Immer öfter klagen Kunden nach einem Unfall, dass ihre Kfz-Versicherung nicht zahlt oder eine mögliche Regulierung durch hohe Wartezeiten verzögert wird. Warum zahlen einige Versicherungen nicht und stellen sich quer, wenn einer ihrer Kunden geschädigt worden ist?
Stefan Nolte: Hinsichtlich der dortigen Frage, weshalb einige Versicherungen nicht oder nur zögerlich zahlen, ist bereits eine Pauschalbeantwortung nicht möglich. Es spielen hier unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Zum einen ist bei einigen Versicherern die Personaldecke sehr dünn, so dass es hier zu Verzögerungen kommt. Einige Versicherer arbeiten mit Schadenteams, die den simplen und einfachen Versicherungsfall grundsätzlich bearbeiten. Sobald ein problematischer Punkt sich ergibt, wird bei diesen Versicherern die Angelegenheit an die Fachabteilung abgegeben, die deutlich dünner besetzt ist. Zum Teil bestehen auch immer noch Probleme im Hinblick auf die Umwandlung der Struktur von einem Papierbetrieb in die digitale Papierlosigkeit. Leider gibt es auch nicht wenige Fälle, in denen eine gewisse Zermürbungstaktik versucht wird. Dies ist deutlich häufiger bei sogenannten Onlineversicherern zu beobachten, die augenscheinlich nicht nur mit geringerem Personalaufwand, sondern auch offensichtlich mit dem Ziel einer höheren Einsparquote agieren. Soweit hier der Bereich der eigenen Kfz-Versicherung von Ihnen angesprochen wird, handelt es sich hierbei namentlich in erster Linie um die Vollkasko- und Teilkaskoversicherung. Hier ist es wiederum so, dass aufgrund der Vertragsbedingungen der Versicherer berechtigt ist, einen eigenen Gutachter mit der Besichtigung zu beauftragen. Dieser hat häufig die Aufgabe, den Schaden möglichst für die Versicherung gering zu halten. Dies beginnt schon damit, dass für die Versicherung ein Totalschaden regelmäßig günstiger auszugleichen ist als ein Reparaturschaden. Ist die Frage zu klären, ob ein Totalschaden vorliegt oder ein Reparaturschaden, kommt es maßgeblich auf die Reparaturkosten und den Wiederbeschaffungswert an. Hier sind Stellschrauben, die der Sachverständige der Versicherung gut und einfach beeinflussen kann. So war es noch vor 20 Jahren so, dass Markenhändler selbst gebrauchte Fahrzeuge angeboten haben. Seit der Schuldrechtsreform und mithin der nicht mehr vorhandenen Möglichkeit, die Gewährleistung auszuschließen, geschieht dies regelmäßig durch die Markenhändler nicht mehr. Entsprechend bestimmt sich der Wiederbeschaffungswert am Markt über die Onlinebörsen wie mobile.de, autoscout24.de etc. Hier wird eine Vielzahl von Fahrzeugen mit einer breiten Bandbreite an Kaufpreisen angeboten. Ohne ein Fahrzeug jedoch ordentlich in Augenschein zu nehmen, kann auch ein Sachverständiger nicht entscheiden, in welchem Zustand die angebotenen Fahrzeuge sich befinden und ob diese tatsächlich dem Zustand und der Ausstattung des beschädigten Fahrzeuges des eigenen Versicherungsnehmers entsprechen. Finell sind hier Angebote ausgewählt, die einem Wiederbeschaffungswert entsprechen, im Vergleich zu den Reparaturkosten zu einem Totalschaden führt. In diesem Fall zahlt die Vollkaskoversicherung nur den sogenannten Wiederbeschaffungsaufwand, namentlich die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert des Fahrzeuges. Hierzu wird das Fahrzeug in hausinterne Restwertbörsen gestellt, in denen entsprechende Gebote eingehen. Auch hier hat die Versicherung ein Interesse daran, dass das Fahrzeug lange in einer Börse steht, möglicherweise die Beschreibung des verunfallten Fahrzeuges sehr wohlwollend ist und hiermit ein hohes Restwertangebot erzielt wird, da dann die Versicherung nur noch die Differenz zum bereits niedrig ermittelten Wiederbeschaffungswert übernehmen muss.
Zum anderen wird gerne über z.B. das HIS Portal geprüft, ob Vorschäden am Fahrzeug sind. Können dann die entsprechenden Reparaturen der Vorschäden nicht nachgewiesen werden, wird gerne der Schaden weiter heruntergerechnet oder aber Zahlung, im Hinblick auf die Vorschäden, mangels Schadenserweiterung, gänzlich verneint.
Immer zahlreicher wird auch der Einwand, dass erklärt wird, der Versicherungsnehmer habe den Schaden nicht rechtzeitig angezeigt oder habe den Unfall gar manipuliert, mithin willentlich herbeigeführt. Dies wird erleichtert durch eine Indizienkette, die nach beispielsweise Auffassung des OLG Düsseldorf ausreichend ist, so dass der Versicherer nicht eine Manipulation bis ins Detail beweisen muss. Auch hier ist dann problematisch, dass einzelne Merkmale stets schnell zu einer Manipulationsannahme führen können, obwohl diese eigentlich einen üblichen Sachverhalt betreffen. So wird z.B. gerne das Argument benutzt, dass das Fahrzeug geparkt war und zu einer Zeit beschädigt wurde, zu der nicht viele Zeugen zu erwarten sind. Wird dann noch die Polizei hinzugerufen, wird vermutet und behauptet, dass die Polizei hier als Feigenblatt benutzt wird. Ferner wird auch häufiger auf den Einwand Bezug genommen, dass in der Schadensanzeige grob fahrlässig falsche Angaben gemacht wurden. Dies gilt z.B. im Falle des Diebstahls hinsichtlich des Kilometerstandes des Fahrzeuges oder in Fällen, die auch häufiger werden, in denen das Fahrzeug »elektrisch« mit einem Laptop geöffnet wird und der Versicherungsnehmer dann Probleme hat, nachzuweisen, dass ein Einbruch tatsächlich ins Fahrzeug erfolgt ist, wenn dieser über beide oder gar alle drei Schlüssel zum Fahrzeug verfügt. Wichtig ist daher regelmäßig, dass der Schaden der Polizei angezeigt wird, dass kontrolliert wird, ob alle Schlüssel zum Fahrzeug vorhanden sind, dass die Schadensmeldung der Versicherung an die Versicherung innerhalb von spätestens einer Woche seit dem Schadensereignis erfolgt und gleichzeitig, dass der Fragebogen der Versicherung vollständig und fehlerfrei ausgefüllt wird. Auch hier sollte immer eine Kontrolle des Kilometerstandes erfolgen, auch im Hinblick darauf, welche Laufleistung dem Versicherer gegenüber bei Vertragsabschluss abgegeben wurde.
Hierbei ist zu beachten, dass es Verträge von Vollkaskoversicherern gibt, die zwar etwas teurer sind, jedoch auf die Einrede der groben Fahrlässigkeit verzichten. Ist auf die Einrede nicht verzichtet, wird häufig seitens des Versicherers entgegengehalten, dass der Versicherungsnehmer den Schadensfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. In diesem Fällen droht dann regelmäßig ein quotaler Abzug seitens des Versicherers, im ungünstigsten Fall sogar die Verweigerung der Regulierung. Häufiger Ablehnungsgrund ist die Verhinderung der Aufklärung des Schadenshergangs durch nicht rufen der Polizei. Es wird dann auf die vertraglichen Pflichten und deren Verletzung, sog. Obliegenheitsverletzung, abgestellt.
Welche Nachweise und Dokumente sollte man seiner Versicherung eigentlich vorlegen, um eine Schadensregulierung zu erhalten?
Stefan Nolte: Entsprechend sollte die Schadensaufnahme durch die Polizei erfolgen und eine Kopie der Anzeige der Versicherung überlassen werden sowie Fotos des Schadens gefertigt und an die Versicherung überlassen werden. Die Angabe von Zeugen ist hierbei auch regelmäßig hilfreich. Dies muss in der Frist von einer Woche ab dem Schadensereignis geschehen. Das sodann erhaltene Schadensmeldungsformular der Versicherung muss vollständig, richtig und wahrheitsgemäß ausgefüllt in der Folge dann nach Erhalt zeitnah an die Versicherung zurückgeschickt werden.
Was kann man tun, wenn die Versicherung eine Zahlung verweigert?
Stefan Nolte: Sollte die Versicherung dennoch die Zahlung verweigern, besteht die Möglichkeit, über einen Rechtsanwalt mit der Versicherung zu korrespondieren. In der Folge kann dann noch der Ombudsmann für das Versicherungswesen eingeschaltet werden. Der Schlichtungsversuch ist hierbei kostenfrei. Führt auch dies nicht zum Erfolg, bleibt lediglich der Weg in das gerichtliche Zivilverfahren.
Können Sie ein oder zwei Beispiele aufführen, in welchen bekannten Fällen Versicherungsnehmer den Schaden selbst zahlen mussten?
Stefan Nolte: Ich kann in diesem Zusammenhang nur von einem Fall berichten, in dem ein Mandant sein Firmenfahrzeug abgestellt hatte. Am nächsten Morgen war dieses verschwunden. Der Mandant hatte selbst die Schadensmeldung an die Versicherung abgegeben und hierbei einen Kilometerstand angegeben, der diesem noch im Gedächtnis war. Die Angelegenheit wurde schließlich vor dem Landgericht Kleve verhandelt. Im Rahmen des Prozesses stellte sich dann heraus, unter anderem aufgrund von Informationen, die die Vollkaskoversicherung außergerichtlich nicht offenlegen wollte, da diese zunächst davon ausging, dass das Fahrzeug mit Wissen und Wollen des Mandanten verschwunden war, das Fahrzeug bereits schon einmal einen Unfall hatte. Der Unfallschaden war durch ein Gutachten der DEKRA seinerzeit aufgenommen worden und auf dem sogenannten HIS Server gespeichert worden. Die Versicherung hat mit Hilfe der Fahrzeugidentifikationsnummer das Fahrzeug in der Datenbank gefunden und hierbei festgestellt, dass zum Zeitpunkt des Diebstahls ein Kilometerstand angegeben war, der um 30.000 km höher lag als zum Unfallzeitpunkt. Der Versicherungsnehmer hatte sich hier schlichtweg falsch erinnert beim Ausfüllen der Schadensmitteilung. Letztendlich war das Landgericht jedoch hier der Auffassung, dass die abweichende Kilometerzahl bereits derart hoch war, dass hierdurch die Wertfindung durch den Sachverständigen des Versicherungsnehmers in nicht unerheblichem Maße beeinträchtigt wurde, mit dem Ergebnis, dass die grob fahrlässige Falschangabe zum Kilometerstand den Versicherungsschutz komplett entfallen ließ.
Unter welchen Umständen könnte sich ein Gerichtsverfahren zum Einklagen des Schadensersatzes lohnen?
Stefan Nolte: Dies gilt insbesondere auch dann, wenn, wie häufig, die Höhe des Schadens streitig ist. Insbesondere, wenn der Versicherungsnehmer feststellt, dass gleichwertige Fahrzeuge nach Kilometerlaufleistung, Baujahr und Ausstattung auf dem freien Markt, anders als vom Sachverständigen der Versicherung ermittelt, überhaupt nicht zu erlangen sind. Nicht selten wird hierbei bei den Versicherern darauf spekuliert, dass der Versicherungsnehmer nicht über eine Rechtsschutzversicherung verfügt. Ist diese nicht vorhanden, ist der gerichtliche Weg mit nicht unerheblichen Kosten und damit auch Risiken verbunden, die zum einen die Rechtsanwalts- und Gerichtskosten betreffen, zum anderen jedoch in erster Linie die sehr hohen Kosten für die regelmäßige Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, die gerne zwischen € 1.500,00 und € 2.500,00 liegen können.
Entsprechend muss man sagen, dass, wenn eine Rechtsschutzversicherung vorhanden ist, und die Recherche im Internet ergeben hat, dass der Wiederbeschaffungswert von der Versicherung zu gering angegeben wurde oder anhand von Zeugen etc. beweisbar ist, dass ein Fall vorliegt, in dem das Fahrzeug tatsächlich entwendet wurde und mithin anders als von der Versicherung angenommen, tatsächlich ein Diebstahl vorliegt, der gerichtliche Klageweg gesucht werden sollte.
Was sagen Sie, könnte auch ein Sachverständiger bei einer verzögerten Schadensregulierung von Vorteil sein?
Stefan Nolte: Ein Sachverständiger ist außergerichtlich immer nur dann in Kaskofällen von Vorteil, wenn dieser belegen kann, dass der Wiederbeschaffungswert für das Fahrzeug falsch ermittelt worden ist durch ein eigenes Gutachten. De facto ist es jedoch so, dass es sich hierbei auch um ein Parteigutachten handelt, genau wie das Gutachten der Versicherung, so dass im gerichtlichen Verfahren ohnehin ein gerichtliches Gutachten einzuholen ist, das eben parteineutral ist. In dem Rahmen ist das außergerichtliche Gutachten dann vielleicht ein wenig hilfreich, in einigen Fällen mag es auch einen Prozess vermeiden helfen, im Regelfall ist es jedoch ein Kostenfaktor, der im Hinblick auf die Notwendigkeit des gerichtlichen Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren nicht wirklich einen hohen Wert hat. Anders ist dies natürlich in einem Fall, in dem es um eine Abwicklung mit einer Haftpflichtversicherung eines Unfallgegners geht. Hier sollte immer der eigene Sachverständige gewählt werden.