Stefanie Münch: Kenntnis über den Impfstatus könnte zu neuen Problemen führen

Interview mit Stefanie Münch
Stefanie Münch ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Münch & Krone Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB in Cottbus. Mit ihr sprechen wir über Impfstatus der Arbeitnehmer, Impfquote sowie Infektionsschutzgesetz.

In Deutschland sind rund 70% der Erwachsenen vollständig geimpft. Welche der Arbeitnehmer/innen geimpft sind, wissen die meisten Arbeitgeber nicht. Warum dürfen Arbeitgeber den Impfstatus der Arbeitnehmer im Normalfall nicht erfragen?

Stefanie Münch: Rein juristisch gibt es unzulässige Fragen, die manche Personaler zwar stellen, der Arbeitnehmer oder Bewerber aber nicht wahrheitsgemäß beantworten muss. Tatsächlich gibt es bei unzulässigen Fragen ein Recht zur Lüge. Fragen zum aktuellen Gesundheitszustand, wie z.B. eine Schwangerschaft, eine Behinderung oder auch eine Impfung gehören dazu. Diese dürfen mit Rücksicht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nicht gestellt bzw. ohne juristische Folgen falsch beantwortet werden.

Gesundheitsdaten zählen zu den nach Artikel 9 der EU- Datenschutz- Grundverordnung speziell geschützten besonderen Kategorien von personenbezogenen Daten. Die Verarbeitung dieser Daten ist nach Absatz 1 dieser Bestimmung grundsätzlich untersagt. Als Verarbeitung gilt dabei auch eine Erhebung solcher Daten, also auch die Frage nach dem Impfstatus. Der Arbeitgeber darf deshalb weder fragen, noch wissen, unter welchen Krankheiten ein Beschäftigter leidet, auch nicht, ob er geimpft ist oder nicht.

In welchen Fällen darf eine Auskunft über den Impfstatus erfragt werden?

Stefanie Münch: Zum einen ermöglicht das Bundesdatenschutzgesetz selbst Ausnahmen. Demnach dürfen Gesundheitsdaten unter Umständen abgefragt werden, wenn dafür eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt oder das Wissen darüber für die Ausübung des Berufs notwendig ist. Rechtlich konkretisiert wird das für Gesundheitsberufe in § 23a des Infektionsschutzgesetzes. Danach dürfen z.B. Krankenhäuser, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken etc. den Impfstatus ihrer Beschäftigten abfragen, wenn es zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten erforderlich ist. Seit dem 10. September 2021 gibt es zusätzlich in § 36 Absatz 3 Infektionsschutzgesetz eine neue Auskunftspflicht bezüglich des Impf- oder Genesenen- Status für Beschäftigte in Schulen, Kindertageseinrichtungen, Heimen, Ferienlagern, voll- oder teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen, Obdachlosenunterkünften, Asylbewerbern- und Flüchtlingsunterkünften, sonstige Massenunterkünfte und Justizvollzugsanstalten. Diese Auskunftspflicht besteht allerdings nur während der Dauer der epidemischen Lage von nationaler Tragweite (aktuell bis zum 24. November verlängert). Mit Aufhebung derselben dürfen die Informationen über den Impf- oder Genesenen-Status nicht mehr weiter verarbeitet werden und sind unverzüglich zu löschen. Die Abfrage des Impf- bzw. Genesenen- Status ist nach beiden Regelungen (§23a und § 36 Abs. 3 IfSG) aber nur zulässig, soweit dies zur Verhinderung der Übertragung von Sars-Cov2 erforderlich ist. Die letztgenannte Voraussetzung wäre dann erfüllt, wenn durch einen Impf- oder Immunschutz des Personals die Übertragung der Krankheit verhindert werden könnte. Ob allerdings eine Impfung oder Genesung die Übertragung von Sars-Cov2 verhindert, ist angesichts der aktuellen Studien, wonach auch von Geimpften ein Übertragungsrisiko ausgeht, fraglich. So könnte eine Abfrage, die auf die Ermittlung des Impfstatus des Beschäftigten zielt, im Einzelfall nicht zulässig sein, weil sie nicht zur Verhinderung der Übertragung erforderlich bzw. geeignet ist. Die Erforderlichkeit bzw. die Geeignetheit müssen die Arbeitgeber bzw. Dienststellen darlegen und beweisen. Eine letzte Ausnahme könnte auch greifen, wenn der Arbeitgeber ein sachlich berechtigtes Interesse an der Klärung im Hinblick auf die Durchführung des geplanten Arbeitsverhältnisses hat. Beispielsweise wenn ein Arbeitnehmer dauerhaft oder vorübergehend ins Ausland versandt werden soll und die Einreisebestimmungen zwingend eine Impfung vorsehen.

Wie wichtig könnte die Impfquote als Faktor für ein Unternehmen sein, wenn es beispielsweise um eine medizinische Einrichtung geht?

Stefanie Münch: Viele medizinische Einrichtungen sehen sich hier in einer selbst erkorenen Vorreiterrolle und sind besonders auf ein attraktives Medizinmarketing bedacht. Die Veröffentlichung einer innerhalb des Unternehmens nachweisbar hohen Impfquote soll hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Gesundheitsversorgung implizieren.

Das Carl- Thiem- Klinikum in Cottbus hat beispielsweise seine Richtlinien für Neueinstellungen bereits dahingehend verschärft, dass lediglich noch Mitarbeiter mit Impfnachweis eingestellt werden. Dieser Schritt soll aus Gründen des Patientenschutzes erfolgen. Andere Kliniken verzichten hingegen aus verschiedensten Gründen darauf. Ob dieser Weg von Erfolg gekrönt sein wird, wird letzten Endes wohl auch nicht vom Patienten entschieden, welcher in strukturell unterversorgten Gebieten schlichtweg keine Wahl zwischen verschiedenen medizinischen Einrichtungen hat.

Einige Verbände wünschen sich, dass Unternehmen ihre Angestellten auf den Corona-Impfstatus testen dürfen. Ist eine neue Regelung diesbezüglich in Sicht?

Stefanie Münch: Zum 10. September 2021 trat daher zunächst die Neufassung der SARS- CoV-2-Arbeitsschutzverordnung in Kraft, nach welcher der Arbeitgeber den Impf- und Genesungs- Status bei der Festlegung und Umsetzung von Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes berücksichtigen kann, sofern er ihm bekannt ist. Weiterhin hat der Arbeitgeber den Beschäftigten zu ermöglichen, sich während der Arbeitszeit gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Ein explizites Fragerecht ist gesetzlich nicht in Sicht. Gesundheitsminister Jens Spahn hatte zwar eine gesetzliche Regelung für die Impfstatus- Abfrage in Erwägung gezogen. Gewerkschaften widersprachen einer solchen jedoch mit Nachdruck und verwiesen auf den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer. Ob es einen neuen Vorstoß dahingehend im Zusammenhang mit dem Infektionsschutzgesetz geben wird, ließ Bundesarbeitsminister Hubertus Heil offen. Ich persönlich halte es jedoch für ausgeschlossen, dass sich vor der Bundestagswahl ein Politiker hierzu noch einmal äußern wird. Vermutlich wird die Frage nach der Wahl erneut aufkommen, wobei das Ergebnis offen ist. In der Regel werden solch kritische Fragen dann lieber den Gerichten überlassen.

Kann man pauschal sagen, was eine Auskunftspflicht im Sinne des Unternehmens bringen könnte?

Stefanie Münch: Viele Arbeitgeber erhoffen sich von einer Auskunftspflicht einen Schritt in Richtung mehr Normalität. Wenn klar ist, dass alle oder viele im Betrieb geimpft sind, könnten Angestellte wieder aus dem Home- Office zurück ins Büro, es könnten etwa Abstandsvorgaben oder Maskenvorschriften entfallen. Auf der anderen Seite könnte allerdings die Kenntnis über den Impfstatus auch zu neuen Problemen dahingehend führen, dass Arbeitgeber verschiedene Arbeitsschutzmaßnahmen überspannen und ungeimpfte Arbeitnehmer ohne sachliche Rechtfertigung ausgrenzen. Da derzeit auch nach wissenschaftlichem Stand der Erkenntnis nicht hinreichend sicher ist, wie lange Geimpfte tatsächlich immunisiert sind und im Gegensatz dazu aber feststeht, dass diese das Virus trotzdem weitergeben können, dürfte die Auskunftspflicht dem Unternehmer nach meiner Einschätzung wohl mehr Fragen als Antworten aufwerfen.

Wie wichtig ist es für Arbeitgeber zu wissen, welche Arbeitnehmer geimpft sind? Könnte im „worst-case“ eine Kündigung für impfunwillige Arbeitnehmer drohen?

Stefanie Münch: Die Priorität der Kenntnis bewertet jeder Arbeitgeber individuell.

Die Abfrage des Impfstatus könne ausschließlich dazu dienen, dass man allen Beschäftigten im Betrieb einen optimalen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen könne. Hierbei ist jedoch wieder der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Sollte ein Arbeitgeber gleichwohl eine vertragsgemäße Beschäftigung von einer Impfung abhängig machen und beispielsweise den Zutritt zum Betrieb oder einem Betriebsteil verweigern, gerät er unter Umständen in den so genannten Annahmeverzug. Dann muss der Arbeitgeber die Vergütung dennoch zahlen, wenn Beschäftigte ihre Arbeit ansonsten ordnungsgemäß anbieten.

Da es keine gesetzliche Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 – auch nicht für bestimmte Berufsgruppen – gibt, kann die Verweigerung der Impfung auch keine Kündigung bei geltendem Kündigungsschutz rechtfertigen. Im Kleinbetrieb (in der Regel 10 oder weniger Mitarbeiter) greift dieser Kündigungsschutz allerdings nicht. Es ist derzeit nicht davon auszugehen, dass eine Impfpflicht eingeführt wird. Die Corona-Impfverordnung regelt ausschließlich ein Recht auf Schutzimpfung. Das gilt auch für das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber kann eine solche Impfung grundsätzlich nicht verlangen. Der Grundsatz der Freiwilligkeit gilt auch mit Blick auf § 23a IfSG. In einigen Bundesländern gibt es Rechtsverordnungen, die es den Betrieben ermöglichen, eine sog. 2G-Option einzuführen, d.h. den Publikumsbetrieb ausschließlich für Geimpfte und Genesene zu eröffnen. Auch Beschäftigte, die mit Publikum bzw. mit Kunden arbeiten, sollen nach den Regelungen der Länder von der 2G-Regelung erfasst sein. Die Auswirkungen dieser Modelle auf die Arbeitsverhältnisse sind kritisch zu bewerten, eine rechtliche Einordnung ist aber nur unter Berücksichtigung aller Aspekte des Einzelfalles möglich und eine Rechtsberatung daher zu empfehlen.

Frau Münch, vielen Dank für das Gespräch!

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