Während der Corona-Pandemie war die Insolvenzantragspflicht zeitweise ausgesetzt. Was ändert sich ab Oktober?
Dr. Jörg Dauernheim: Durch das im Eilverfahren am 27. März 2020 mit dem schönen Namen Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht hatte der Gesetzgeber die Stellung eines Insolvenzantrages bis zum 30.09.2020 ausgesetzt. Vorausschauend hatte der Gesetzgeber bereits in § 4 COVInsAG für das Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz eine Ermächtigung erlassen, um unkompliziert eine Verlängerung des Aussetzungstatbestandes der Antragsverpflichtung bis zum 31.03.2021 zu erlassen. Infolge der sich nicht abschwächenden Pandemiesituation sah sich das BMJV veranlasst die Aussetzungsfrist bis zum 31.12.2020 zu verlängern und zwar nur für den Insolvenzgrund der Überschuldung.
Warum die Aussetzung der Antragsfrist überhaupt rechtlich geboten ist, möchte ich kurz zum besseren Verständnis erläutern.
Trat Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung bei einer juristischen Person, GmbH oder Aktiengesellschaft ein, so waren Geschäftsführer oder Vorstand verpflichtet unverzüglich, jedoch spätestens binnen 3 Wochen nach Eintritt des Insolvenzgrundes einen Insolvenzantrag zu stellen. Dieselben Regelungen galten auch für die Vertreter von Personengesellschaften wie z.B. der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft.
Wurde die Antragstellung innerhalb einer Dreiwochenfrist von dem Verpflichteten versäumt, so drohten erhebliche strafrechtliche Konsequenzen und die persönliche Haftung.
Mit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wollte man den Geschäftsleitern eine Sanierung des Unternehmens ermöglichen, sofern die Gesellschaft infolge der Pandemie Situation insolvent geworden ist. Die Antragsverpflichtung blieb und bleibt aber bestehen, wenn die Insolvenzgründe nicht auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruhen oder wenn keine Aussicht besteht, die eingetretene Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Gesetzlich wird die Möglichkeit zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit angenommen, wenn das Unternehmen noch bis zum 31. 12. 2019 zahlungsfähig war.
Die Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrages bei bestehender Zahlungsunfähigkeit besteht nunmehr wieder.
Die Öffentlichkeit und die jeweiligen Verpflichteten haben scheinbar diese veränderte rechtliche Situation noch nicht wahrgenommen. Allgemein herrscht noch die Meinung vor, die Aussetzung des Insolvenzantrages würde bei beiden Insolvenzgründen, der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, gegeben sein.
Somit müssen sich die Geschäftsleiter ab dem 01.10.2020 nunmehr mit der Frage vertieft auseinandersetzen, inwieweit Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft vorliegt oder nicht.
Liegt pandemiebedingt Zahlungsunfähigkeit vor, so bleibt den Verantwortlichen nichts anderes übrig, als einen Insolvenzantrag zu stellen. Die gesetzliche Definition der Zahlungsunfähigkeit ist teilweise unbekannt oder wird falsch interpretiert. Die gesetzliche Vorgabe ist wenig hilfreich.
Nach § 17 InsO ist ein Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Mit welchen Kriterien man die Zahlungsunfähigkeit ermittelt, möchte ich kurz darstellen. Die Zahlungsunfähigkeit ist im 1. Schritt von der Zahlungsstockung zu unterscheiden. Eine Zahlungsstockung liegt vor, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person oder Gesellschaft benötigt, um sich die möglichen finanziellen Mittel zur Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten zu beschaffen.
Ist eine nicht zu schließende Liquiditätslücke i.H.v. 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten oder mehr gegeben, so ist Zahlungsunfähigkeit eingetreten. Verbindlichkeiten sind fällig, wenn der Gläubiger diese ernsthaft einfordert. Prüfen kann man die Zahlungsunfähigkeit nur, wenn ein entsprechender Liquiditätsstatus erstellt wird. Dieser Status muss auf den Prüfungszeitpunkt die verfügbaren liquiden und kurzfristig innerhalb eines Zeitraums von 3 Wochen flüssig zu machenden Mittel beinhalten. Der so ermittelten Liquidität sind dann fälligen und die kurzfristig fällig werdenden Verbindlichkeiten gegenüberzustellen. Errechnet sich eine Deckungslücke von 10 %, ist eine Zahlungsunfähigkeit gegeben. Die Prüfung des Bestehens einer Zahlungsunfähigkeit ist ein hoch komplexer Vorgang und kaum von einem Geschäftsleiter ohne Hinzuziehung fachlicher Hilfe durchzuführen.
Droht jetzt eine zeitverzögerte Pleitewelle?
Dr. Jörg Dauernheim: Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Vielfach wird dies so gesehen. Nach statistischen Erhebungen wurden im Monat August 2020 40% weniger Anträge gestellt als im Vorjahreszeitraum. Die Verringerung der Anträge ist auch sehr leicht zu erklären. Durch die finanziellen Stützungsprogramme Soforthilfe/Überbrückungshilfe und Kurzarbeitergeld wird den Unternehmen kurzfristig eine Liquiditätshilfe gegeben. Mit einer kurzfristigen Erholung der Wirtschaft und der Herstellung der allgemeinen Lage vor der Pandemie wird nicht zu rechnen sein. Fallen diese wirtschaftlichen Hilfen weg, wird die Situation brenzlig. Daneben konnten sich Unternehmen Steuerforderungen bis zum 31.12.2020 stunden lassen.
Der Wegfall der Liquiditätshilfen und der Auslauf des Stundungseffektes bei den Steuerverbindlichkeiten fallen dann zusammen. Inwieweit die Unternehmen bei einer weiter anhaltenden Pandemiesituation die Wirtschaftskraft ausweisen werden, um die Situation zu überwinden, ist mehr als fraglich.
Viele meiner Kollegen sprechen in diesem Zusammenhang vom am Leben erhalten von „Zombieunternehmen“. Gerade die besonders von der Pandemie betroffenen Unternehmen aus den Branchen Automobilzulieferer, Gastronomie, Hotellerie, Veranstaltungs- und Eventbereich, Kreuzfahrtunternehmen, Bekleidungsfachgeschäfte und Kaufhäuser werden mit diesen strukturellen Auswirkungen zu kämpfen haben. Es wird meiner Meinung nach zu einem erheblichen Liquiditätsengpass zum Anfang des Jahres 2021 in diesen Branchen kommen. Daher wird mit einer evident ansteigenden Anzahl von Insolvenzen zu rechnen sein.
Unter welchen Umständen sind Geschäftsführer oder Vorstände verpflichtet einen Insolvenzantrag zu stellen?
Dr. Jörg Dauernheim: Bei Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung haben die Geschäftsführer oder Vorstände ohne schuldhaftes Zögern, jedoch spätestens 3 Wochen nach Eintritt der der Insolvenzgründe, den Eröffnungsantrag zu stellen. Im Geschäftsleben wird, so hat sich die Erfahrung gezeigt, die gesetzliche Antragsverpflichtung nicht sehr ernst genommen. Man kann nur ein jeden Geschäftsführer oder Vorstand appellieren sich mit dieser Verpflichtung intensiv auseinanderzusetzen, da ansonsten bei Verstoß gegen diese Verpflichtung erhebliche Sanktionen drohen. Die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit hatte ich ja bereits kurz erläutert.
Wenden wir uns daher der Prüfung einer möglicherweise bestehenden Überschuldung der Gesellschaft zu.
Die Prüfung der Überschuldung hat anhand des sogenannten 2-stufigen modifizierten Überschuldungsbegriffs zu erfolgen. In der ersten Stufe muss die rechnerische Überschuldung des Unternehmens ermittelt werden. Oftmals wird hierzu ein vorliegender Jahresabschluss herangezogen, der einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aufweist. Bereits an dieser Stelle sei der Hinweis erlaubt, ein Jahresabschluss stellt in auf einen zurückliegenden Zeitpunkt ab. Meistens auf den 31. Dezember des Vorjahres oder sogar noch früher. Dieser Zeitpunkt ist aber nicht maßgebend, da die Feststellung der Überschuldung auf den Zeitpunkt einer möglichen Antragsstellung zu erfolgen hat.
Zur Feststellung der Überschuldung kann man entweder einen Überschuldungsstatus auf den fraglichen Zeitpunkt erstellen oder erstellen lassen oder man leitet aus einem handelsrechtlichen Zwischenabschluss dann die entsprechenden Werte ab. Weist der Zwischenabschluss einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag oder bei einer Personengesellschaft einen nicht durch Vermögenseinlagen gedeckten Fehlbetrag auf, so lässt sich hieraus noch kein Schluss auf eine möglicherweise bestehende Überschuldung herleiten. Die Bilanzansätze nach § 264 ff. HGB in einem Jahresabschluss stellen nämlich nur Indizien für eine mögliche Überschuldung dar.
Auszugehen ist nämlich nicht von den bilanziellen Buchwerten, sondern von den tatsächlichen Werten des vorhandenen Vermögens der Gesellschaft. Bei der Überschuldungsbilanz stehen betriebswirtschaftliche Erkenntnisse im Vordergrund, insbesondere Bewertungsfragen. Dabei ist von Liquidationswerten auszugehen, sofern nicht eine positive Fortführungsprognose besteht. Besteht nämlich eine positive Fortführungsprognose, dies ist ein Vorgriff auf den zweiten Prüfungsschritt, wird eine grundsätzlich bestehende Überschuldung irrelevant. Eine positive Fortführungsprognose ist aber nur anzunehmen, wenn die Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist. In der Praxis wird der Betrachtungszeitraum unterschiedlich aufgefasst. Die überwiegende Meinung geht von einem Zeithorizont von 24-36 Monaten aus.
Die Feststellung der Überschuldung ist ein sehr komplexer Vorgang und bedarf erhebliches betriebswirtschaftliches Wissen und Erfahrung in der Aufstellung von Sonderbilanzen. Jedem Geschäftsführer und Verantwortlichen kann nur angeraten werden, sich sorgfältig mit der Überschuldungsprüfung in seinem Unternehmen auseinanderzusetzen und gegebenenfalls rechtskundige Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die rechtlichen Nachteile bei einer fehlerhaften Feststellung des Vorliegens der Nichtvorliegens einer Überschuldung sind evident und führen in der Mehrzahl der Fälle zu einer strafrechtlichen Verurteilung und zivilrechtlichen Haftung, wenn der Insolvenzgrund falsch eingeschätzt wird und es zu einer verspäteten Antragstellung kommt.
Wie läuft ein Insolvenzverfahren üblich ab?
Dr. Jörg Dauernheim: Schauen wir uns den Ablauf eines Regelinsolvenzverfahrens an. Haben Geschäftsführer oder Vorstand das Vorliegen eines Insolvenzgrundes ausgemacht, so werden sie schriftlich Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim zuständigen Insolvenzgericht stellen. Ein Recht auf Antragstellung steht auch einem Insolvenzgläubiger zu, wenn dieser die Insolvenzgründe glaubhaft machen kann.
Nach Eingang des Insolvenzantrages prüft vorab das Gericht die Zulässigkeit des Antrags, wobei auch ein Augenmerk auf die örtliche Zuständigkeit gelegt wird. Sind diese formalen Hürden überwunden hat das Insolvenzgericht die Prüfung des Vorliegens eines Insolvenzgrundes vorzunehmen. In der Praxis hat sich überwiegend herauskristallisiert, dass das Gericht zur Feststellung der Insolvenzgründe einen Sachverständigen oder Gutachter bestellt. Der beauftragte Sachverständige stellt dann den verlängerten Arm des Insolvenzgerichtes dar. Es darf aber nicht übersehen werden, dass grundsätzlich dem Gericht die Prüfungskompetenz obliegt und es auch ohne Einschaltung eines Sachverständigen die Prüfung der Insolvenzgründe vornehmen kann. Neben dem Vorliegen eines Insolvenzgrundes, ist auch die Verfahrenskostendeckung zu prüfen. Bei der Prüfung der Verfahrenskostendeckung geht es darum, inwieweit die vermeintlich zu erwirtschaften der Insolvenzmasse ausreicht, um die anfallenden Gerichtskosten zu bezahlen. Werden die Insolvenzgründe positiv beschieden, reicht aber die vermeintlich zu erwirtschaften Insolvenzmasse nicht aus um eine Verfahrenskostendeckung zu erreichen, so ist auch dann der Insolvenzantrag zurückzuweisen.
Neben dem Gutachter wird das Gericht, soweit erforderlich, auf Anregung des Antragstellers oder durch Hinweise des Sachverständigen zur Sicherung des Vermögens der Gesellschaft einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen. Ein vorläufiger Insolvenzverwalter hat dafür zu sorgen, dass ein Unternehmen, welches vom Schuldner betrieben wird, bis zur Entscheidung über die Insolvenzeröffnung fortgeführt wird. Daneben obliegt ihm die Aufgabe, die Vermögenswerte für die Gesamtgläubigerschaft zu sichern.
Kommt der Sachverständige zur positiven Feststellung eines Insolvenzgrundes und zur Feststellung der Deckung der Verfahrenskosten, so wird er dem Gericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens empfehlen.
Das Gericht wird wiederum dann anhand der sachverständigen Ausführungen noch einmal eigenständig prüfen, inwieweit seine Schlussfolgerung zutreffend ist und dann durch Beschluss entweder das Insolvenzverfahren eröffnen oder den Antrag auf Eröffnung mangels eine die Verfahrenskosten deckende Masse zurückweisen.
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird der Insolvenzverwalter bestellt, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergeht. Ungefähr 6 Wochen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens findet die Gläubigerversammlung statt. Im Rahmen der Gläubigerversammlung wird über den Fortgang des Verfahrens entschieden.
In der Gläubigerversammlung, die auch Berichtstermin genannt wird, wird der Insolvenzverwalter über die Ursachen der Insolvenz und die Verfahrensabwicklung berichten. Die Gläubigerversammlung beschließt dann entweder die Beibehaltung des Insolvenzverwalters oder dessen Absetzung, die Fortführung oder Einstellung des Geschäftsbetriebs des Schuldners. Auch über die Annahme oder Ablehnung eines eingereichten Insolvenzplans wird in der Versammlung abgestimmt. In dem auf den Berichtsterminen folgenden Termin, dem Prüfungstermin, wird der Insolvenzverwalter die Prüfungsergebnisse der zur Tabelle angemeldeten Forderungen mitteilen. Nach diesen beiden Terminen wird die aktive Abwicklung des Insolvenzverfahrens betrieben.
Sind sämtliche Vermögenswerte des Schuldners eingezogen und alle Insolvenzforderungen im Verfahren geprüft, wird durch den Insolvenzverwalter der Schlussbericht und die Schlussrechnung bei Gericht eingereicht. Das Gericht wird dann, meistens in größeren Regelinsolvenzverfahren, einen Schlusstermin anberaumen. Bei kleinen Insolvenzverfahren besteht auch für das Gericht die Möglichkeit, dies in einem schriftlichen Verfahren durchzuführen. Im Schlusstermin berichtet der Verwalter noch einmal über die gesamte Abwicklung des Verfahrens und über die sich ergebende Quotenerwartung. Nach Beendigung des Schlusstermines wird durch das Insolvenzgericht die Schlussverteilung nach dem vom Verwalter eingereichten Verteilungsverzeichnis genehmigt. Aufgrund dieser Genehmigung ist der Insolvenzverwalter erst berechtigt, die Quotenzahlungen an die Gläubiger vorzunehmen. Ist die Quotenausschüttung im Rahmen der Schlussverteilung erfolgt und die angefallenen Gerichtskosten bezahlt, wird das Insolvenzgericht durch Beschluss die Aufhebung des Insolvenzverfahrens bestimmen.
Ein Insolvenzverfahren kann für Unternehmer auch die Chance auf einen Neuanfang bedeuten. Wie funktioniert ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung?
Dr. Jörg Dauernheim: Auch in der heutigen Zeit wird ein Insolvenzverfahren als Makel des Unternehmens angesehen. Die gesetzgeberische Intention ist aber weit davon abgerückt und stellt im Rahmen der InsO diverse Sanierungsmöglichkeiten zur Verfügung. Noch aus den Zeiten der Konkursordnung herrscht der Gedanke vor, dass die Abwicklung eines Insolvenzverfahrens immer mit der Zerschlagung des Unternehmens enden muss. Tritt nach außen hin eine Insolvenzverwalter auf so wird dieser von den anderen Marktteilnehmern nicht als gleichwertiger Partner angesehen, sondern als Person, die nur die Gläubigerinteressen vertritt. Gerade in Betriebsfortführungen bietet sich die Chance der Nutzung eines sogenannten „Eigenverwaltungsverfahrens“ an.
Im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens wird auf die typischerweise erfolgende Einsetzung eines Insolvenzverwalters verzichtet. Das Unternehmen nimmt mit seiner Geschäftsleitung selbstständig die Abwicklung des Insolvenzverfahrens vor. Dafür sind aber entsprechende Fachkenntnisse bei den Geschäftsführern oder Vorständen erforderlich. Sind solche Fachkenntnisse nicht vorhanden, so kann entweder eine entsprechende fachkundige Person in die Geschäftsführung oder den Vorstand berufen werden. Eine andere Möglichkeit ist die Bestellung eines fachkundigen Generalbevollmächtigten. Die Eigenverwaltung steht nur im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens zur Verfügung.
Erste Voraussetzung hierfür ist ein Antrag, der durch den Schuldner gestellt sein muss. Daneben dürfen keine Umstände bekannt sein, die zu einer Benachteiligung von Gläubigern führen können, wenn das Verfahren im Rahmen der Eigenverwaltung abgewickelt wird. Nach Eingang des Insolvenzantrages werden sämtliche Prüfungsphasen wie in einem regulären Insolvenzverfahren durchlaufen. Eine Besonderheit des Eigenverwaltungsverfahrens ist, dass bereits im vorläufigen Verfahren ein vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren angeordnet werden kann. Dadurch wird das schuldnerische Unternehmen in die Lage versetzt, bereits in diesem Zeitpunkt offen mit seinen Gläubigern zu kommunizieren, um eine sachgerechte Betriebsfortführung zu ermöglichen. Nach außen hin agiert das Unternehmen faktisch eigenständig. Zur Sicherung der Rechte der Gläubigerschaft wird durch das zuständige Insolvenzgericht im vorläufigen Verfahrensstadium ein vorläufiger Sachwalter und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Sachwalter bestellt. Dessen Aufgabe ist die Überwachung der ordnungsgemäßen Abwicklung nach den er gesetzlichen Bestimmungen.
Der Sachwalter hat in allen Verfahrensabschnitten gegenüber dem Gericht und den Gläubigern zu berichten. Stellt der Sachwalter einen Verfahrensverstoß des eigenen verwaltenden Schuldners fest, so hat er dies gegenüber dem Insolvenzgericht zu berichten. Je nach Art und Weise des Verstoßes kann es in einem solchen Fall dann zur Aufhebung des Eigenverwaltungsverfahrens kommen. Das Eigenverwaltungsverfahren wird dann als reguläres Insolvenzverfahren fortgeführt.
In einem Eigenverwaltungsverfahren können die gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechte nicht mehr durch den Aufsichtsrat oder die Gesellschafterversammlung ausgeübt werden. Diese Kontrollrechte werden durch die Gläubigerversammlung oder den bestellten Sachwalter ausgeübt. Die Verfahrensabwicklung entspricht der normalen Abwicklung im Rahmen eines Regelinsolvenzverfahrens.
Welche Mittel stehen einem Insolvenzverwalter zur Verfügung, um die Existenz eines Unternehmens zu sichern?
Dr. Jörg Dauernheim: Im Rahmen der Abwicklung des Insolvenzverfahrens kommt es eigentlich zu einer vollständigen Verwertung des Vermögens, was zu einer Zerschlagung des Unternehmens führt. Mit Einführung der InsO im Jahre 1999 hat der Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit der Haltung des Unternehmens als ausdrückliche Alternative zur Verwertung durch einen Insolvenzplan vorgesehen. In diesem Fall bleibt das Unternehmen weiterhin am Markt bestehen. Mit Einführung des ESUG wurde die Abwicklung mittels Insolvenzplan noch attraktiver gestaltet. Das Planverfahren soll insbesondere die Sanierung erhaltenswerter Unternehmen ermöglichen. Ein Insolvenzplan kann als Sanierungsplan, Liquidationsplan oder als Plan zur Übertragung von Vermögenswerten ausgestaltet werden. Zur Existenzsicherung des Unternehmens bietet sich der Sanierungsplan an. Im Rahmen eines Sanierungsplanes wird durch Zahlung des Schuldners an die Gläubiger ein Forderungserlass erreicht. Dadurch sollen die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung beseitigt werden. Der Insolvenzplan kann entweder durch den Schuldner oder durch den Insolvenzverwalter vorgelegt werden. Der Insolvenzplan ist später einer Prüfung durch das Insolvenzgericht zu unterziehen. Im Rahmen eines Sanierungsplanes wird auch die Fortführung des Unternehmens meistens bestimmt, da die Gewinne (Überschüsse) aus der Fortführung des Unternehmens zur Begleichung der Gerichtskosten und Ausschüttung an die Gläubiger dienen sollen. Auch die Zuführung von Drittmitteln zur Begleichung der vereinbarten Quoten ist denkbar. Nach der erfolgten Prüfung durch das Insolvenzgericht wird der Insolvenzplan vor Anberaumung eines Erörterungs- und Abstimmungstermins noch zur Stellungnahme an eine möglicherweise Gebilden Gläubigerausschuss, Betriebsrat, an den Insolvenzverwalter und, wenn der Schuldner den Plan vorgelegt hat oder an den Schuldner, wenn der Insolvenzverwalter den Plan vorgelegt hat zugeleitet. Daneben wird der Insolvenzplan auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Kenntnisnahme durch die Beteiligten ausgelegt. Über die Annahme und Bestätigung des Insolvenzplanes wird in einem Erörterungs- und Abstimmungstermin entschieden.
Ziel eines Insolvenzplanverfahrens ist neben dem Erhalt des Unternehmens eine bessere Befriedigung der Gläubiger. Unter der Prämisse der Besserstellung der Gläubiger in diesem Verfahren können die Gläubiger die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung in einem Insolvenzplan grundsätzlich abweichend von den Regularien der InsO beschließen. So können die Belange der Arbeitnehmer, gesicherter Gläubiger und andere Gläubigergruppen berücksichtigt werden. Wirtschaftliche Interessen der Gläubiger werden dadurch gewahrt, dass diese über die Annahme oder Ablehnung des Insolvenzplanes in Gruppen abstimmen müssen. Wird in dem angenommenen Plan ein Forderungsverzicht der Insolvenzgläubiger geregelt, so führt dies zur Beseitigung der Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung. Da die Sanierungsoption im Planverfahren durch die Gesamtgläubigerschaft getragen wird, schafft ein solches Verfahren die Voraussetzung zur Fortführung des Unternehmens im Ganzen oder in Teilen am Markt.