Vor- und Nachteile von Dropshipping

Interview mit Stefan Zdarsky
Die Dropshipping-Methode ist nicht so neu, wie man denkt, wird allerdings immer beliebter. Nicht ohne Grund: Denn sie bietet sowohl dem Betreiber des Online-Shops als auch dem Hersteller bzw. Großhändler viele Vorteile. Doch wie immer gibt es auch hier eine zweite Seite der Medaille. Ganz so einfach, wie viele denken, ist dieses Geschäftsmodell nun doch nicht. Es kann bei nicht ausreichender Informationslage und Absicherung sogar erheblichen rechtlichen sowie finanziellen Schaden anrichten. Daher sollte man, bevor man sich dazu entschließt, mit Dropshipping einen Online-Shop zu betreiben, sich unter anderem intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, auf die Wahl der Geschäftspartner achten sowie umsetzbare und vertretbare rechtliche Rahmenbedingungen abklären. Was genau hinter dem Geschäftsmodell Dropshipping steckt, welche Fallen auftreten können und welche Vor- und Nachteile gebegeben sind, erklärt uns Rechtsanwalt Stefan Zdarsky. Als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz führt er erfolgreich seine Anwaltskanzlei Zdarsky Wirtschaftsrecht mit Sitz in Frankfurt und kann uns daher mit seiner Expertise das Thema näher erläutern.

Dropshipping hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Können Sie uns das Geschäftsmodell genauer erklären?

Das Geschäftsmodell des Dropshipping wird in Zeiten des E-Commerce immer beliebter, ist aber nichts wirklich Neues. Vereinfacht gesprochen funktioniert Dropshipping wie folgt:

Ein Händler bietet potenziellen Kunden Ware zum Beispiel in einem Onlineshop an. Erst wenn ein Kunde eine Bestellung aufgegeben hat, bestellt der Händler die Ware bei einem Großhändler oder Hersteller. Die Ware wird dann direkt vom Großhändler oder Hersteller an den Kunden geliefert. Die Ware ist entweder schon vorproduziert und befindet sich bereits in Lägern des Großhändlers oder Herstellers oder wird sogar erst auftragsbezogen gefertigt. Als Absender wird regelmäßig die Adresse des Händlers angegeben und nicht die des Großhändlers oder des Herstellers.

Für den Kunden wirkt es so, als ob die Ware vom Händler übersandt wird, mit dem der Kunde ja auch seinen Kaufvertrag geschlossen hat.

Im Falle von Produktfehlern erfolgt der Rückversand der Ware üblicherweise an den Händler, der sich dann mit seinen Vorlieferanten hinsichtlich der Rückabwicklung oder des Austauschs der Ware ins Benehmen setzt.

Welche Vor- und Nachteile hat das Geschäftsmodell Dropshipping und warum ist es vor allem für KMU interessant?

Das Geschäftsmodell des Dropshipping ist sowohl für die Hersteller und Großhändler als auch für die Kunden attraktiv.

Für den Dropshipper, also den Händler, der die Ware in dieser Weise seinen Kunden anbietet, stellt dieses Geschäftsmodell eine sehr kostengünstige und margenträchtige Vertriebsform dar. Rein faktisch vermittelt er Verkaufsmöglichkeiten für die Hersteller oder Großhändler, ohne selbst aufwändige Lager vorhalten zu müssen. Je nach Größe, insbesondere Umsatz des Dropshippers, richten die Lieferanten ggf. ein eigenes Konsignationslager für den Dropshipper ein oder entnehmen die Ware aus eigenen Lagerbeständen.

Die Kostenvorteile kann der Händler für attraktive Preisgestaltungen nutzen. Auch braucht er viel weniger Eigenkapital als bei einem stationären Handel.

Die Hersteller wiederum erhalten einen erleichterten und direkteren Zugang zu Märkten, ohne selbst als Händler auftreten zu müssen. So erhöhen sich die Umsätze der Hersteller, zugleich profitiert der Händler. KMU können durch diese Vertriebsform neue Kundenkreise und Märkte direkter erreichen bzw. günstigere Einkaufskonditionen für die von ihnen benötigte Waren erhalten.

Vorteile bieten sich somit zum einen für Hersteller, aber auch für Großhändler in Fernost, die ihre Waren mit zum Teil erheblichen Preisvorteilen so direkter in hochpreisigen Märkten wie der EU absetzen können. Zum anderen haben auch kleinere, vormals bei der Beschaffung eher national ausgerichtete Unternehmen die Möglichkeit, Waren direkter und somit kostengünstiger zu beziehen.

Keine Vorteile ohne Nachteile: Leider gibt es auch einige wirtschaftliche und rechtliche Nachteile dieser Vertriebsform, gerade für die Kunden.

Gibt es Qualitätsprobleme mit einer Ware, so ist die Durchsetzung von Ansprüchen deutlich schwieriger. Der Kunde hat in der Regel einen Händler als Ansprechpartner, der zum Teil „weit weg“ von der Ware ist. Weigert sich der Großhändler oder Hersteller, eine Reklamation anzuerkennen, kann man sich zwar an den Händler halten. Dieser ist aber oft wirtschaftlich schwach und kann gerade bei dringend benötigten Produkten nicht wirklich weiterhelfen und kurzfristig Ersatz beschaffen.

Insgesamt stellt sich die Nacherfüllung als schwierig dar, vor allem wenn der Hersteller kein Kundendienstnetz im Vertriebsland vorhält oder Ersatzteile nicht oder nur schwer bezogen werden können. Nacherfüllung kann lange dauern oder faktisch nicht durchsetzbar sein.

Für den Bereich der Verbraucherprodukte stellt sich für der Händler die Herausforderung, dass es eine erhebliche Retourenquote gibt, die zum Teil 50 % überschreitet. Da der Händler der eigentliche Vertragspartner des Verbrauchers ist, muss er mit den erheblichen Rücksendemengen umgehen können und insbesondere gute Rückabsicherungen bei seinen Bezugsquellen haben. Lagerkapazitäten müssen vorgehalten oder Dienstleister beauftragt werden – beides ist mit erheblichen Kosten verbunden und mindert die Margen.

Da Dropshipping insbesondere im Onlinebereich praktiziert wird, entstehen dem Händler auch hohe Kosten für die stetige Aktualisierung und Optimierung seiner Shops, damit diese überhaupt auffindbar sind. Viele Hersteller bieten ihre Ware auch nicht nur einem Dropshipper an, sondern vertreiben über mehrere Wettbewerber. Dies führt zu einer Konkurrenzsituation und Verdrängungswettbewerb – die Margen sind dann in Gefahr.

Wer seine Ware mittels Dropshipping-Methode vertreiben möchte, muss einen Vertrag mit dem Dropshipping-Partner abschließen. Dabei müssen typische Risiken der Lagerung und des Versands von den Waren berücksichtigt werden. Nach welcher Rechtsordnung werden entsprechende Verträge abgeschlossen, wenn der Dropshipping-Partner im Ausland bzw. im Nicht-EU-Ausland sitzt?

Verträge mit den Dropshipping-Partnern müssen sorgfältig die Risiken der unterschiedlichen Rechtsordnungen abdecken. So muss der Händler beispielsweise sicherstellen, dass die Risiken beim Vertrieb von Verbraucherprodukten, wie sie durch die strengen Regularien der EU im Fernabsatz aufgeworfen werden, im Verhältnis zum Vertragspartner, also dem Großhändler oder Hersteller im Ausland, weitergegeben werden können. Dies betrifft zum Beispiel die Möglichkeit einer Rückgabe von Waren nach einem Widerruf des Verbrauchers ohne jegliche Begründung. Solche Ansprüche sind in vielen Rechtsordnungen unbekannt und müssen daher vertraglich ausdrücklich und umfassend abgesichert werden. Dabei ist auch an die unterschiedlichen Fristen zu denken, die für den Händler einerseits, den Hersteller andererseits laufen können.

Fragen der Verzollung und Einfuhrsteuern sind ebenfalls zu klären.

Besonders schwierig ist die Wahl der passenden Rechtsordnung für etwaige Streitigkeiten. Viele Herkunftsländer haben keine Vollstreckungsübereinkommen mit den Ländern der EU geschlossen, sodass man selbst im Falle eines positiven Urteils in einem Gerichtsverfahren keine Möglichkeit hat, dieses Urteil auch zu vollstrecken. Es empfiehlt sich daher, über die Vereinbarung eines Schiedsverfahrens nachzudenken. Nachteil ist, dass Streitigkeiten unterhalb einer Grenze von ca. 30.000 € wirtschaftlich regelmäßig nicht sinnvoll in einem Schiedsverfahren abzuwickeln sind.

Somit wird deutlich, dass im Fall von Streitigkeiten der Händler häufig große Probleme hat, seine Ansprüche gegenüber seinen Lieferanten durchzusetzen, also kaum eine wirksame Möglichkeit hat, bei Produktfehlern Regress zu nehmen – jedenfalls wenn sich der Lieferant weigert. Letztlich muss der Händler dieses Risiko für sich bewerten – der persönliche Kontakt zu Lieferanten kann hier helfen.

Grundsätzlich muss der Händler die Ware, die der Kunde im Rahmen des gesetzlichen Widerrufsrechts zurücksendet, selbst zurücknehmen. Welche Probleme ergeben sich im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Widerrufsrecht für Verbraucher?

Die Rechtsordnungen vieler typischer Lieferländer kennen entsprechende Widerrufsrechte nicht oder jedenfalls nicht in dem innerhalb der EU geregelten Umfang. Dies führt, wie bereits oben dargelegt, zu erheblichen Risiken. Klare vertragliche Gestaltungen sind erforderlich. Die Vereinbarung eines Schiedsverfahrens kann weiterhelfen. Letztlich bleibt allerdings ein erhebliches Restrisiko, dass jedenfalls in diesem Geschäftsmodell kaum vermeidbar ist, sondern wirtschaftlich vom jeweiligen Händler im Einzelfall in Bezug auf die jeweiligen Lieferanten bewertet werden muss.

Schließlich können sich auch datenschutzrechtliche Probleme im Hinblick auf die Weitergabe von personenbezogenen Kundendaten an einen nicht am Kaufvertrag beteiligten Dritten stellen. Was muss der Händler hier beachten und auf welche Absätze kann er sich im Notfall stützen?

Datenschutzrechtlich stellen Gestaltungen dieser Art hohe Anforderungen an die Datenschutzerklärungen, die der Händler mit seinen Kunden schließen muss. Er muss deutlich machen, dass die Daten für die Durchführung der Bestellungen an Dritte weitergegeben werden. Auch muss er klarstellen, dass die Daten auf diese Weise in Rechtsordnungen gelangen können oder werden, die einen deutlich niedrigeren Schutzstandard aufweisen.

Weist der Händler hierauf nicht hinreichend klar hin, holt er sich keine ausdrückliche Einwilligung in die Datenweitergabe, so drohen u.U. empfindliche Bußgelder seitens der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden.

Die Einwilligung in eine möglichst klare und umfassende Datenschutzerklärung ist daher dringend zu dokumentieren.

Ebenso wie bei den Lieferverträgen mit den Lieferanten muss eine hohe Sorgfalt walten. Gleichzeitig ist auch mit den Lieferanten ein hohes Schutzniveau hinsichtlich der Datensicherheit und der Behandlung von persönlichen Daten auf vertraglicher Grundlage zu vereinbaren.

Für die Durchsetzbarkeit gilt das oben zu Lieferverträgen Gesagte entsprechend: Ohne eine Schiedsvereinbarung wird insoweit kaum eine wirksame Rechtsdurchsetzung möglich sein. 

Herr Zdarsky, vielen Dank für das Interview.

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Stefan Zdarsky

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