Das Konzept der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) gilt als Wirtschaftsmodell der Zukunft. Können Sie uns dieses Modell genauer erklären?
Dr. Mateusz Wielopolski: Das Problem ist, dass die aktuellen Wirtschaftsmodelle sich als nicht nachhaltig erwiesen haben und das nicht nur in puncto Nachhaltigkeit, sondern auch auf lange Sicht gesehen in punkto Wirtschaftlichkeit (siehe aktuelle Lieferkettenkrise). Die Kreislaufwirtschaft hingegen bietet ein Modell, mit welchem ökologische Nachhaltigkeit wirtschaftlich umgesetzt werden kann. Kurz gesagt geht es darum, eine regenerative Art des Wirtschaftens dadurch zu etablieren, dass kein Abfall mehr anfällt, weil die Rohstoffkreisläufe geschlossen werden. Man hat gezeigt, dass ein solches Denken, neue Wertschöpfungsketten generieren kann.
Immer wieder bekommt man zu hören, dass die lineare Wirtschaft ausgedient hat. Wie schätzen Sie das ein?
Dr. Mateusz Wielopolski: Ausgedient ist wahrscheinlich nicht unbedingt das richtige Wort, weil wir als Menschen einfach gepolt sind, linear zu denken und weiterhin lineare Prozesse in der Wirtschaft etabliert sein werden. Auf Dauer wird es aber nicht komplett linear funktionieren, weil man in der linearen Wirtschaft immer einen Ressourcenfluss in eine Richtung hat. Das ist wie, wenn man an einem Wasserbecken nur einen Anschluss mit einem linearen Rohr hat. Wenn dieser offen ist und kein Wasser mehr von woanders einfließen kann, ist das Becken irgendwann leer. Man kann aber mehrere lineare Prozesse aneinanderreihen und diese zu einem Kreis zusammenführen, um wieder einen geschlossenen Kreislauf zu erhalten. Das geht, wenn man in einem System denkt, und somit können lineare Prozesse weiterhin bestehen.
Das Wirtschaftsmodell Circular Economy wird immer als nachhaltig betitelt. Auf welche Weise fördert die Circular Economy die Ressourcenschonung und wie erhöht sie die Wertschöpfung?
Dr. Mateusz Wielopolski: Ein wichtiger Ansatz in der Circular Economy ist, dass man versucht Rohstoffe länger zu nutzen und Abfall zu vermeiden. Das erhöht den wirtschaftlichen Wert der Ressource, weil sie entweder mehrfach wiederverwendet werden kann (Recycling, Wiederverwertbarkeit trennbarer Produktkomponenten) und weil man z.B. dadurch den „Einkauf“ neuer Ressourcen spart, die alten woanders weiter einsetzen kann. So richtig nachhaltig wird das Ganze aber erst, wenn durch die generierten Wertschöpfungsketten nicht nur weniger Ressourcen verbraucht werden, sondern diese gleichzeitig regeneriert werden können.
Die Liste von den Einsatzmöglichkeiten des Modells ist lang. Wie können Unternehmen die Circular Economy im eigenen Unternehmen integrieren?
Dr. Mateusz Wielopolski: In erster Linie, geht es darum das Bewusstsein für den systemischen Ansatz der Circular Economy zu schaffen und ganzheitlich zu denken. Das ist nicht immer einfach, weil dadurch vor allem in großen Unternehmen etablierte Strukturen und Hierarchien neu gedacht werden müssen. Aus meiner Arbeit heraus, sehe ich effektive Ansätze darin, sich dem Thema über Innovationsprojekte zu nähern und dadurch die Potentiale für Zirkularität innerhalb der Unternehmensstruktur zu verifizieren. Da jedes Unternehmen anders ist, gibt es hierfür kein einheitliches Patentrezept. Deswegen eignet sich so ein Innovationsprojekt als Einstieg ganz gut.
Know-How, Fördermöglichkeiten und Praxisanwendung unterstützen die Umsetzung von zirkulären Wirtschaften in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Welche Chancen bietet das vor allem für KMU und wie können diese von dem Wirtschaftsmodell profitieren?
Dr. Mateusz Wielopolski: Anknüpfend an die vorherige Antwort, können KMUs natürlich viel einfacher und schneller neue Ansätze ausprobieren, v.a. weil Circular Economy nur interdisziplinär funktioniert und in den KMUs die Barrieren zwischen den Disziplinen oder den verschiedenen Abteilungen viel niedriger sind. So können Lösungen in der Praxis schnell umgesetzt werden und sie damit in eine Vorreiterrolle rücken. Durch den derzeitigen Fokus auf das Thema werden sowohl national als auch EU-weit Fördermöglichkeiten sowie Know-How zugänglich, das den KMUs bei der Umsetzung praxisnaher Lösungen v.a. das Risiko minimiert.
Viele denken, dass Nachhaltigkeit immer an einen hohen Preis geknüpft ist. Wie wird die Circular Economy finanziert und ist das Stigma, dass Nachhaltigkeit hohe Kosten mit sich bringt, wirklich wahr?
Dr. Mateusz Wielopolski: Das ist eine oft gestellte Frage und kommt auf die Perspektive darauf an. Wenn man kurzfristig denkt, was die meisten von uns machen, ist der Umstieg zu Kreislaufwirtschaft mit Investitionen, Know-How Aufbau und evtl. teureren Rohstoffen verbunden. Wenn man aber langfristig denkt und sich ganzheitlich mit den Themen Rohstoffknappheit, neue Geschäftsmodelle durch den Aufbau neuer Wertschöpfungsketten, sich änderndes Bewusstsein der neuen Generationen, etc. anschaut, ist es ein finanzielles Risiko sich heutzutage nicht mit dem Thema Kreislaufwirtschaft auseinanderzusetzen. Wie die Folgen ausfallen können, sehen wir gerade in der jetzigen Lieferkettenkrise. Zudem haben Firmen, wie Patagonia, Vaude, Chipotle, etc., die sich bereits vor Jahrzehnten Nachhaltigkeit als oberstes Prinzip auf die Fahne geschrieben haben, gezeigt, wie profitabel das sein kann…