Der Lockdown, auch als „Lockdown light“ von der Kanzlerin umschrieben, gefährdet laut einer aktuellen Umfrage zum ersten Lockdown im Frühjahr die Existenz jeder 4. Fahrschule in Deutschland. Wie sehen Sie diese Problematik?
Murat Çetinkaya: Ich finde, dass es leider keine politische Rückendeckung für Fahrschulen gibt, zumal wir der Rückgrat des gesamten Wirtschaftsprozesses sind.
Zusätzlich gibt es, so heißt es, einen Fachkräftemangel bei den Fahrlehrer/innen, was die Existenz vieler Unternehmen zusätzlich gefährdet. Stimmt das auch nach der Pandemie?
Murat Çetinkaya: Der Kräftemangel resultiert nicht ausschließlich aufgrund der Pandemie, sondern wegen der unzureichenden Einhaltungsstruktur.
Bildungsstätte behalten den Nachwuchs für sich und ködern diese durch utopische Gehaltsstrukturen, die für den Kleinunternehmer unbezahlbar sind.
Wie kommt die Branche Ihrer Meinung nach mit Kurzarbeit, aufgelaufenen Stundungen für finanzielle Verpflichtungen und generellen Umsatzeinbußen klar?
Murat Çetinkaya: Die Einbußen sind für den selbständigen Fahrlehrer /Unternehmer enorm, da wir keine finanziellen Absicherungen haben. Es wurden zudem keine Einnahmeeinbußen abgedeckt. Die staatlichen Hilfen waren im ersten Moment attraktiv, jedoch beim näheren Betrachten war es ein Darlehn auf Zeit, den man als Gewinn versteuern muss. Nach Aufhebung des Lockdowns wurde das Liegengebliebene wieder aufgearbeitet, so gab es überhaupt keine Chance, ein Gewinn zu erzielen. Das heißt, ich habe die komplette Summe zurückerstattet. Das einzige war, dass meine Mitarbeiter zumindest durch die Kurzarbeit gehaltlich abgedeckt waren. Ich persönlich hatte meine Einnahmeneinbußen!
Ist der Beruf eines Fahrlehrers/in wirklich so unattraktiv, wie in der Branche gemutmaßt wird?
Murat Çetinkaya: Es fehlt an bundeseinheitlicher Struktur. Es müsste die Ausbildung zum Fahrlehrer besser geregelt sein, besser als die 3-jährige Ausbildung mit IHK Abschluss. Die staatlichen Sicherheiten müssten für den Unternehmer eine Art Sicherheitsfonds geben.
Wir sind total auf unsere Mittel angewiesen. Es muss eine Änderung geben, sonst wird diese Branche nicht überleben.
Kann der Fahrlehrerverband, den es in einigen Bundesländern gibt, in der schwierigen Zeit weiterhelfen? Und gehören Sie überhaupt einem Verband an?
Murat Çetinkaya: Ja, ich gehöre dem Fahrlehrerverband an.
Da muss ich jetzt vorsichtig sein. Aber der Verband ist durch seine Struktur veraltet und nicht zeitgemäß. Der Verband hat keine Art und Weise, das Interesse seiner Mitglieder vor, in oder nach der Pandemie vertreten zu können.
Kann man sich mit Online-Seminaren in Unterrichtsform derzeit nicht weiterhelfen, um wenigstens die theoretische Prüfung vorzubereiten und abzulegen?
Murat Çetinkaya: Wie bereits oben erwähnt, ist die Theorie stark festgesetzt als Präsenz-Unterricht. Der Verband rückt da nicht näher, da er Ängste hat, dass Subunternehmer oder andere Institutionen diese Aufgabe übernehmen und die Bedeutung der Fahrschulen zunehmend abnehmen würde.
Wäre es sinnvoll, für zukünftige Krisen einen Hilfsfonds für Fahrschulen mit beispielsweise monatlichen/jährlichen Beiträgen einzurichten?
Murat Çetinkaya: Ich finde, wir Fahrschulen zahlen so viel an Steuern. Da wäre es sinnvoll, dass der Staat in die Pflicht genommen werden sollte. Worin besteht die Logik, einen Hilfsfonds anzulegen, in den ich als Unternehmer bezahlen muss? Da kann ich ja gleich auf dem Sparbuch das Geld für schlechte Zeiten ansparen.