Wenn man die heutigen Zeiten der Energieknappheit und Preisexplosionen betrachtet, wie können Sie als Hersteller von Windkraftanlagen zum schnelleren Ausbau der Windkraft beitragen?
Zunächst einmal, wir sind nicht im Bereich der netzeinspeisenden Großwindkraftanlagen tätig, sondern im Bereich von Vertikal gestalteten kleineren und unaufdringlicheren Anlagen, welche direkt beim Verbraucher eingesetzt werden, um dort zur Deckung des Bedarfs beizutragen und die inzwischen enormen Stromkosten zu senken.
Können Sie das näher erläutern? Sie verkaufen also Anlagen, die noch näher am Verbraucher stationiert sind, obwohl die meisten Menschen die Windräder nicht weit genug von sich weghaben können?
Ja, das klingt zunächst paradox. Bei näherer Betrachtung haben unsere Vertikal-achsen Kleinwindkraftanlagen (VAWTs) nicht viel mit den beängstigenden Großwindkraftanlagen gemeinsam. Unsere Anlage ist dafür entwickelt worden, den Strom vor Ort zu produzieren und sich dabei nicht aufdringlich in das Landschaftsbild einzufügen. Voraussetzung für die Akzeptanz einer örtlichen Anlage durch die Anlieger ist neben der ästhetischen Einbindung in die Umgebung auch der Geräuschpegel, die geringe Verschattung durch sich drehende Flügel, und die Vermeidung von Vogelschlag.
Sie können sich also vorstellen, dass Ihre Anlage in Wohngebieten eingesetzt wird?
Nun ja, für reine Wohngebiete ist sie eigentlich nicht entwickelt worden. Eher für Industriegebiete, Mischgebiete, Office-Parks, EV-Tankstellen, Hotelanlagen, Einkaufszentren, Bauernhöfe, Militäreinrichtungen, Telekommunikationsanlagen, usw. Schließlich produziert eine dieser Anlagen in guten Windgebieten um die 60 MWh jährlich, was dem durchschnittlichen Jahres-Verbrauch von knapp 20 deutschen Haushalten entspricht.
Auch wenn die potenziellen Kunden von der Ästhetik solcher Kleinwindkraftanlagen begeistert wären, wie würde sich das auf die Planungs- und Genehmigungsverfahren auswirken?
Die Planungs- und Genehmigungsverfahren für solche Anlagen (unter 30 Meter Gesamthöhe) hängen in der Regel von den regionalen Bauämtern ab. Und da gibt es wohl sehr große Unterschiede, was die Anforderungen angeht. Es wäre in der Tat hilfreich, wenn es auf Bundesebene gewisse Richtlinien für solche Anlagen gäbe, an denen sich die regionalen Bauämter orientieren könnten. Es gibt schon die Richtlinie, dass Kleinwindkraftanlagen unter 10 Metern Gesamthöhe ohne Baugenehmigung aufgestellt werden dürfen. Das ist allerdings eine andere Klasse, da die Energie des Windes in Bodennähe nicht sehr hoch ist (durch die sog. Bodeneffekte und auch durch Hindernisse auf dieser Höhe, die den Wind verwirbeln). Solche Mini-Anlagen können leider keinen beachtlichen Beitrag zum steigenden Strombedarf in Deutschland leisten.
Können Sie sich vorstellen, dass solch ästhetisch akzeptable Kleinwindkraftanlagen in Zukunft die riesigen Felder der Großwindkraftanlagen ersetzen können?
Nein, wir brauchen weiterhin einen Ausbau von netzeinspeisenden Großanlagen. Ich sehe aber einen zunehmenden Anteil davon off-shore, wo auch ein viel gleichmäßigerer Wind weht und es in der Regel keine Bürgerproteste gibt. Diese Off-Shore Anlagen können allerdings nur parallel mit den dafür notwendigen Stromtrassen ausgebaut werden, damit der Strom auch dort ankommt, wo er gebraucht wird. Die „akzeptablen“ klein- bis mittelgroßen Anlagen, die wir entwickelt haben, gehören direkt den Verbrauchern und geben diesen damit mehr Kontrolle und Planungssicherheit bezüglich zukünftiger Strom-Engpässe und Preisentwicklungen. Es ist also ein komplett anderes Marktsegment als „Großwind“ und stellt nur eine von vielen Säulen der sauberen Stromerzeugung der Zukunft dar. Wir sehen allerdings neuerlich ein erhöhtes Interesse an Anlagen, die von den Verbrauchern selbst kontrolliert werden können, da das Vertrauen in die Versorger und die Politik etwas angekratzt ist.
Wie stehen sie also im Vergleich zu PV-Anlagen dar, die ebenfalls direkt beim Verbraucher stehen?
Ja, lokale PV-Anlagen stellen die eigentliche Konkurrenz zu unseren Wind-Anlagen dar. Noch viel mehr als netzeinspeisende Großwindkraftanlagen. Allerdings sehen wir uns auch in einer komplementären Position mit PV. Viele von uns haben ja schon erlebt, wie die Stromproduktion von PV-Anlagen in den kurzen Wintertagen mit wenig Sonne stark heruntergeht. Teilweise auf unter 10% der Sommerproduktion. Wenn also mehr Netzautarkie gewünscht wird, kann die Kombination von PV und Kleinwind sehr nützlich sein. Da in der Regel eine der beiden Anlagen immer etwas produziert, kann dadurch auch die Batterie- Speichergröße verringert werden, falls für die Möglichkeit eines Micro-Grids (also eines komplett netzautarken Einsatzes) geplant werden soll. Oft gibt es für PV-Anlagen in Industriegebieten auch nicht genug Platz (über die Dachfläche hinaus), um den tatsächlichen Strombedarf der Verbraucher auch nur annähernd zu bewältigen. Als Beispiel haben wir vor kurzem ein Angebot für PV auf allen vorhandenen Dachflächen eines Hotelresorts in der Karibik gesehen. Die erwartetete Stromproduktion konnte den Strombedarf des Hotels (welches natürlich voll klimatisiert ist) nur zu knapp 7 Prozent decken. Die Eigentümer hatten zwar noch einiges an Land um das Hotel herum, inklusive Privatstrand, Pool Anlagen, Palmenwälder, Spielplätze und Freiluftbühnen, allerdings konnte (oder sollte) nichts davon für weitere PV-Anlagen benutzt werden. Durch wesentlich geringe Flächennutzung einer Vertikalachsen Windkraftanlage werden diese allerdings an den Rändern des Grundstücks in Erwägung gezogen. Wenn es sich um gewöhnliche horizontalachsige Propeller-Windräder gehandelt hätte, wäre das wahrscheinlich auf mehr Widerstand gestoßen. Aber das eher interessante Erscheinungsbild der Vertikalachsen Anlage wurde eher als förderlich erachtet und wurde laut den Eigentümern eher als visuelles Statement oder Bekenntnis zur Nachhaltigkeit betrachtet. Das Kriterium der Nachhaltigkeit hat zwar für viele Feriengäste in der Karibik noch nicht den gleichen Stellenwert wie für Deutsche, aber es zeigt sich doch ein stetig wachsender Trend an.
Sie leben als Deutscher in Amerika, wo die Windleaf2500 Anlage entwickelt wurde und die Zertifikationstests durchlaufen hat. Haben Sie vor, Ihre Anlagen auch in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland zu vertreiben?
Es gibt grundsätzlich drei Kriterien, die zur wirtschaftlichen Abwägung und letztendlich zur Kaufentscheidung von lokalen Wind-Generatoren beitragen. Zum einen sind es die Stromkosten (Verbraucherkosten, nicht Erzeugerkosten), die durch den Einsatz einer solchen Anlage ersetzt werden. Zum anderen ist es die durchschnittliche Jahres- Windgeschwindigkeit am Standort, welche exponentiell zur Energieproduktion beiträgt. Aber letztendlich ist es auch die Energiesicherheit, die in vielen Teilen der Welt durch ständige Stromausfälle in Frage gestellt wird, und inzwischen auch in Deutschland diskutiert wird.
Beim ersten Kriterium (der Strompreise) spielt Deutschland sicherlich in der ersten Liga. Beim zweiten Kriterium (der Windgeschwindigkeiten) kommt es darauf an: Der Norden und Westen Deutschlands haben durchaus gute Wind Gebiete. Auch die Mittelgebirge und andere Höhenlagen haben gute Windgeschwindigkeiten. Allerdings gibt es im Süden tendenziell weniger Wind, wodurch die Wirtschaftlichkeit eingeschränkt wird.
Sobald wir also einen geeigneten Vertriebs- und Installationspartner in Deutschland finden, unter Umständen auch einen Partner zur Fertigung und Montage bestimmter Bauteile, werden wir auf jeden Fall in diesen Markt einsteigen.
Herr Ruff, vielen Dank für das Interview.