Fondrating – Bewertung allein zählt nicht

Interview mit Tobias Riefe
Als Anleger reicht oft das Wissen, welches man über alle angebotenen Finanz- und Anlageprodukte hat, nicht aus, um diese aussagekräftig zu bewerten und eine fundierte Entscheidung zu treffen. Glücklicherweise haben es sich Menschen wie Tobias Riefe zum Beruf gemacht und viel Wissen und Erfahrung gesammelt, um damit institutionellen sowie privaten Anlegern beratend zur Seite zu stehen und Anlageempfehlungen zu geben. Mit ihm sprechen wir heute über Fondratings. Mit seiner Erfahrung und Expertise als Finanzberater und Geschäftsführer der L & R FinanzKonzepte Lampe und Riefe GmbH & Co. KG aus Hamburg kann er uns erzählen, nach welchen Kriterien Fondratings bewertet und angeboten werden, wie aussagekräftig die Bewertungen sind und vieles mehr. 

Fondsratings sollen Anlegern dabei helfen, aus tausenden von Produkten das Richtige auszusuchen. Nach welchen Kriterien arbeiten die Anbieter dieser Fondsratings?

Grundsätzlich sind hier aus unserer Sicht folgende Kriterien zu unterscheiden:

  • Qualitative Ratings – Berücksichtigung von „weichen“ Faktoren, wie z.B. die Qualität des Emittenten und seine Strategie
  • Quantitative Ratings – Berücksichtigung von „harten“ Faktoren, nämlich die historische Wertentwicklung
  • Nachhaltigkeit Ratings – Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsansatzes des Fonds 
  • Bei qualitativen Ratings wird die Anlagestrategie, die Erfolgsbilanz des Fondsmanagements, das Risikocontrolling, etc. berücksichtigt. Problematisch ist dabei, dass die Ratingagentur sich stark auf die vom Emittenten gelieferten Informationen stützen muss. Diese weichen Faktoren sind z.T. schwer greifbar und können sich für die Zukunft schnell ändern.

    Bei quantitativen Ratings hingegen wird die vergangene Wertentwicklung des Fonds über unterschiedliche Zeiträume im Vergleich zu seiner Kategorie und/oder Benchmark gesetzt. Der Ratinganbieter ist zwar nicht auf Daten des Emittenten angewiesen, aber diverse wissenschaftliche Studien belegen, dass die vergangene Wertentwicklung keinen Schluss auf die zukünftige Wertentwicklung eines Fonds zulässt. Dies betont übrigens auch jeder Rating- und Fondsanbieter.

    Bei den noch recht neuen Nachhaltigkeitsratings soll beurteilt werden, welche Nachhaltigkeitskriterien der Fonds bei seiner Einzeltitelauswahl anlegt. Hier stehen die Ratingagenturen vor einem ähnlichen Problem, wie bei den qualitativen Ratings – sie sind stark von den Informationen der Anbieter abhängig. Die Fondsemittenten wiederum sind von den Analyseergebnisse von auf dieses Thema spezialisierte Agenturen und / oder die Unternehmen / Anleiheemittenten selbst abhängig.

    Sind die Bewertungskriterien bei den großen Ratinganbietern gut nachvollziehbar?

    Für den Anlageberater sind die Kriterien sicherlich gut nachvollziehbar. Trotzdem ist eine intensive Beschäftigung mit den Kriterien absolut notwendig, um sich ein eigenes Bild von den Grenzen der Ratings zu machen. Ob die Nachvollziehbarkeit daher für den Endkunden (also Anleger) auch vorhanden ist, darf stark bezweifelt werden. Alle Ratings werden mit Symbolen optisch ansprechend aufbereitet. Egal, ob es Buchstaben, Blumen, Zahlen, Sterne oder Blätter sind, der Leser bekommt direkt einen Eindruck, was gut oder weniger gut sein soll. Was dahinter steht, muss man sich allerdings erarbeiten und dies wird kaum ein Endanleger machen.

    Viele Anbieter werben mit guten Fondsratings. Wie aussagekräftig sind gute Fondsratings eigentlich wirklich?

    Je mehr gute Ratings ein Fonds gesammelt hat – unabhängig davon, wofür – desto positiver wird dieser beim Endanleger wahrgenommen. Dabei ist natürlich zunächst einmal zu hinterfragen, wer für die Ratings bezahlt. Da dies in aller Regel der Emittent ist, liegt die Vermutung nahe, dass viele Ratings besonders positiv ausfallen. Darüber hinaus entscheidet der Emittent selbst, welche Ratings er zu Werbezwecken verwendet und welche nicht. 

    Besonders häufig werden Fondsratings bei aktiven Fonds eingesetzt, da diese zeigen sollen, dass der eigene Fonds „besser“ ist als der Großteil des Marktes. Zumindest bei quantitativen Ratings müsste es rein statistisch gleich viele gute wie schlechte Fonds geben, was sich aber subjektiv nicht im Marketing der Anbieter widerspiegelt.

    Macht es als Anleger überhaupt Sinn, sich bei der Anlageentscheidung auf Fondsratings zu verlassen?

    Nein! Egal welche Art von Rating betrachtet wird, ist deren Aussagegehalt für die Zukunft sehr vage, man könnte auch von Glücksfaktor sprechen. Am ehesten dürfte die Aussagekraft von Nachhaltigkeitsratings in der Zukunft eine Orientierung geben, weil hier von gesetzgeberischer Seite ein besonderes Augenmerk draufgelegt wird. Qualitative und quantitative Ratings suggerieren, dass man aus Daten der Vergangenheit auf die Zukunft schließen kann. Daher sollte der – meist kleingedruckte – Hinweis, dass die vergangen Wertentwicklung keine Aussagekraft für die Zukunft hat, jeden Anleger aufhorchen lassen!  

    Welche Alternativen gibt es für Privatanleger, die Sie für sinnvoller erachten?

    Auch der Privatanleger sollte sich vorrangig mit seinen Zielen, seiner Risikobereitschaft, seinem Anlagehorizont, etc. beschäftigen. Anleger sollten sich aus unserer Erfahrung viel mehr mit dem Gesamtkonstrukt und der Funktionsweise von Kapitalanlagen beschäftigen, als mit der Auswahl einzelner Produkte, für die ja die Ratings hilfreich sein sollten. Hat der Anleger diese Faktoren für sich geklärt, sollte er nach Fonds suchen, die diesen Kriterien entsprechen. Wichtig ist dabei sich nicht von Trends oder eigenen Vorlieben leiten zu lassen, sondern ausschließlich auf seine Ziele zu achten. Im Ergebnis werden die meisten Anleger bei passiven Investments landen. Je spezialisierter diese Fonds sind, desto größer wird die Bandbreite der Ratings sein. Bei sehr breit diversifizierten Fonds hingegen tendieren die Ratings ins Mittelfeld. Somit kann also auch ein Fonds, der „nur“ durchschnittliche Bewertungen hat, für das Ziel des Anlegers deutlich besser geeignet sein, als ein Top-Fonds, der aber nicht zu den Zielen passt. Letztendlich sollte sich also ein Anleger überhaupt nicht von Ratings leiten lassen! – Aus finanzpsychologischer Sicht ist dies schwierig, weil wir uns gerne einfache Orientierung in komplexen Sachverhalten wünschen. Daher bedarf es der entsprechenden Disziplin. An dieser Stelle kommt der Anlageberater ins Spiel. Studien zeigen, dass Berater die Rendite der Anlage ihrer Kunden insbesondere durch das Coaching erhöhen können, hingegen die Produktauswahl selbst eine untergeordnete Rolle spielt.

    Und wie geht jetzt der Profi bei der Auswahl von Produkten vor?

    Sie ahnen es schon. Ratings spielen bei unserer Produktauswahl keine Rolle! Wir verfolgen schon seit Jahren einen Anlageansatz, der den Kunden und seine Ziele in den Fokus der Überlegungen stellt. Zudem erstellen wir für jeden Kunden ein finanzielles Risikoprofil. Ferner erläutern wir sehr ausführlich die Grundprinzipen von Kapitalmärkten und warum wir davon überzeugt sind, dass es heute fast unmöglich ist, langfristig durch Informationsvorsprünge eine Überrendite zu erzielen. Somit kommen wir bei der Produktauswahl immer wieder an den Punkt, wo zwischen systematischem und unsystematischem Risiko zu unterscheiden ist. Geld am Kapitalmarkt anzulegen, auch über Investmentfonds, bedeutet immer das Eingehen von systematischen Risiken, (wo hingegen das Parken des Kapitals auf Tagesgeldkonten o.ä. eine garantierte Wertvernichtung darstellt und nur für die Liquiditätsreserve genutzt werden sollte). Unsystematisches Risiko kann man vereinfacht auch mit Spekulation vergleichen. Spekulation wird häufig dadurch getrieben, dass man selbst, der Berater oder der Fondsmanager davon überzeugt ist, den Markt schlagen zu können. Daher werden auch ständig aktive wie passive Fonds aufgelegt, die diesem Bedarf Rechnung tragen. Wir gehen sogar so weit, dass wir nicht nur Themen- oder Branchenfonds, sondern auch Länderfonds meiden. Jede dieser Fokussierung erhöht das unsystematische Risiko, was wir für unsere Kunden vermeiden wollen. Wir nutzen daher echt weltweit diversifizierende Fonds mit einer geringen Kostenquote und konzentrieren uns bei unserer Beratung auf die Dinge, die wir beeinflussen können. Das sind nicht die Kapitalmärkte, sondern das Handeln unserer Kunden!

    Herr Riefe, vielen Dank für das Interview.

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