Wasserstoff soll zukünftig eine wichtige Rolle einnehmen. Wie kann Wasserstoff im Verkehr eingesetzt werden und wie energieeffizient sind wasserstoffbetriebene Autos?
Dr. Philipp-Matthias Heuser: Wasserstoff hat als Energieträger den Vorteil, dass bei der chemischen Umsetzung bzw. Verbrennung keine klimaschädlichen Treibhausgasemissionen entstehen. Wasserstoff kann sowohl im Straßen- und Schienenverkehr als auch in der Schifffahrt eingesetzt werden. Grundsätzlich kann der Wasserstoff in Gas-Ottomotoren, ähnlich wie Autogas oder Erdgas, verbrannt werden oder in einer Brennstoffzelle umgesetzt werden. Im zweiten Fall wird durch die Brennstoffzelle wieder elektrischer Strom erzeugt, mittels dessen ein Elektromotor das Fahrzeug antreibt. Bei einem Brennstoffzellenfahrzeug handelt es sich also um ein Elektrofahrzeug. Wird Wasserstoff in einem Verbrennungsmotor umgesetzt, liegt die Effizienz des Fahrzeugs in einem ähnlichen Bereich wie ein konventionelles Benzin- oder Diesel-betriebenes Auto. Berücksichtigt man allerdings die Effizienz der Bereitstellungskette von Wasserstoff, bevor er in den Tank gelangt und bezieht die Effizienz auf den ursprünglichen Energieträgern (im Fall von grünem Wasserstoff: erneuerbarer Strom), so ist die Effizienz eines Wasserstoffverbrenners vergleichsweise niedrig. Im Unterschied dazu wird der Energiegehalt von Wasserstoff in einer Brennstoffzelle deutlich besser genutzt. Allein bezogen auf die Energieumwandlung im Fahrzeug liegt der Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren bei knapp über 30 %, ein Brennstoffzellenfahrzeug kann Wirkungsgrade bis zu 60 % erreichen. Damit sind Brennstoffzellenfahrzeug energieeffizienter als Verbrenner.
Fahrzeuge können auf zwei Arten Wasserstoff nutzen. Können Sie uns die beiden Arten einmal erklären?
Dr. Philipp-Matthias Heuser: In einem konventionellen Verbrennungsmotor (Gas-Otto-Motor, Bsp. BMW Hydrogen 7) wird Wasserstoff nach dem gleichen Prinzip wie Benzin, Diesel, Erdgas oder Autogas verbrannt. Die im Wasserstoff chemisch gebundene Energie wird im Gasmotor zuerst in Wärme (Verbrennung mit Sauerstoff bzw. Luft) und dann in mechanische Arbeit umgewandelt. Diese Bewegungsenergie wird danach über ein Getriebe an die Räder weitergeleitet. Eine zweite Möglichkeit ist die Umwandlung der chemisch gebundenen Energie im Wasserstoff in elektrische Energie mit Hilfe einer Brennstoffzelle. Hierbei werden Wasserstoff und Sauerstoff ebenfalls zur Reaktion gebracht. Allerdings sind die beiden Gase durch eine Membran voneinander getrennt, so dass lediglich Wasserstoffprotonen (positive geladene Atomkerne, genannt: Kationen) diese durchdringen können. Die Kationen wandern durch die Membran und erreichen das Oxidationsmittel (hier: Sauerstoff). An der Anode wird der Wasserstoff unter Elektronenabgabe oxidiert und die Elektronen wandern von der Anode zu einer Kathode durch einen elektrischen Verbraucher. An der Kathode wird der Sauerstoff durch Aufnahme der Elektronen zu Anionen reduziert, die unmittelbar mit den Kationen zu Wasser reagieren. Der elektrische Strom, der fließt, kann in einem Elektromotor zum Antrieb eines Fahrzeugs genutzt werden.
Beim Bau der Motoren unterscheidet sich der Wasserstoffmotor stark vom klassischen Verbrennungsmotor. Er benötigt andere Ressourcen, die bei einem Verbrennungsmotor nicht notwendig sind. Welcher Bedarf ergibt sich jetzt bei Rohstoffen und welche weiteren Umweltwirkungen gibt es?
Dr. Philipp-Matthias Heuser: Tatsächlich ist der Aufbau von Brennstoffzellen und Verbrennungsmotoren grundsätzlich unterschiedlich, obwohl es sich bei beiden um Energiewandler handelt. Trotzdem besteht der Großteil der Brennstoffzelle aus konventionellen Materialien, die auch in einem Verbrennungsmotor gebraucht werden: Kunststoffe, Metalle, mitunter keramische Werkstoffe. Die Elektrodenplatten oder auch Bipolarplatten einer Brennstoffzelle sind mit einem Katalysator beschichtet, etwa Platin oder Palladium. Zwar sind diese Metalle selten und die Vorkommen sind auf wenige Länder weltweit begrenzt, aber die für eine Brennstoffzelle erforderlichen Mengen sind sehr gering. Gleichzeitig wird an einer weiteren Reduzierung dieser Katalysatormetalle geforscht. Da die Recyclingquote bei Platin sehr hoch ist, wird heutzutage praktische kein Platin mehr abgebaut, sondern wiederverwertet. Auch bei den weiteren Metallen, die als Katalysatormaterial eingesetzt werden können, halten sich die Umweltauswirkungen in Grenzen.
Aktuell sind erst zwei Fahrzeugmodelle mit Brennstoffzelle in Deutschland erhältlich. Wo werden die Autos tanken können und welche Förderungen gibt es für Wasserstoffautos bereits heute?
Dr. Philipp-Matthias Heuser: In Deutschland gibt es derzeit knapp 100 Wasserstofftankstellen. Diese befinden sich vornehmlich in den Ballungszentren. Im Gegensatz zu etwa 14.500 Tankstellen für Benzin und Diesel in Deutschland hat das Wasserstofftankstellennetz hier noch Ausbaubedarf. Analog zur Betankung von Erdgas- oder Autogasfahrzeugen erfolgt die Betankung eines Brennstoffzellenfahrzeugs mit komprimiertem Wasserstoff innerhalb weniger Minuten. In den Tank des Modells Mirai des japanischen Herstellers Toyota passen etwa 5,6 kg Wasserstoff bei 700 bar. Bei einem Durchschnittsverbrauch von etwa 1 kg pro 100 km erreicht der Mirai eine Reichweite von über 550 km. Genau wie batterieelektrische Fahrzeug wird auch der Kauf von Brennstoffzellenautos durch den deutschen Staat gefördert. (max. 6000 Euro Zuschuss). Hinzu kommen bis zu 3000 Euro (netto) Rabatt vom Hersteller. Gefördert werden in diesem Programm allerdings lediglich Brennstoffzellenautos, die höchstens 65.000 Euro kosten (Nettolistenpreis). Für das Modell Toyota Mirai bekommen Käufer einen Zuschuss von 5000 Euro. Der Preis des zweiten in Deutschland verfügbaren Serienfahrzeugs Hyundai Nexo liegt leider über 65.000 Euro und daher wird der Kauf nicht gefördert.
Vor allem die Klimaneutralität soll durch Wasserstofffahrzeuge gefördert werden. Doch wie fällt die Klimabilanz tatsächlich aus und wie viel spart die umweltfreundliche Alternative endgültig ein?
Dr. Philipp-Matthias Heuser: Wird allein das Wasserstofffahrzeug betrachtet, fallen beim Betrieb keinerlei klimaschädlich Emissionen an, da bei der Umsetzung (sowohl im Verbrenner als auch im Brennstoffzellenfahrzeug) lediglich Wasserdampf entsteht. Damit die Klimabilanz des Betriebs aber wirklich positiv ausfällt, muss auch der Wasserstoff möglich CO2-frei erzeugt werden. Dies ist durch die Verwendung von erneuerbarem Strom für die Wasserelektrolyse möglich (grüner Wasserstoff). Wird Wasserstoff durch die Reformierung aus fossilem Erdgas gewonnen, fallen hier CO2-Emissionen an, da Erdgas größtenteils aus Kohlenwasserstoffen (Methan) besteht (grauer Wasserstoff). Eine Möglichkeit, diese Emissionen bei der Nutzung von Erdgas zu reduzieren, ist die Abscheidung und unterirdische Speicherung eines Teils des CO2 (blauer Wasserstoff). Dieser Prozess wird als Carbon Capture and Storage (CCS) bezeichnet. Allerdings ist es kaum möglich, hierbei alle Emissionen zu vermeiden. Zudem ist die soziale Akzeptanz für die unterirdische Speicherung von CO2 in Deutschland recht gering. Wird nun grüner Wasserstoff zum Antrieb eines Autos verwendet, werden keine Treibhausgasemissionen frei. Ein Neuwagen mit konventionellem Verbrennungsmotor stößt im Durchschnitt etwa 120 g CO2 pro km aus. Bei einer Fahrleistung von 100.000 km entspricht dies kumulierten Emissionen von 12 t. Diese können bei Betrieb eines Wasserstofffahrzeugs mit grünem Wasserstoff eingespart werden.
Um Wasserstoff im Verkehr zu etablieren, müssen noch einige Schritte gegangen werden. Wie hoch würden die volkswirtschaftlichen Umstellungskosten auf Wasserstoff im Straßenverkehr ausfallen?
Dr. Philipp-Matthias Heuser: Diese Frage kann ich leider nicht quantitativ beantworten. Eine vollständige Umstellung des Straßenverkehrs auf Wasserstoff halte ich persönlich für unrealistisch, da die Bereitstellung der erforderlichen Menge an grünem Wasserstoff eine große Herausforderung wäre. Zudem würde der Wasserstoffpreis aufgrund der hohen Nachfrage stark steigen und die Wirtschaftlichkeit eines Brennstoffzellenfahrzeugs für den Verbraucher sehr negativ beeinflussen. Realistischer ist ein Technologiemix im Straßenverkehr, bei dem Wasserstoff einen Anteil von 20 bis 30 % des Energiebedarfs ausmacht. Entscheidend hierfür ist aber ein massiver und forcierter Ausbau von erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung. Nur so können entsprechende Mengen an grünem Wasserstoff bereitgestellt werden. In Studien, welche die Kosten für die Erreichung der Klimaziele bestimmen, wird die Integration von Wasserstoff in das Energiesystem und damit auch in den Verkehrssektor berücksichtigt. Dazu zählt die Studie „Wege für die Energiewende – Kosteneffiziente und klimagerechte Transformationsstrategien für das deutsche Energiesystem bis zum Jahr 2050″ des Instituts für Energie- und Klimaforschung des Forschungszentrums Jülich. Hier errechnen die Forscher kumulierte Zusatzkosten von etwa 1850 Milliarden Euro bis zum Jahr 2050 zum Erreichen einer Reduktion der Treibhausgase um 95 % im Vergleich zum Jahr 1990. Es sei darauf hingewiesen, dass es sich um die Kosten handelt, die für den Umbau der Energieversorgung notwendig sind. Nicht berücksichtigt, sind volkswirtschaftliche Effekte, wie beispielsweise die zu erwartende Wertschöpfung oder mögliche Beschäftigung.