Wenn ein Arbeitsverhältnis beendet wird, stellt sich oft die Frage der Rechtmäßigkeit der Kündigung. Was ist die „soziale Rechtfertigung“? Wann ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt?
Martin Glasow: Die Rechtmäßigkeit einer Kündigung bemisst sich nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes. Dieses legt fest, dass eine Kündigung unwirksam ist, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn entweder bestimmte, vom Gesetz aufgezählte Gründe für die Kündigung fehlen oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers an einem anderen Arbeitsplatz möglich ist. Anders ausgedrückt: Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt und damit wirksam, wenn sie auf vom Gesetz anerkannten Gründen beruht und eine Weiterbeschäftigung auch auf einem anderen Arbeitsplatz nicht möglich ist.
Muss der Arbeitgeber einen validen Grund für eine Kündigung geben?
Martin Glasow: Ja, das Kündigungsschutzgesetz zählt die Gründe, auf die sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer Kündigung berufen kann, abschließend auf. Danach muss die Kündigung auf einem in der Person (z.B. Krankheit) oder dem Verhalten des Arbeitnehmers (z.B. Straftat zum Nachteil des Arbeitgebers) liegenden Grund beruhen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse (z.B. Arbeitsplatzabbau wegen Auftragsmangels) bedingt sein. Allerdings führt das Gesetz nicht näher aus, wann die erwähnten Gründe konkret vorliegen. Beispiele, die dem Arbeitgeber Orientierung bieten könnten, zählt es auch nicht auf. Daher ist es wichtig, die umfangreiche Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zu den Kündigungsgründen zu kennen, um die Rechtswirksamkeit einer beabsichtigten Kündigung beurteilen zu können.
Wann wird das Kündigungsschutzgesetz angewendet und kommt zum Tragen? Was genau bringt das Gesetz dem Arbeitnehmer?
Martin Glasow: Das Kündigungsschutzgesetz greift mit seinen Vorschriften zu den erforderlichen Kündigungsgründen nur, wenn der Betrieb, in dem der gekündigte Arbeitnehmer arbeitet, mehr als 10 Vollzeitarbeitnehmer beschäftigt. Für Arbeitnehmer, die bereits vor 2004 in dem Betrieb beschäftigt waren, greift das Kündigungsschutzgesetz unter bestimmten Voraussetzungen auch, wenn weniger Arbeitnehmer in dem Betrieb beschäftigt sind. Sobald das Kündigungsschutzgesetz eingreift, muss der Arbeitgeber vor seiner Kündigungsentscheidung das Vorliegen der Kündigungsgründe anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe prüfen. Liegen die Gründe danach nicht vor, kommt es nicht darauf an, ob die Kündigung für den Arbeitgeber sinnvoll ist oder diese nachvollziehbar ist. Sie ist unwirksam und der Arbeitnehmer wird sich dagegen erfolgreich zur Wehr setzen können. Häufig fällt es aber auch schwer zu beurteilen, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen von Gesetz und Rechtsprechung tatsächlich erfüllt sind. Diese Unsicherheit bringt dem Arbeitnehmer zumindest eine bessere Verhandlungsposition in der Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber ein, die er zur Forderung einer höheren Abfindungssumme für eine Einwilligung in die Kündigung ausnutzen kann.
Welche Rolle spielt die Betriebsgröße bei einer Kündigung?
Martin Glasow: Die Betriebsgröße ist entscheidend bei einer Kündigung. Sobald das Kündigungsschutzgesetz wegen der zu kleinen Betriebsgröße nicht eingreift, ist die Rechtmäßigkeit der Kündigung nur an der Sitten- oder Treuwidrigkeit zu messen. Der Arbeitnehmer wird dann letztlich nur vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen geschützt. Man kann also festhalten, dass in Kleinbetrieben Kündigungen in der Regel wirksam sind, wenn diese objektiv nachvollziehbar und plausibel sind. Dies ist ein viel großzügigerer Maß- stab als die vom Kündigungsschutzgesetz geforderten Kündigungsgründe.
Unter welchen Umständen kann ein Arbeitnehmer Einspruch erheben und erfolgreich etwas gegen die Kündigung tun?
Martin Glasow: Dem Arbeitnehmer steht immer das Recht zu, sich gegen die Kündigung zu wehren. Wichtig ist hierbei, dass eine Unwirksamkeit der Kündigung sich nicht nur aus dem Fehlen von Kündigungsgründen ergeben kann, sondern von dem Arbeitgeber eine Reihe von formalen Vorgaben bei und vor dem Ausspruch einer Kündigung zu beachten ist. Sofern zum Beispiel ein Betriebsrat vorhanden ist, muss dieser vorher ordnungsgemäß angehört werden. Im Falle einer Umstrukturierung im Betrieb mit mehreren Kündigungen muss eventuell eine sog. Massenentlassungsanzeige an die Agentur für Arbeit erstattet werden. Fehler hierbei führen zur Unwirksamkeit aller ausgesprochenen Kündigungen. Ist der Arbeitnehmer schwerbehindert oder einem Schwerbehinderten gleichgestellt, ist ein Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt durchzuführen. Dies sind nur einige klassische Fehlerquellen bei Kündigungen, die dem Arbeitnehmer Möglichkeiten zu einer erfolgreichen Gegenwehr geben. Allerdings muss sich der Arbeitnehmer schnell entscheiden, ob er etwas gegen die Kündigung unternehmen will oder nicht. Denn bereits 3 Wochen nach der Zustellung der Kündigung an den Arbeitnehmer gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam, wenn nicht vorher Klage erhoben wurde. Er muss also innerhalb von 3 Wochen Klage erheben, wenn er sich gegen die Kündigung wenden will. Andere Maßnahmen, wie zum Beispiel ein Einspruch beim Betriebsrat oder beim Arbeitgeber, helfen dem Arbeitnehmer nicht.