Hermann Achenbach: Kreislaufwirtschaft spielt eine zentrale Rolle

Interview mit Hermann Achenbach
Hermann Achenbach ist Leiter der Forschungsgruppe für „Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft“ am SKZ in Würzburg. Mit ihm sprechen wir über das Wirtschaftsmodell der Zukunft, Lebenszyklus von Produkten sowie Wiederaufbereitungstechnologien.

Das Konzept der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) gilt als Wirtschaftsmodell der Zukunft. Können Sie uns dieses Modell genauer erklären?

Hermann Achenbach: Bei der Circular Economy geht es darum, den gesamten Lebenszyklus von Produkten von vornherein so zu denken, dass die Kreislaufführung der Produkte umgesetzt werden kann. Es ist also ein ganzheitliches Modell, das natürlich auch das Recycling nach der Nutzenphase beinhaltet, aber weit hierüber hinausgeht. Setzen wir nur beim Recycling an und werden hier besser, bleiben viele Potenziale liegen, die wir im Sinne einer ökologischen Kreislaufwirtschaft erschließen müssen. Wir müssen Produkte von vornherein kreislauffähig designen, müssen konsequent den Materialeinsatz von vornherein reduzieren (der beste Abfall ist der, der gar nicht erst entsteht), müssen Produkte so gestalten, dass Stoffe nicht unkontrolliert in die Umwelt gelangen (Stichwort: Mikroplastik) und dürfen nicht davor zurück schrecken Nutzungsmuster zu hinterfragen (unnötige Verpackungen z.B.). Am Ende sind natürlich Recycling- und weitere Wiederaufbereitungstechnologien gefragt, die wir unbedingt weiter entwickeln und durch Anreizsysteme auch konkurrenzfähig machen müssen.

Immer wieder bekommt man zu hören, dass die lineare Wirtschaft ausgedient hat. Wie schätzen Sie das ein?

Hermann Achenbach: Ich denke, das Lineare Modell als Leitbild verschwindet immer mehr aus den Köpfen. Viele Unternehmen wissen, dass Sie sich vor dem Hintergrund von Zielen der Kreislaufwirtschaft und auch wegen der Klimaschutzziele auf die Hinterbeine stellen und ihre Geschäftsaktivitäten umgestalten müssen.  In Europa soll der Green Deal die Transformation zur Circular Economy beschleunigen und das ganze über Marktmechanismen regeln. Als Bestandteil definiert die EU-Taxonomieverordnung nun nachhaltige Investitionen. Hier spielt die Kreislaufwirtschaft eine zentrale Rolle. Private Investitionen werden so mehr und mehr in Wertschöpfungsketten und Unternehmen gelenkt, die hier die Transformation auch umsetzen.  Man kann also sagen, der Schalter wird nicht von einem auf den anderen Tag umgelegt, wer aber ausschließlich beim Linearen Modell bleibt, wird nicht zukunftsfähig sein.

Das Wirtschaftsmodell Circular Economy wird immer als nachhaltig betitelt. Auf welche Weise fördert die Circular Economy die Ressourcenschonung und wie erhöht sie die Wertschöpfung?

Hermann Achenbach: Grundsätzlich wird eine von Rohstoffimporten unabhängigere Kreislaufwirtschaft resilienter sein und ermöglicht darüber hinaus auch mehr lokale Wertschöpfung. Ein Land, das hier eine Vorreiterrolle einnimmt, hat außerdem den Vorteil Technologien entwickeln zu können, die sicherlich zukünftig extrem gefragt sein werden. Das heißt die Circular Economy bietet viele ökonomische Vorteile. Ökologisch ist ganz klar, dass kurze Lieferwege und das Vermeiden von Deponien bzw. Müllverbrennung vorteilhaft sind. Hinzu kommen je nach Produkt vermiedene Umweltlasten bei Rohstoffförderung, -aufbereitung und Produktherstellung. Bei Kunststoffprodukten z.B. sind die Schritte die Rohölförderung, die Raffinerie, die Polymerisation. Hierfür ist viel Energie nötig. Deutlich weniger aufwendig ist es, Kunststoffabfall zu sortieren und wieder einzumahlen, dementsprechend umweltfreundlicher ist es auch.   

Die Liste von den Einsatzmöglichkeiten des Modells ist lang. Wie können Unternehmen die Circular Economy im eigenen Unternehmen integrieren?

Hermann Achenbach: An vielen Stellen: Sie haben die Möglichkeit Sekundärrohstoffe, anstatt Neuware einzusetzen, können ihre Produkte kreislauffähig gestalten und können selbst Maßnahmen ergreifen, um Abfälle im Unternehmen zu reduzieren oder dafür zu sorgen, dass sie recycelt werden können. Am SKZ helfen wir Unternehmen in der Kunststoffverarbeitung die für sie richtigen Wege hier zu finden. Der Umstieg auf Sekundärkunststoff z.B. ist nicht immer trivial. Hierfür sind immer spezifische Materialqualifizierungen erforderlich. Unsere Expert*innen arbeiten hier mit vielen Unternehmen zusammen, um Lösungen zu finden. Hierfür stehen uns umfangreiche Labor- und Technikakapazitäten zur Verfügung

Know-How, Fördermöglichkeiten und Praxisanwendung unterstützen die Umsetzung von zirkulären Wirtschaften in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Welche Chancen bietet das vor allem für KMU und wie können diese von dem Wirtschaftsmodell profitieren?

Hermann Achenbach: KMU stehen tatsächlich diverse Fördermöglichkeiten zur Verfügung. Nach kurzer Recherche sollte hier jedes Unternehmen für sich geeignete Angebote finden können. Grundsätzlich haben KMU aufgrund der Tatsache, dass sich ihre Kunden, oftmals OEM oder größere Zulieferer von OEM selbst Nachhaltigkeitszielen und insbesondere Zielen bei der Kreislaufwirtschaft verpflichtet haben, Vorteile beim Absatz ihrer Produkte. In Wertschöpfungsketten der Kunststoffbranche z.B. gibt es mitunter Vorgaben zu Rezyklatanteilen in Produkten, wer hier nichts vorzuweisen hat, ist künftig nicht mehr wettbewerbsfähig.

Viele denken, dass Nachhaltigkeit immer an einen hohen Preis geknüpft ist. Wie wird die Circular Economy finanziert und ist das Stigma, dass Nachhaltigkeit hohe Kosten mit sich bringt, wirklich wahr?

Hermann Achenbach: Wie gesagt besteht die Idee des Green Deal gerade darin, mittels Finanzmarkinstrumenten Investitonen in die nachhaltige Richtung zu lenken, so dass sich die Circular Economy auch lohnen kann. Es ist aber auch deutlich spürbar, dass Kunden heute mitunter schon bereit sind für nachhaltigere Produkte mehr zu zahlen, so dass evtl. höhere Kosten, die in der Herstellung zustandekommen hierdurch wieder reinkommen können. Natürlich muss man hier sehr genau hinschauen, wie die Rahmenbedingungen im Einzelnen sind. Beim Kunststoff bspw. müssen wir immer auch den Preis der Neuware im Blick behalten, der wiederum sehr stark am Rohölpreis hängt. Ist der hoch ist der Einsatz von Sekundärkunststoff sowieso günstiger.

Herr Achenbach, vielen Dank für das Gespräch!

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