die ich zum Beispiel auf der Straße ansprechen und sie fragen würde, „glauben Sie, Sie haben ein Trauma erlebt?“ höchstwahrscheinlich mit „Nein“ antworten. Weil es eben einfach in diesem unterbewussten Teil liegt und nicht oben in dem bewussten. Ich erkläre es meinen Klienten gern so, dass es Traumata mit einem großen „T“ und einem kleinen „t“ gibt. Traumata mit großem „T“ sind große traumatische Erfahrungen, wie z. B. Flucht aus einem Kriegsgebiet, Misshandlung oder Erlebnisse eines Todesfalls.
Diese sind ebenfalls Digne, die einem eher bewusst sind. Traumata mit kleinem „t“ hingegen sind dann eher Dinge wie ich sie beispielsweise in meiner Kindheit immer wieder gehört habe: Du bist nicht gut genug, du bist nicht liebenswert. Und das kann dann eben zu diesen kleinen Traumata führen, die wir alle haben und gar nicht wissen, dass das überhaupt Traumata sind. In diesem Zusammenhang sollte ich vielleicht kurz erklären, was man überhaupt als Trauma bezeichnet. Traumata sind Erfahrungen, die meistens in der Kindheit oder in der Jugend gemacht werden. Es gab eine Herausforderung, mit der wir nicht umgehen und daran wachsen konnten. Also waren wir in dem Moment nicht sicher. Unser Nervensystem war nicht reguliert, da war keine Sicherheit im Körper. Und dann staut sich das im Körper an und wir verdrängen es.
Frau Polgar, wenn ich Traumata in mir habe, derer ich mir gar nicht richtig bewusst bin, kann ich mir vorstellen, dass diese Glaubenssätze, diese Erfahrungen oder auch diese Hürden, die ich eventuell früher nicht bewältigen konnte, meinen Alltag noch weiter bestimmen. Vielleicht merke ich das ja gar nicht. Wie zeigen sich denn Traumata im Alltag? Könnten Sie uns hierzu einige Beispiele nennen, damit wir uns ein besseres Bild machen können?
Annika Elena Polgar: Gern. Traumata zeigen sich vor allem in Selbstsabotage-Mustern. Es ist nicht so, dass wir das bewusst sehen. Hier und dort zeigt sich also ein Trauma, sodass man merkt: Das ist mein Trauma. Es ist vielmehr ein Deckmännchen. In der Fachsprache nennt es sich dann Selbstsabotage. Beispiele hierfür sind: Wir setzen uns das Ziel, fitter zu werden und abzunehmen, essen aber dennoch nach alten Gewohnheiten weiter und treiben nicht konsequent Sport, wohl wissend, dass so das Ziel nicht erreicht werden kann. Ein weiteres Beispiel ist die Führung von toxischen Beziehungen trotz der Gewissheit, dass sie uns nicht guttun. Oder wir gehen immer wieder zu der Person zurück, die uns verletzt hat. Sei es die Mutter/der Vater, die Bezugsperson oder der Partner. Man könnte sagen, wir suchen regelrecht die Person, die uns wehgetan hat. Anhand dieser kleinen Situationen im Alltag kann man beobachten: Man hat sich Ziele gesetzt, handelt jedoch in die entgegengesetzte Richtung, und das liegt dann meistens daran, dass wir denken, wir sind nicht gut genug. Aus diesem Grund gehen wir immer wieder zu dem Mann oder zu der Partnerin, die uns in der Beziehung immer wieder verletzt hat, weil wir es scheinbar nicht verdienen, eine glückliche Beziehung zu führen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich Traumata anhand jener Alltagsmomente, in denen wir uns manchmal selbst fragen, „warum handle ich entgegen meinen Wünschen? Das möchte ich doch eigentlich gar nicht“, manifestieren.
Hierzu würde ich gern mit Ihnen ein wenig tiefer in die Praxis einsteigen. Das eben von Ihnen Angesprochene ist wirklich sehr interessant. Wenn dieser Trigger kommt, bei dem man merkt, dass man anders handelt, als man es sich selbst wünscht, was kann man denn tun, aus diesem Verhaltensmuster herauszubrechen, neue Wege zu gehen und auch sich anders und neu auf- bzw. einzustellen?
Annika Elena Polgar: Hierzu bediene ich mich des Beispiels eines Paares, um es besser zu verdeutlichen. Nehmen wir an, wir haben ein Pärchen, welches im Grunde genommen eine glückliche Beziehung führt. Die Partnerin möchte eines Tages die Gardinen abnehmen, um sie zu waschen. Dafür stellt sie sich eine Leiter zurecht, steigt hinauf, merkt aufgrund Ihrer Höhenangst jedoch: Eigentlich ist es schon recht hoch. Sie ruft ihren Partner, um ihn um Hilfe zu bitten. Er wiederum antwortet: „Das geht jetzt nicht. Ich bin anderweitig beschäftigt“. Da steht sie nun, mit dem Gefühl der Hilflosigkeit getriggert, welches sie aus ihrer Kindheit kennt, weil ihre Mutter sie vielleicht immer wieder in diesen Zustand der Hilflosigkeit versetzt hat. Es sind wie gesagt diese kleinen Situationen, in denen man getriggert wird. Dabei kommen eventuell Gedanken hoch wie: Bin ich es nicht wert? Bin ich nicht gut genug? Was ist denn hier los? Das kann unter Umständen mit einem Mal einen Streit entfachen aus einer Alltagssituation, wo man sich selbst darüber wundern und denken mag: Im Grunde genommen war es doch nicht so schlimm. Warum ist daraus ein Riesen-„Drama“ entstanden? In solchen Augenblicken kann es nämlich passieren, dass sie mit Traumareaktionen auf diesen Konflikt reagieren, zum Beispiel durch die Flucht-, Angriffs- oder Unterwerfungsreaktion. Im Falle unseres eben genannten Beispiels mit dem Paar könnte die Situation auf dreierlei Weisen weitergehen: Thema Flucht: Sie steigt die Leiter hinab, geht aus dem Raum und knallt dabei die Tür hinter sich zu. Thema Angriff: Sie fängt an zu schreien und ihm Vorwürfe zu machen. Thema People-pleasing/Unterwerfung: Sie steigt von der Leiter hinab und sagt: „Ist schon okay, mein Schatz…“ Wenn wir nun mal vom Angriffsmodus ausgehen, verfällt man in so etwas wie einen Blutrausch. Die Scheuklappen gehen runter und man nimmt kein Blatt vor den Mund. Teilweise werden Menschen in diesem Zustand sehr verletzend und nicht nur verbal, sondern auch körperlich aggressiv. Die Zielpersonen sind meist in solchen Situationen mit der intensiven Reaktion überfordert.
Und das ist der Moment, wo Trauma greift. Ein Trauma sitzt im Körper, nicht im Bewusstsein, wie meist fälschlicherweise angenommen. In solchen Momenten sind Emotionen ganz stark, man kann das Gefühl nicht halten und das hierdurch ausgelöste Verhalten nicht steuern. Und das ist dieser Moment des Triggers. Da ist es ganz wichtig zu sagen: „Okay, ich versuche, Sicherheit in meinem Körper zu schaffen“. Das ist das Allerwichtigste! Denn Traumata bedeuten immerzu, dass man keine Sicherheit im Körper spürt. Man fühlt den Trigger, jedoch keine Sicherheit. In solchen Momenten ist es ratsam, tief durchzuatmen, bei sich selbst anzukommen und dieses Gefühl zu fühlen. Denn das ist Trauma. Wir können das Gefühl nicht fühlen, wir können es noch nicht halten. Wir stehen auf der Leiter und können diese Hilflosigkeit nicht halten. Deswegen gehen wir auf den Partner los und ärgern uns dann meistens hinterher und denken: „Warum habe ich denn so reagiert?“ Wir können uns manchmal selbst nicht verstehen und denken daran, warum wir manchmal so manipulierbar sind und machen uns selbst Vorwürfe. Der Partner kann derartige Reaktionen nicht nachvollziehen. Und häufen sich solche Situationen, schadet man der Beziehung immens und nachhaltig.
Wie gesagt, sollte man, wenn der Trigger kommt, in den Körper gehen, sich selbst Sicherheit schenken, durchatmen und eben nicht nach diesem Muster reagieren. Allerdings ist es meist leichter gesagt als getan, weil wir dieses Muster schon immer in uns hatten.
Bleiben wir noch ein klein wenig bei diesem Thema. Erstens, wenn ich mir selbst gar nicht sicher bin, ob ich Traumata habe und wenn ja, welche, wie kann ich das eigenständig erörtern oder mich selbst analysieren und mir Hilfe holen? Weil das, was Sie eben mit diesem Paar beschrieben haben, sind ja Streitfälle, die sich wiederholen und im schlimmsten Fall die Beziehung zerbrechen. Also wie kann ich das erkennen? Und wie gehen Sie bei der Zusammenarbeit mit Ihren Klienten vor? Also wie sieht es tatsächlich in der Praxis aus?
Annika Elena Polgar: Also tatsächlich ist es so, dass Traumata schwierig zu erkennen sind, da diese unterbewusst sind. Wir können nur diese Situationen erkennen, in denen man merkt, dass man unkontrolliert und „übertrieben“ reagiert. Und das sind die Themen, mit denen die Kunden dann zu mir kommen und wo sie sagen: „Frau Polgar, das und das passiert immer wieder“. Also die Kunden kommen meistens mit Beziehungsthemen zu mir, entweder weil die Beziehung zu sich selbst nicht funktioniert, also Thema Selbstliebe, Selbsthass – das ist ebenfalls ein großes Thema, was auch durch Trauma ausgelöst werden kann – oder auch Thema Beziehung mit einem/einer Partner/Partnerin, weil es da einfach immer wieder Situationen gibt, die schwierig sind. Oder aber auch Business-Frauen, die ihr Business aufbauen möchten und sagen: Ich möchte es so gern, gehe jedoch schlichtweg nicht die Schritte, die dafür nötig sind“. Sie stagnieren einfach, wie auch beim Thema Essen. Das liegt meistens, wenn wir an die Wurzel gehen, eben an Traumata. Dabei ist es essenziell, nicht nur oberflächlich die Symptome abzuarbeiten, sondern auch darunter zu schauen und zu sehen, wie wir damit arbeiten können, es im besten Fall auflösen können, damit es der/dem Klientin/Klienten besser geht.
Weiter zu dem, wie ich arbeite: In der langjährigen Praxis konnte ich ja immer wieder beobachten, mit welchen Themen die Kunden zu mir kommen. Dadurch habe ich so einen kleinen Ablauf für meine Kunden entwickelt. Also ich arbeite meistens vier Monate mit meinen Kunden zusammen und habe mein Programm „Metamorfosis“ genannt, wie der Weg von der Raupe zum Schmetterling. Und sie kommen mit ihrem individuellen Thema. Zunächst erstelle ich für sie einen individuellen Coaching Plan und wir gehen durch drei Module durch. Das erste Modul, in dem sie ihre persönlichen Traumata kennenlernen, weil es wie gesagt meist sehr schwierig ist, sie selbst zu erkennen. Hier hilft mein geschultes Auge, dass ich zum Beispiel sage: Da und da sehe ich bei dir Trauma, fühl mal rein, wie fühlt sich das an? An dieser Stelle muss ich anmerken, dass ich niemals jemandem was überstülpen und sagen würde: „Das hast du und so ist es“. Nein, also wir fühlen da rein. Es gibt auch immer die Option, zu sagen: „Nein, ganz so ist es nicht“. In dem Fall würde ich natürlich noch mal ein bisschen nachfragen. Aber es ist ganz wichtig, dass der Kunde/die Kundin auch das Gefühl hat, wir sind hier auf Augenhöhe, wir sind beide Experten. Er/sie mit seinen/ihren Herausforderungen und ich in meiner unterstützenden Funktion. Und genau darum geht es im ersten Modul, Bewusstsein zu schaffen, Annahme für sich selbst und zu verstehen, was man da gerade alles trägt. Im nächsten Schritt arbeiten wir mit den Traumata. Wir gehen in uns, in dieses Gefühl hinein, welches der Kunde noch nicht halten kann. Ich unterstütze ich den Kunden dabei, ganz sanft reinzugehen, sich gut zu fühlen, sich gehalten zu fühlen, dass Emotionen fließen dürfen. Ganz wichtig, auch mal zu weinen. Ich arbeite mit dem inneren Kind, mit diesem verletzten Anteil, der sich ja eben so sehr wünscht, dass wir uns umdrehen zu ihm und ihn einfach anerkennen, ihn sehen. Das dritte Modul ist dann zu Erkenntnis der Ressourcen und Stärken, die wir in uns tragen und dann die Flügel zu entfalten. Ja, ich sage gern, dass ich meinen Kunden Wurzeln und Flügel schenke. Die Wurzeln, die sie einfach stark in der Erde halten und dann später eben die Flügel, die sie entfalten können, um ihr Potenzial zu leben. Und ja, ich gebe meinen Kunden nach jeder Session „Action Steps“, also Anleitungen, für den bewussten Anteil mit, dass sie wirklich in die Umsetzung kommen. Zusätzlich erhalten sie Audiodateien und Meditationen für den unterbewussten Anteil, dass wirklich jeden Tag diese Übungen angehört werden können, damit sich so schnell wie möglich langfristig etwas verändert.
Denn wir kommen leicht in Versuchung zu denken, „“Ich habe jetzt jahre- oder jahrzehntelang dieses Muster und dieses Trauma. Dann dauert es bestimmt auch genauso lange, bis es sich wieder auflöst“. Allerdings ist dem nicht so. Mit den richtigen Tools, mit dem richtigen Support auch meinerseits, kann es innerhalb von nur kurzer Zeit möglich sein, nachhaltige Veränderungen zu bewirken. Zudem bekommen meine Kunden eine Handynummer, wir sind stets im Austausch.
Sehr spannend. Sofern ich richtig verstanden habe, geht es auch viel um das Erkennen. Wenn ich nicht weiß, was es ist, dann tappe ich ein bisschen im Dunkeln. Wenn Sie mich jedoch dabei unterstützen, das herauszufinden, kann ich neue Wege einschlagen. Sie sprachen eben Tools an. Es gibt verschiedene Tools, die in der Traumatherapie eingesetzt werden können, eben jenen Menschen dabei zu helfen, ihre traumatischen Erfahrungen zu bewältigen und natürlich auch dann in der Praxis später mit den Triggern umzugehen. Würden Sie ein wenig auf die Arbeitsweise mit den entsprechenden Tools eingehen?
Annika Elena Polgar: Selbstverständlich. Auf der einen Seite nutze ich Tools, die natürlich auch im Körper sind, also mit dem Körper eben, weil Trauma ja im Körper ist. Auf der anderen Seite nutze ich jedoch auch bewusste Tools und verknüpfe beides gern. Ein Tool zum Beispiel ist tatsächlich unsere Atmung. Die entsprechende Übung sieht folgendermaßen aus: Man atmet drei Sekunden lang ein und sechs Sekunden, also doppelt so lang, wieder wie durch einen Strohheim aus, sodass man wieder in die Sicherheit kommt und sein Nervensystem reguliert. Man kann auch vier Sekunden lang ein- und acht Sekunden lang ausatmen, diese Möglichkeit gibt es auch. Ein weiteres Tool: Hinter dem Ohr verläuft der Vagus-Nerv. Und wenn wir da mit zwei Fingern einfach anfangen, am Hals mit ein wenig Druck zu massieren, allerdings auch nicht zu stark, können wir eben auch unser Nervensystem regulieren und uns wieder mehr in die Sicherheit bringen. Und das Schöne bei diesen Tools ist, ich kann sie auch am Arbeitsplatz machen. Wenn ich z.B. mal auf der Arbeit von meinem Chef, einem Kollegen oder einer Kollegin getriggert werde und das Gefühl der Hilflosigkeit, Trauer oder Wut habe, je nachdem, was eben diese Trigger-Emotion ist, dann kann ich das sehr leicht und unauffällig anwenden.
Und für diejenigen, die jetzt sagen, “Okay, Körperarbeit schön und gut, haben Sie da noch etwas für das Bewusstsein?“, sage ich immer: Wenn du in der Situation bist, also wenn du, um das zuvor genannte Beispiel mit dem Paar noch einmal aufzugreifen, oben auf der Leiter stehst und dein Mann oder Freund zu dir sagt, „Nö, ich komme jetzt nicht, ich habe jetzt gerade was anderes zu tun“, atme durch und reflektiere dich: Was ist denn das gerade für eine Emotion, die so groß wird und du diese gerade nicht halten oder noch nicht halten kannst? Dann zu überlegen, könnte das Hilflosigkeit oder Wut sein und ist auch ein wenig Trauer mit drin? Also wirklich dieses Gefühl dafür zu bekommen: Was ist es? Daraufhin sollte man sich im nächsten Schritt fragen: Was ist denn das Bedürfnis, was dahintersteht? Also was brauche ich jetzt gerade? Es allerdings nicht als solches verstehen, dass das nun der Partner einem erfüllen darf, weil man sich ja schlecht wegen ihm fühlt. Vielmehr sollte man eine Lösung erörtern, mit der man seine Bedürfnisse selbst befriedigen kann. Und das ist zunächst einmal der erste Schritt. Ich weiß, es ist so schwer, da oben auf der Leiter zu stehen, in dem Trigger, in dem Blutrausch.
Das sind also die Tools fürs erste, für zu Hause, um schon einmal zu üben. Und ansonsten jederzeit gerne mit mir. Ich arbeite eins zu eins, ich arbeite mit Gruppen, mit großen, mit kleinen Gruppen. Also da ist sehr, sehr viel möglich und alles online.
Interessant. Das heißt, Sie arbeiten nicht nur regional, sondern auch überregional über Zoom, Teams oder ähnliches, also auch über Live Sessions, Live-Coachings?
Annika Elena Polgar: Tatsächlich hat sich während der Corona-Zeit herausgestellt, dass es so viel mehr Sinn macht, über Zoom online zu arbeiten. Denn wenn sie sonst vorher zu mir in die Praxis kamen, da waren sie an einem fremden Ort, saßen auf einem fremden Stuhl und haben aus einem fremden Glas Wasser getrunken. Wenn sie jedoch bei sich zu Hause sitzen, sitzen sie in ihrer sicheren gewohnten Umgebung, schreiben mit ihrem Stift auf ihrem Blatt. Und wenn wir dann über diese intensiven Themen sprechen, haben sie einfach noch mal mehr einen Sicherheitsaspekt, nämlich ihre gewohnte Umgebung. Und das hat sich als so schön und so wertvoll erwiesen, dass ich gesagt habe, ich mache das generell nur noch online.
Frau Polgar, vielen herzlichen Dank für das interessante Interview.
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