Steueroptimiertes vererben: Erbrecht und Steuerrecht sind nicht alles!

Interview mit Eberhard Rott
Die Vermögensnachfolge sollte gut durchdacht sein. Zu viele rechtliche Für‘s und Wider’s der vielschichtigen rechtlichen Möglichkeiten sind zu beachten, um einerseits seinen Wünschen und Vorstellungen entsprechend sein Vermögen zu vererben und andererseits keine Streitigkeiten oder gar Auseinandersetzungen vor Gericht zwischen den Hinterbliebenen herbeizuführen und damit seine Ziele nach dem Ableben zu verfehlen. Bei der Testaments- oder Erbvertragsgestaltung spielen nicht nur steuerrechtliche- und erbrechtliche, sondern auch persönliche familiäre Aspekte eine entscheidende Rolle. Erfahrene Anwälte wie Eberhard Rott können dabei unterstützen, das bestmögliche Ergebnis bei der Nachlassregelung zu erzielen. Als Fachanwalt für Steuerrecht und Erbrecht sowie als Testamentsvollstrecker bei HÜMMERICH legal Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB in Bonn ist er genau der richtige Ansprechpartner, um steueroptimiertes Vererben, was ein höchst komplex Thema darstellt, zumindest ansatzweise verständlich zu machen und wichtige Fragen in Bezug darauf zu beantworten. 

Welche rechtlichen Instrumente und Strategien stehen Erblassern zur Verfügung, um steueroptimiert zu vererben, und welche Vor- und Nachteile sind damit verbunden?

Dem steueroptimierten Vererben liegt ein höchst komplexer Vorgang zugrunde. Es genügt nicht, nur das Erbrecht zu betrachten oder nur das Steuerrecht. Eine ganzheitliche Betrachtung erfordert die Einbeziehung der familiären Strukturen und der vermögensmäßigen Situation des Nachlasses, aber auch der eigenen Versorgungssituation – und das bezogen auf einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, von dem man nur weiß, dass er eintritt, aber nicht wann und unter welchen Rahmenbedingungen. Es versteht sich von selbst, dass dieses komplexe Zusammenspiel verschiedener Aspekte einer sorgfältigen Abwägung bedarf und nicht alle Gesichtspunkte in gleichem Umfang optimiert werden können, ansonsten es an Stellen zu unerwünschten Ergebnissen kommen kann, die bei der Fixierung auf ein Ziel schnell aus dem Fokus geraten sind. Ein ganzheitlicher Planungsprozess ist daher das erste Mittel der Wahl.

Welche Bedeutung hat die rechtzeitige und sorgfältige Erstellung eines Testamentes oder Erbvertrages für die steueroptimierte Vermögensnachfolge, und welche Aspekte sollten dabei berücksichtigt werden?

Steueroptimiertes Vererben beginnt mit einer familiären Anamnese. Die erste Weichenstellung beginnt bereits mit der Familienplanung. Kinder, Enkel und Ehepartner sind in einem Maße durch Steuerfreibeträge privilegiert, dass es in der Kernfamilie schon sehr hoher Vermögenswerte – oder einer sehr unglücklichen Nachfolgegestaltung – bedarf, um zu einer signifikanten Erbschaftsteuerlast zu gelangen. Die Erbschaftsteuerfreibeträge kommen den Kindern doppelt zugute, einmal nach dem ersten und dann auch noch einmal nach dem zweiten Erbfall. Darüber hinaus können die Freibeträge auch alle 10 Jahre durch Schenkungen neu genutzt werden. Wer also im Rahmen seiner Familienaufstellung frühzeitig mit Vermögensübertragungen auf die Abkömmlinge beginnt und beide Ehepartner daran mitwirken, kann besonders viel sparen. Das funktioniert am besten, wenn beide Ehepartner in gleicher Höhe mit finanziellen Mitteln ausgestattet sind. Da einem Kind im Verhältnis zu jedem Elternteil ein Schenkungsteuerfreibetrag in Höhe von 400 T€ zusteht, können bei einer Zwei- Kind Familie alle 10 Jahre 1,6 Mio. € von den Eltern übertragen werden, ohne dass Schenkung- oder später Erbschaftsteuer anfallen würden. Sollte das Vermögen, wie es durchaus auch in modernen Partnerschaften heute noch vorkommt, auf einen Elternteil konzentriert sein, sollte zuvor ein Vermögensausgleich zwischen den Partnern herbeigeführt werden. Neben Schenkungen zwischen den Ehegatten, die zu einem Betrag von 500 T€ alle 10 Jahre schenkungsteuerfrei sind, gibt es die Möglichkeit, beispielsweise durch die Übertragung des Familienwohnheimes – es kann sich auch um ein luxuriöses Schloss handeln – oder die Herbeiführung eines familienrechtlichen Zugewinnausgleichs Vermögenswerte in Abhängigkeit vom individuellen Einzelfall in durchaus erheblicher Höhe ohne Verbrauch des Freibetrages zu übertragen. Man sollte sich nur in Acht nehmen, um nicht in die Situation einer steuerlich nicht anzuerkennenden Kettenschenkung zu gelangen, wenn der Wert vom empfangenden Ehegatten gleich auf die Kinder weitergeleitet werden soll. Auch der sog. Generationensprung von Großeltern auf die Enkel kann interessant zur Ausnutzung von zusätzlichen Freibeträgen im Rahmen des Vermögenstransfers – lebzeitig wie von Todes wegen – genutzt werden.

Da auch gleichgeschlechtliche Lebenspartner heiraten dürfen und zudem Erwachsenenadoptionen nicht ausgeschlossen sind, lassen sich selbst in besonderen Lebenskonstellationen durchaus häufig Möglichkeiten zu einer steuerlich privilegierten lebzeitigen oder letztwilligen Vermögensübertragung finden. Da die meisten Menschen nicht in der kreativen Gestaltung von Vermögenstransfers geübt sind, empfiehlt es sich, auf jeden Fall erfahrene Berater hinzuzuziehen. Als modernes Modell hat sich die Zusammenarbeit unterschiedlich spezialisierter Berater in temporären Teams herausgestellt.

Wie können Schenkungen zu Lebzeiten genutzt werden, um das steuerliche Vermögensnachfolgekonzept zu optimieren, und welche steuerlichen Freibeträge und Gestaltungsmöglichkeiten sind dabei relevant?

Bevor man sich der Euphorie der steuerlichen Optimierung hingibt, sollte man vor der endgültigen Entscheidung bedenken, dass lebzeitige Schenkungen neben erwünschten steuerlichen Auswirkungen weniger gewünschte erbrechtliche Nebenwirkungen haben können. Gerne behalten sich bei lebzeitigen Vermögenstransfers die Übergeber zur eigenen Absicherung Nießbrauchsrechte, Wohnrechte, ausgefallene Rückübertragungsrechte und ähnliches vor. Erbrechtlich können solche Regelungen aber dazu führen, dass die sog. Abschmelzungsregelung nicht eingreift, nach der bei lebzeitigen Übertragungen sukzessive 10% der übertragenen Vermögenssumme pro Jahr nicht mehr pflichtteilsrelevant sind, bis sie nach 10 Jahren ganz aus der Pflichtteilsergänzung herausfallen. Wer sich also ausschließlich auf das Steuerrecht fokussiert und das Erbrecht aus dem Blick verliert, schafft für den Erben unter Umständen erst recht Probleme. Denn die rechtlichen Auseinandersetzungen mit in der Erbfolge zurückgesetzten Familienangehörigen sind zumindest emotional oftmals viel härter als die Auseinandersetzungen mit einem Finanzamt. Und dazu noch teurer, wenn sie verloren gehen, denn das Finanzamt vertritt sich selbst, so dass es auch im Obsiegensfalle keinen Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten hat. Erbstreitigkeiten hingegen, erst recht, wenn mehrere Erben beteiligt sind, summieren sich in den Kosten selbst bei bürgerlichen Nachlässen schnell zu einem sechsstelligen Betrag und entzweien Familien oft auf alle Zeiten. Wer den innerfamiliären Vermögenserhalt zum Ziel hat, sollte diesen Aspekt nicht aus dem Auge verlieren.

Welche steuerlichen Auswirkungen ergeben sich bei der Vererbung von Immobilien oder Unternehmen, und welche Strategien können verwendet werden, um die Steuerlast zu minimieren?

Weitere Optimierungsmöglichkeiten können sich ergeben, wenn Geldvermögen vor der Weitergabe in Immobilienvermögen oder Gesellschaftsvermögen umgewandelt wird. Ansatzpunkte hierfür ergeben sich aus der im Einzelfall häufig niedrigeren steuerlichen Bewertung dieser Vermögensgegenstände. Selbst das erbschaftsteuerlich so geschmähte gemeinschaftliche Ehegattentestament, das seine Beliebtheit dem Versorgungsgedanken des überlebenden Partners verdankt, lässt sich auf relativ einfachem Weg erbschaftsteuerlich optimieren, beispielsweise durch ein sog. Erbschaftsteuersparvermächtnis, bei dessen Gestaltung die Regelungen des Bestimmungsvermächtnisses genutzt werden.

Wer das steueroptimierte Vererben zum Ziel hat, sollte weiterhin besonderen Wert auf die Stabilität der letztwilligen Nachfolgeregelungen legen. Dabei geht es nicht nur vordergründig um die formelle Wirksamkeit des Testamentes oder eines Erbvertrages. Das ist nur die Pflicht. Zur Kür gehört es, die Regelungen individuell und praxistauglich zu gestalten. Erfahrungsgemäß steigt mit der Komplexität der Regelungen deren Anfälligkeit für Streitigkeiten. Adressat der Verfügung sollte nicht in erster Linie der Richter sein, denn diesen Gang gilt es gerade zu vermeiden. Das Testament sollte von denjenigen verstanden werden, die es angeht, also in erster Linie den Erben und Vermächtnisnehmern sowie dem ggf. vorgesehenen Testamentsvollstrecker. Aus diesem Grund sind juristische „Hochreckkonstruktionen“, wie beispielsweise die Gestaltung von Vor- und Nacherbschaft, zwar in der Theorie gut geeignet, das Vermögen in der Familie zu halten, führen aber in der Praxis häufig zu Streit, weil die Regeln, nach denen dieses Rechtsinstitut funktioniert, von den Beteiligten nicht verstanden und damit auch regelmäßig auch nicht eingehalten werden. Erbschaftsteuerlich ist diese Lösung ohnehin nicht erste Wahl, weil sie typischerweise zu einer höheren steuerlichen Gesamtbelastung führt.

Welche Rolle spielen steueroptimierte Erbverträge, wie beispielsweise Vor- und Nacherbfolge oder Vermächtnisse, bei der Gestaltung einer steueroptimierten Vermögensnachfolge, und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Ungeschicklichkeiten oder gar Fehler bei der Testamentsgestaltung führen in aller Regel dazu, dass die steuerlichen Folgen nicht so eintreten, wie gewünscht. Auch insoweit besteht eine Wechselwirkung. Häufig wird die „Wiederverheiratungsfalle“ und die damit gegebene Möglichkeit der Anfechtung der letztwilligen Verfügung nicht gesehen. Oder die Möglichkeit der Erbausschlagung durch die nächsten Familienangehörigen nicht bedacht. Das kann dazu führen, dass Pflichtteilsansprüche entstehen, die zu einem erheblichen Liquiditätsabfluss im Todesfall führen können, so dass Notverkäufe erforderlich werden. Zuvor mühevoll gestaltete steuerliche Konstruktionen werden so schnell ad absurdum geführt. Notarielle Pflichtteilsverzichtsverträge, zu Lebzeiten mit den Pflichtteilsberechtigten abgeschlossen, können dieses Risiko bereits erheblich reduzieren. Als Mindeststandard empfehlen sich Regelungen im Testament oder Erbvertrag zum Ausschluss der Anfechtbarkeit der letztwilligen Verfügung wegen des Hinzutretens nicht bekannter Pflichtteilsberechtigter. 

Ein weiteres Hilfsmittel zur Stabilisierung der Nachfolgeregelung und der Sicherung der damit verfolgten Steueroptimierung stellt die Testamentsvollstreckung dar. Bei Minderjährigen oder bedürftigen Erben ist sie ein Muss, ebenso wenn postmortal eine Stiftung errichtet werden soll, um im Falle ihrer Gemeinnützigkeit wiederum Erbschaftsteuern zu sparen oder ganz entfallen zu lassen. Auch in vielen anderen Konstellationen erscheint sie sinnvoll, um eine professionelle und konfliktfreie, auf steueroptimierte Auseinandersetzung ausgerichtete Abwicklung des Nachlasses zu gewährleisten. Bei der Auswahl des Testamentsvollstreckers ist Sorgfalt geboten. Zweckmäßigerweise wird der Testamentsvollstrecker frühzeitig in die Gestaltungsüberlegungen einbezogen, denn die Amtsübernahme ist freiwillig. Zwar erhält der Testamentsvollstrecker eine Vergütung. Im Vergleich zu einer streitigen Nachlassauseinandersetzung rechnen sich diese Kosten jedoch schnell und die Erben erhalten den Nachlass, ohne eigenen Aufwand betreiben zu müssen. Die Kosten der Abwicklungsvollstreckung sind zudem bei der Erbschaftsteuer abzugsfähig, bei geschickter Gestaltung der Vergütungsanordnung lassen sich im Einzelfall sogar die Kosten einer Dauervollstreckung ganz oder teilweise bei den Ertragsteuern absetzen.

Schlussendlich sollte eine steueroptimierte Nachfolgegestaltung immer auch bedenken, Regelungen für den Streitfall vorzusehen. Sollte ein Streitfall nicht vermeidbar sein, kommt es darauf an, ihn möglichst schnell zu erledigen. Durch den Dualismus der Rechtswege im Erbrecht ist es möglich, zuerst durch mindestens zwei Instanzen vor dem Nachlassgericht zu streiten und anschließend noch einmal vor den Zivilgerichten gleichsam von vorne zu beginnen. So lange wartet kein Finanzamt mit der Steuerfestsetzung!

Herr Rott, vielen herzlichen Dank für das sehr interessante Interview.

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