Streit mit der Versicherung? So wird Ihnen geholfen

Interview mit Jonathan zur Nieden
Heutzutage kann man sich gegen nahezu alles versichern lassen – Angebote hierfür gibt es zu genüge. Doch sind Versicherungen auch dafür bekannt, dass wenn es tatsächlich mal zu einem Schadensfall kommt, man nehme zum Beispiel die berühmt berüchtigte Berufsunfähigkeitsversicherung, dann stößt man beim jeweiligen Versicherer schnell mal auf Widerstand, zum Ärgernis des Versicherungsnehmers/ der Versicherungsnehmerin. Wie es genau um die Schadenfallregulierung steht und welche rechtlichen Möglichkeiten Versicherungsnehmer/-innen im Schadensfall haben, erklärt uns Fachanwalt für Versicherungsrecht Jonathan zur Nieden.

Sie sind Fachanwalt für Versicherungsrecht. Was macht dieses Rechtsgebiet besonders?

Das Verhältnis der beiden Vertragspartner. Auf der einen Seite steht der Versicherer, also ein großes Unternehmen mit vielen (spezialisierten) Mitarbeitern und auf der anderen Seite findet sich der Versicherungsnehmer oder die Versicherungsnehmerin mit wenig bis gar keinen versicherungsrechtlichen Kenntnissen. Zudem entsteht auf Seiten des für den Versicherungsnehmer tätigen Anwalts zumindest häufig subjektiv der Eindruck, dass der Versicherer die Versicherungsbeiträge gern entgegennimmt, aber im Leistungsfall vorrangig prüft, wie eine Leistung verweigert werden kann. Hier kann der Fachanwalt für Versicherungsrecht für eine gewisse „Waffengleichheit“ sorgen. Das bereitet an dem Rechtsgebiet auch besonders viel Freude.

Im Schadensfall ist man froh versichert zu sein, doch häufig kommt es dann zu Auseinandersetzungen mit dem Versicherer. Was sind die regelmäßigen Streitpunkte bei der Schadensregulierung?

Hierzu lässt sich aus meiner Sicht keine pauschale Aussage treffen. Aus der Praxis kann ich allerdings berichten, dass häufig die Verletzung von Obliegenheiten oder die sog. vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung im Streit steht. Die Versicherungsbedingungen enthalten eine Reihe von Obliegenheiten. Im Rahmen der Obliegenheiten wird beispielsweise geregelt, was der Versicherungsnehmer oder die Versicherungsnehmerin nach dem Eintritt eines Schadens unternehmen muss. Wird eine Obliegenheit schuldhaft verletzt, kann der Versicherer die Leistung je nach Schwere des Verschuldens kürzen oder vollständig verweigern. In der Personenversicherung, also beispielswiese der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung, kommt es häufig zum Vorwurf des Versicherers, dass bei Vertragsschluss die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt wurde. In dem Versicherungsantrag, den der Versicherungsnehmer oder die Versicherungsnehmerin ausfüllen und unterschreiben muss, sind bei den Personenversicherungen sog. Gesundheitsfragen enthalten. Hier wird beispielsweise nach Arztbesuchen in den vergangenen drei Jahren gefragt.

Werden diese Fragen nicht richtig beantwortet oder ein Arztbesuch nicht angegeben, was sich u.U. erst während der Leistungsprüfung des Versicherers zeigt, wird der Vertrag regelmäßig angefochten. Hier wird dem Versicherungsnehmer oder der Versicherungsnehmerin dann vorgeworfen, dass die Fragen arglistig falsch beantwortet wurden. Dies führt dann zur Beendigung des Versicherungsvertrages, der Leistungsfreiheit des Versicherers und dazu, dass der Versicherer die bereits erhaltenen Versicherungsbeiträge behalten darf.

Gerade bei großen Schadenssummen spielen die Versicherer gerne auf Zeit und unterbreiten niedrige Angebote. Ist das eine Masche, um die vollständige Schadensregulierung zu umgehen?

Niedrige Vergleichsangebote erfolgen immer aus dem Grund, dass der Versicherer eine vollständige Regulierung des Schadens vermeiden will. Der Versicherer wird in der Regel keine Zahlung anbieten, wenn der Versicherungsnehmer oder die Versicherungsnehmerin keinen Anspruch hat. Wenn eine hohe Schadenssumme geltend gemacht wird, erfolgen dann niedrige Vergleichsangebote. Hierbei dürfte es dem Versicherer bewusst sein, dass eine vollständige Zahlung der Leistung erst nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens zu erfolgen hat und ein solches Gerichtsverfahren häufig relativ lange dauert. Daher besteht bei den Versicherungsnehmern oder den Versicherungsnehmerinnen dann die nachvollziehbare Überlegung, den Vergleichsbetrag, auch wenn dieser niedrig erscheint, anzunehmen und damit schnell zumindest eine geringe Zahlung zu erhalten. Dieses Problem tritt häufig in den langwierigen Berufsunfähigkeitsverfahren auf. Hier kommt die Besonderheit dazu, dass der Versicherungsnehmer oder die Versicherungsnehmerin ohne die vertraglichen Leistungen den Lebensunterhalt nicht bestreiten kann, wodurch die Vergleichsbereitschaft häufig steigt.

Ab welchem Zeitpunkt sollte ein Anwalt eingeschaltet werden?

Spätestens wenn der Versicherer die Leistung ablehnt oder aber der Eindruck entsteht, dass der Versicherer die Regulierung absichtlich verzögert. Ein Fachanwalt für Versicherungsrecht kann dann die Argumente des Versicherers entkräften und so bei einer Regulierung des Schadens behilflich sein. Es kann in Einzelfällen aber bereits bei dem Leistungsantrag ratsam sein, sich anwaltliche Unterstützung zu holen. Hier können dann bereits im Vorfeld unvorteilhafte Formulierungen vermieden werden.

Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es, um seine Ansprüche durchzusetzen?

Es besteht die Möglichkeit, die Ansprüche erst einmal außergerichtlich unter Zuhilfenahme eines Anwaltes geltend zu machen. Sollte dies nicht zu dem gewünschten Erfolg führen, kann Klage vor dem zuständigen Gericht erhoben werden. Von Vorteil ist dabei, dass in der Regel vor dem Gericht am Wohnsitz oder Sitz des Versicherungsnehmers bzw. der Versicherungsnehmerin geklagt werden kann.

Empfehlenswert ist dabei eine Rechtschutzversicherung. Gerade in Streitfällen, wo es um sehr hohe Schadenssummen geht, kostet ein Gerichtsverfahren viel Geld. Dies stellt für viele Versicherungsnehmer ein Hindernis dar. Besteht aber eine Rechtschutzversicherung für den Streitfall, übernimmt diese die Kosten des Verfahrens.

In Versicherungsverträgen gibt es häufig Klauseln, um die Schadensregulierung zu umgehen. Was kann man machen, wenn der Versicherer zurecht nicht zahlt?

Wird die Schadensregulierung verweigert und mit Klauseln aus dem Versicherungsvertrag begründet, sollte spätestens dann ein Blick in die Versicherungsbedingungen geworfen werden. Lässt sich die Weigerung anhand der Versicherungsbedingungen zumindest nachvollziehen, sollte die Leistungsverweigerung durch einen Fachanwalt für Versicherungsrecht überprüft werden. Es verhält sich nämlich so, dass nicht alle Klauseln des Versicherungsvertrages wirksam sind. Es gibt gesetzliche Regelungen, denen auch die Klauseln in den Versicherungsbedingungen genügen müssen. Gerade in älteren Versicherungsverträgen finden sich häufig ungültige Klauseln. Der Fachanwalt für Versicherungsrecht kann die unwirksamen Klauseln erkennen und so die Berechtigung der Leistungsablehnung des Versicherers überprüfen.

Herr zur Nieden, vielen Dank für das Interview.

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Jonathan zur Nieden

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