Im heutigen Interview dürfen wir zwei Experten der Abfallwirtschaft begrüßen: Dirk und Kai Baltrusch. Die beiden haben sich über viele Jahre hinweg ein fundiertes Wissen in diesem Bereich erarbeitet und sind heute renommierte Berater für Unternehmen, die sich mit den Herausforderungen der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) auseinandersetzen müssen. In unserem Gespräch werden sie uns aufzeigen, worauf Unternehmen besonders achten sollten, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig einen nachhaltigen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.
Herr Baltrusch, können Sie uns einen Überblick darüber geben, wie die Gewerbeabfallverordnung die Entsorgungs- und Recyclingprozesse in Unternehmen beeinflusst hat?
Leider nicht in dem Umfang der wünschenswert wäre.
Ziel der Verordnung ist es durch die getrennte Sammlung von Abfällen bereits beim Erzeuger diese Stoffe wieder in den Ressourcen- Kreislauf einzubringen. Selbstverständlich gibt es zahlreiche Unternehmen die diese getrennt Sammlung sehr gut beachten.
Die Geschichte dieser Entwicklung geht bereits zurück bis ins Jahr 1996 (Kreislaufwirtschaftsgesetz).
In der Praxis hat es sich nach wie vor nicht durchgesetzt das Prinzip der getrennten Erfassung der Abfälle auf einen Großteil der Unternehmen auszuweiten.
Dies liegt zum einen an praktischen Problem z.B. fehlende räumlichen Möglichkeiten für verschiedene Behältersysteme, häufiger aber nach unserer Beobachtung an organisatorischen Problemen und vor allem an der Einschätzung der Abfallbesitzer der Entsorgungskosten.
Natürlich erzeugt höherer Aufwand bei der Abfallerfassung (Behälterkosten-zusätzliche Abfalltransporte- erhöhter Platz- und Organisationsbedarf) höhere Kosten.
Allerdings sinken die Kosten für die letztliche Verwertung der Stoffe zum Teil erheblich, drehen sich bei einigen Stoffen (abhängig von der jeweiligen Marktlage) zum Teil sogar von der Kostenseite auf die Erlösseite z.B. PPK/Schrott/Metall/verschiedene Kunststoffe/ unbehandeltes Holz.
Um diese Entwicklung auch in der Praxis vollständig umsetzen und die positiven Auswirkungen nutzen zu können bedarf es allerdings nicht nur auf Seiten des Abfallerzeugers der Bemühungen zur getrennten Erfassung der Abfälle.
Auch die Entsorgungsunternehmen müssen in der Lage sein die getrennt erfassten Stoffe so zu bündeln und zu vermarkten, dass die Wirtschaftlichkeit erreicht wird, soll heißen eine Gegenrechnung von Entsorgungskosten und Wertstofferlösen zum Vorteil des Abfallbesitzer in die Kalkulationen einfließen kann (Stoffstrom-/Wertstoffmanagement).
In der Praxis wir dieser Ansatz aber weiterhin nicht im möglichen Ausmaß verfolgt, sondern häufig erfolgt die Erfassung der Abfälle als Gemisch.
In diesen Fällen sieht die Verordnung die nachträgliche Sortierung dieser Gemische in speziell ausgestatteten Gewerbesortieranlagen vor, um das Ziel der getrennten Wertstoffe im Nachgang zu erreichen.
Selbstverständlich verursacht die Sortierung in technisch anspruchsvollen Anlagen erhöhte Kosten, um diese Kosten zu umgehen wird dann häufig der Weg über die thermische Verwertung in Abfallverbrennungsanlagen gewählt.
Mit diesem Schritt entfällt natürlich die Chance auf die Rückführung der stofflich verwertbaren Abfallanteile in den Rohstoffkreislauf… und natürlich auch die Einhaltung der gesetzlichen Normen.
Vielen Marktteilnehmern ist häufig gar nicht bewusst, dass hier ein sanktionierbarer Tatbestand geschaffen wird. Dies gilt vor allem für die Abfallbesitzer, die sich häufig völlig auf die beauftragten Entsorger verlassen, aber direkt in der Verantwortung stehen.
Dies könnte am Umstand liegen, dass bis zu in Kraft treten der Gewerbeabfallverordnung die thermische Verwertung zum Großteil der stofflichen Verwertung gleichwertig gegenüberstand.
Hier sehen wir Informations- und Kontrollbedarf in größerem Umfang.
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Umsetzung der Anforderungen zur getrennten Sammlung von Gewerbeabfällen, insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen?
Aufklärung und Unterstützung der Unternehmen im Sinne der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und wirtschaftlichen Optimierung der Entsorgungskosten durch Einbeziehung der erzielbaren Wertstofferlöse.
Wie bewerten Sie die Dokumentationspflichten der GewAbfV? Welche Auswirkungen haben diese auf die administrative Belastung eines Unternehmens?
Für den Abfallbesitzer sehen wir hier keine erhebliche zusätzliche Belastung, diese Dokumentationspflicht sollte der beauftragte Entsorger im Normalfall für den Kunden leisten können. Der Kunde sollte diese Dokumentation deutlich von seinem Entsorgungspartner einfordern.
Inwiefern unterstützen Sie Ihre Kunden bei der Einhaltung der Gewerbeabfallverordnung? Welche Beratungs- und Serviceleistungen bieten Sie an?
Wir bieten unseren Kunden neben der Beratung zur Optimierung der betrieblichen Organisation und damit verbunden Schulungen der Mitarbeiter beim Umgang mit den Abfällen Unterstützung bei der Vermarktung der Abfälle an.
Durch unser Unternehmen werden Stoffströme übernommen und vermarktet bzw. der Verwertung zugeführt.
Hierfür nutzen wir ein über viele Jahre aufgebautes belastbares Netzwerk in der Entsorgungsbranche.
Welche technologischen Entwicklungen sehen Sie als besonders vielversprechend, um die Effizienz und Effektivität des Recyclings von Gewerbeabfällen zu verbessern?
Moderne Aufbereitungsanlagen sind in der Lage enthaltene verwertbare Stoffe aus den Gemischen zu separieren. In diesen Anlagen wird zum Teil hochmoderne Aufbereitungstechnik eingesetzt.
Aktuelle Entwicklungen wie z.B. Das chemische Recycling könnte zukünftig auch für die Gewerbeabfallsortieranlagen ein wichtiger Meilenstein werden, hier erwarten wir für die Zukunft große Anknüpfungspunkte zur Zusammenarbeit.
Gibt es Aspekte der Gewerbeabfallverordnung, die Sie als hinderlich oder verbesserungswürdig erachten? Was würden Sie sich von der Gesetzgebung in Zukunft wünschen, um die Recyclingquoten weiter zu steigern?
Wie bereits vorab erwähnt würden wir uns wünschen, dass mehr Information bei allen am Kreislauf Beteiligten und wo erforderlich auch mehr Kontrolle / Moderation erfolgt.
Wir sehen im Abfall eine wesentliche Ressource für die Zukunft in unserem Land, diese Möglichkeit zu entwickeln und voranzutreiben erfordert weitreichende Netzwerke und offenen Austausch.
Es gibt im Markt bereits heute erfolgreiche Beispiele in denen Stoffe die einst als „Abfälle“ angefallen sind und deklariert wurden heute aus der Produktion von vielen Erzeugnissen nicht mehr wegzudenken sind… zum Beispiel in der Papierindustrie.
Vielen Dank für das Interview und den tiefen Einblick in die Gewerbeabfallverordnung.