Im Todesfall geht das gesamte Vermögen des Verstorbenen auf den oder die Erben/-in über. Wieso dauert es trotz der gesetzlichen Regelungen mitunter sehr lange, bis die Erben auf die Konten des Erblassers zugreifen können?
Wenn die Bank erfährt, dass der Kontoinhaber gestorben ist, wird das Konto automatisch in ein „Nachlasskonto“ umgewandelt und die Bank verlangt, dass die Erben ihre Erbenstellung nachweisen, um über das Konto verfügen zu können. Der Nachweis gelingt etwa durch die Vorlage eines eröffneten Testaments, aus dem sich unzweifelhaft ergibt, wer Erbe geworden ist. Mitunter kann es jedoch Wochen dauern, bis ein Testament durch das Nachlassgericht eröffnet wird. Wenn es gar kein Testament gibt oder das vorhandene Testament nicht eindeutig ist, können Banken zudem ein Erbschein verlangen. Die Bearbeitungsfrist für Erbscheine variiert stark, je nach Auslastung des Nachlassgerichts und auch danach, ob der Erteilung des Erbscheins durch einen Beteiligten widersprochen wird, etwa weil sich die Person auf die Unwirksamkeit des Testaments beruft. Üblich sind Bearbeitungsfristen von mehreren Wochen bis hin zu mehreren Monaten. Ist die Erbfolge streitig, kann die Klärung auch Jahre in Anspruch nehmen. Unsere anwaltliche Empfehlung ist daher, eine Person Ihres Vertrauens mit einer Bankvollmacht oder Generalvollmacht auszustatten, die über den Tod hinaus wirksam bleibt. Der oder die Bevollmächtigte kann dann auch ohne Erbnachweis über das Konto verfügen. Alternativ können die mutmaßlichen Erben mitunter auch gegenüber der Bank eine sog. Haftungsfreistellungserklärung abgeben, mit welcher sie die Haftung übernehmen, sollte sich herausstellen, dass die Erbfolge doch eine andere ist.
Besonders lange könnte es dann dauern, wenn die Bank einen Erbschein verlangt. Wo genau lässt sich dieser Schein beantragen und was bescheinigt er genau?
Der Erbschein bescheinigt, wer auf Grund eines Testaments oder von Gesetzes wegen Erbe geworden ist. Der Erbe kann sich unter Vorlage des Erbscheins als solcher ausweisen und Dritte (z.B. Banken oder Käufer) können darauf vertrauen, dass die Erbfolge den Angaben im Erbschein entspricht (sog. „Guter Glaube“). Der Erbschein muss beim zuständigen Nachlassgericht beantragt werden, das ist das Amtsgericht am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des bzw. der Verstorbenen, das ist in der Regel seine bzw. ihre Meldeadresse. Der Antrag erfordert eine eidesstattliche Versicherung der antragstellenden Person, mit der diese versichert, dass ihr nichts bekannt ist, was den gemachten Angaben entgegensteht. Diese eidesstattliche Versicherung muss notariell beurkundet oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Nachlassgericht erklärt werden. Es empfiehlt sich daher gleich den ganzen Erbscheinsantrag durch ein Notar bzw. eine Notarin beurkunden zu lassen, der/die den Antrag dann mit allen erforderlichen Unterlagen direkt an das Nachlassgericht schickt.
Vorsorge- und Generalvollmacht werden oft synonym genannt, da es sich juristisch eigentlich um das gleiche Dokument handelt. Können Sie uns erklären, wo der Unterschied zwischen Vorsorge- und Generalvollmacht liegt?
Die Generalvollmacht stellt eine umfassende Bevollmächtigung einer Person dar (die Vollmachtnehmerin), sich um alle Belange einer anderen Person (der Vollmachtgeber) zu kümmern, die nicht explizit davon ausgenommen sind. Das umfasst etwa finanzielle und rechtliche Angelegenheiten, aber auch Fragen der medizinischen Versorgung und des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Die Vorsorgevollmacht ist ebenfalls eine (in der Regel umfassende) Vollmacht, die jedoch ausdrücklich nur „vorsorglich“ erteilt wird, für den Fall, dass die Vollmachtgeberin selbst nicht mehr in der Lage ist, sich selbst um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern zu können. Egal wie die Vollmacht genannt wird, gilt jedoch, dass der Bevollmächtigte davon immer nur im dem Maße Gebrauch machen darf, wie die Vollmachtgeberin dies wünscht und wie es abgesprochen ist.
Eine weitere Möglichkeit, die Erbenstellung gegenüber der Bank nachzuweisen, ist die Vorlage eines eröffneten Testaments. Welche Vor- und Nachteile hat das klassische Testament?
Ein Testament ist immer dann sinnvoll, wenn die gesetzliche Erbfolge abgeändert werden soll oder darüber hinaus Anordnungen getroffen werden sollen, wie das Vermögen nach dem Ableben verteilt werden soll. Ein Testament kann aber auch einfach deshalb sinnvoll sein, weil dadurch die kostspielige Erteilung eines Erbscheins verhindert werden kann. Wichtig ist, dass sich aus dem Testament klar ergibt, wer Erbe werden soll und dass es auch ansonsten klar verständlich formuliert ist. Hier empfiehlt es sich in der Regel, sich zuvor durch eine Fachanwältin oder einen Fachanwalt für Erbrecht beraten zu lassen, da in der Praxis viele Testament leider sehr missverständlich formuliert werden oder wichtige Aspekte übersehen werden, wie etwa die Bindungswirkung eines früheren gemeinschaftlichen Testaments von Ehegatten.
Wer weiß, dass er Erbe ist, muss einiges regeln. Was sollte man als Erbe unverzüglich tun?
Wichtig ist es, sich unverzüglich einen Überblick über den Nachlass zu verschaffen, also über die vorhandenen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, da die Erbschaft im Falle der Überschuldung in der Regel nur binnen sechs Wochen ab Kenntnis des Erbfalls bzw. ab Bekanntgabe des eröffneten Testaments ausgeschlagen werden kann. Nach Ablauf der Ausschlagungsfrist gilt das Erbe als angenommen. Als nächstes sollte geprüft werden, dass nur solche Personen über Vollmachten des Erblassers verfügen, denen man selbst ebenfalls vertraut. Andernfalls sollten diese Vollmachten gegenüber der bevollmächtigten Person und gegenüber Banken etc. widerrufen werden. Und wenn Fragen in Zusammenhang mit der Nachlassabwicklung, der Erbauseinandersetzung, der Erbannahme oder ähnlichem bestehen, sollte zeitnah eine fachanwaltliche Beratung eingeholt werden.
Frau Kliemt, vielen Dank für das Interview.