Wann ist eine Kündigungsschutzklage ratsam und ist Abfindung Pflicht?

Interview mit Tobias Ziegler
Wir sprechen mit Rechtsanwalt Tobias Ziegler aus Düsseldorf über Kündigungen seitens des Arbeitgebers und wie man sich als Arbeitsnehmer dagegen zur Wehr setzt.

Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Kündigungsschutzklage und wie kann sie einem Arbeitnehmer helfen, der unrechtmäßig gekündigt wurde?

Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Kündigungsschutzklage sind im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geregelt. Gemäß § 1 KSchG muss der Arbeitnehmer in einem Betrieb mit regelmäßig mehr als zehn Beschäftigten mindestens sechs Monate lang angestellt sein, um allgemeinen Kündigungsschutz zu genießen.

Eine Kündigung kann gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt sein, wenn sie nicht aus Gründen erfolgt, die in der Person des Arbeitnehmers liegen (personenbedingte Kündigung) oder nicht aus betriebsbedingten Gründen erfolgt oder auf nicht verhaltensbedingten Gründen beruht. Im Rechtsstreit stellen sich hier häufig viele Detailfragen, die die Gerichte dann zu prüfen und zu beurteilen haben.

Besondere Regelungen gelten, sofern (auch) besonderer Kündigungsschutz des Arbeitnehmers besteht, beispielsweise für Schwangere, Arbeitnehmer in Elternzeit, Schwerbehinderte und Betriebsratsmitglieder. Diese Auflistung ist nur beispielhaft und nicht vollständig.

Die Kündigungsschutzklage, die innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben ist, ermöglicht einem gekündigten Arbeitnehmer, vor dem Arbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung überprüfen zu lassen. Gemäß § 4 KSchG kann das Gericht die Kündigung für unwirksam erklären und das Arbeitsverhältnis fortbestehen lassen. In bestimmten Fällen, die in der täglichen Praxis eher eine Ausnahme bilden, kann das Gericht trotz festgestellter Unwirksamkeit der Kündigung im Falle der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegebenenfalls auch eine angemessene Abfindung festsetzen.

Wie wird die Höhe einer Abfindung bei einer Kündigung berechnet und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?

Die Höhe einer Abfindung bei einer Kündigung ist nicht gesetzlich festgelegt, sondern wird in der Regel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer individuell ausgehandelt.

Dabei können verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, wie zum Beispiel die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter des Arbeitnehmers, Unterhaltspflichten, sein übliches Gehalt und mögliche Schäden, die ihm durch die Kündigung entstehen können. Es gibt jedoch keine gesetzlichen Vorgaben zur Berechnung der verhandelbaren Abfindungshöhe. Ausnahmefälle wie die oben erwähnten, in denen das Gericht eine Abfindung festsetzt, lasse ich an dieser Stelle außen vor.

Welche Alternativen zur Kündigungsschutzklage stehen einem Arbeitnehmer zur Verfügung, um eine angemessene Abfindung zu erhalten? Neben einer Kündigungsschutzklage stehen einem Arbeitnehmer weitere Alternativen zur Verfügung, um eine angemessene Abfindung zu erhalten. Eine Möglichkeit ist die Verhandlung mit dem Arbeitgeber, um eine einvernehmliche Lösung zu finden, z.B. einen Aufhebungsvertrag abzuschießen.  In einem Aufhebungsvertrag werden die Konditionen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geregelt, einschließlich einer möglichen Abfindung.

Welche Rolle spielt die Dauer der Beschäftigung und das Alter eines Arbeitnehmers bei der Festlegung einer Abfindungssumme?

Die Dauer der Beschäftigung und das Alter eines Arbeitnehmers können sich auf die Festlegung der Abfindungssumme auswirken. Gemäß § 10 KSchG kann das Gericht bei einer Kündigungsschutzklage eine angemessene Abfindung zusprechen. Dabei berücksichtigt es unter anderem die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter des Arbeitnehmers. Eine längere Betriebszugehörigkeit und ein höheres Alter können dazu führen, dass das Gericht eine höhere Abfindung zuspricht, da es schwieriger sein kann, nach einer langen Beschäftigungszeit einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Welche Risiken und Herausforderungen sollten Arbeitnehmer beachten, wenn sie eine Kündigungsschutzklage einreichen oder eine Abfindungsvereinbarung aushandeln möchten?

Bei der Einreichung einer Kündigungsschutzklage oder der Verhandlung über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages sollten Arbeitnehmer natürlich auch rechtliche Risiken und Herausforderungen beachten sowie etwaige Kostenfolgen. In erster Instanz vor dem Arbeitsgericht trägt z.B. jede Partei die ihr entstehenden Kosten selbst.

Sofern man diese Kosten aus wirtschaftlichen Gründen nicht selbst übernehmen kann und auch keine Rechtsschutzversicherung besteht, wäre zu prüfen, ob möglicherweise ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt werden kann.

Ein Kündigungsschutzverfahren kann sich über mehrere Instanzen hinziehen und dann auch schon mal Jahre dauern.

Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass das Gericht die Kündigung für wirksam erklärt und der Arbeitnehmer seine Anstellung rechtswirksam verliert.

Bei Verhandlungen über eine Abfindung besteht das Risiko, dass der Arbeitgeber kein Interesse an einer Einigung zeigt oder nur eine geringe Abfindung anbietet.

Es ist zu empfehlen, sich von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten und vertreten zu lassen, um die Chancen und Risiken abzuwägen und eine bestmögliche Lösung zu erzielen. Die konkreten rechtlichen Rahmenbedingungen können von Fall zu Fall unterschiedlich sein, weshalb individuelle Beratung immer sehr wichtig ist.

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