Laura Novakovski, Spezialistin für IT-Recht und Datenschutzrecht bei der Kanzlei SBS Legal Rechtsanwälte Schulenberg & Partner in Hamburg klärt uns auf, was genau hinter dem Dropshipping-Modell steckt.
Dropshipping hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Können Sie uns das Geschäftsmodell genauer erklären?
Dropshipping, auch bekannt als Streckengeschäft oder Direkthandel, ist eine Art des Online-Handels, bei der Händler die Produkte in ihrem Online-Shop zum Verkauf anbieten, ohne diese selbst in ihrem eigenen Lager vorrätig zu haben. Die eigentliche Versendung der Produkte zum Käufer erfolgt beim Dropshipping direkt über den Hersteller oder Großhändler, dem sogenannten Dropshipping-Partner.
Der Shop-Betreiber bzw. Händler stellt beim Dropshipping somit nur einen Mittelsmann dar und konzentriert sich meist auf das Branding der Produkte und die Umsetzung von Marketingmaßnahmen. Für Käufer ist diese im Hintergrund bestehende Verflechtung zwischen unterschiedlichen Akteuren jedoch nicht direkt ersichtlich, da es für das Dropshipping keine direkte Kennzeichnungspflicht gibt.
Welche Vor- und Nachteile hat das Geschäftsmodell Dropshipping und warum ist es vor allem für KMU interessant?
Vorteil des Dropshipping-Geschäfts ist zum einen die niedrige finanzielle Einstiegshürde, weshalb sich dieses Geschäftsmodell besonders für Kleinunternehmer mit geringem Startkapital zum ersten Einstieg in das Online-Geschäft anbietet, denn: diese sparen sich Lager- und Versandkosten. Da sie die zu verkaufende Ware nicht selbst lagern müssen, sind sie zudem flexibler in der Produktauswahl und können ihren Kunden vor allem eine große Produktpalette anbieten. Ebenso erlaubt es der Verzicht auf ein eigenes Lager, dass der Online-Shop grundsätzlich von überall auf der Welt gemanagt werden kann.
Die Nachteile des Dropshippings sind jedoch nicht zu vernachlässigen, immerhin geben die Shop-Betreiber einen Teil ihres Geschäfts aus der Hand und haben somit keine oder nur noch geringe Kontrolle über die Qualität der fremdversandten Ware und den Versand an sich, insbesondere in Bezug auf Versanddauer und -kosten. Der Online-Shop kann noch so hochwertig und benutzerfreundlich sein – wenn der Hersteller das Paket nicht rechtzeitig abschickt, der Versand zu lange dauert, das Produkt beschädigt ist oder die Sendung im schlimmsten Falle gar nicht erst beim
Kunden ankommt, hat der Shop-Betreiber als Verkäufer gegenüber seinem Kunden für all dies gerade zu stehen. Ein weiterer Nachteil kann unter Umständen auch die Höhe der Versandkosten sein: Wenn Waren verschiedener Hersteller in einem Online-Shop angeboten werden, kann es schnell passieren, dass die Versandkosten für den Kunden sehr hoch sind, da die Waren meist aus einem Drittland – häufig China – geliefert werden. Bestellt ein Kunde also mehrere unterschiedliche
Produkte aus einem Dropshipping-Online-Shop, kann das für den Kunden sehr kostenintensiv werden, und ihn möglicherweise von einem Kauf abhalten. Dies gilt umso mehr, wenn es um Retouren geht. Hier kann es vorkommen, dass die Rücksendekosten sogar den Kaufpreis übersteigen, etwa wenn das Produkt zu Lasten des Käufers in ein Land außerhalb der EU zurückgeschickt werden muss.
Des Weiteren nachteilig ist die oftmals geringe Gewinnspanne. Aufgrund des enorm umkämpften Marktes im Bereich des E-Commerce und der schier unendlichen Konkurrenz ist es häufig erforderlich, dass die Shop-Betreiber ihre Produkte zu sehr günstigen Preisen anbieten, da ansonsten jemand anderes dasselbe Produkt noch günstiger verkauft. Daher ist es beim Dropshipping-Geschäft sinnvoll, in geschicktes Marketing bzw. Branding zu investieren, um sich so von den Konkurrenten abzuheben.
Wer seine Ware mittels Dropshipping-Methode vertreiben möchte, muss einen Vertrag mit dem Dropshipping-Partner abschließen. Dabei müssen typische Risiken der Lagerung und des Versands von den Waren berücksichtigt werden. Nach welcher Rechtsordnung werden entsprechende Verträge abgeschlossen, wenn der Dropshipping-Partner im Ausland bzw. im Nicht-EU-Ausland sitzt?
Um die Risiken zu minimieren, müssen die Verträge mit den Dropshipping-Partnern optimal ausgestaltet sein. Gerade bei einem großen Warenumsatz kann ein rechtlich schwach ausgearbeiteter Vertrag zu enormen, ungewollten Kosten und Verwaltungsaufwand für den Händler führen. Im Vertrag zwischen dem Dropshipping-Partner und dem Händler gibt es dabei typischerweise zwei zentrale Konfliktursachen, die es zu regeln gilt: Zum einen müssen die Modalitäten hinsichtlich Retouren geklärt werden. Es muss klar sein, wer die Kosten des Rückversands trägt, wer bei einem Mangel die Nacherfüllung abwickelt und welche Partei im Übrigen wofür haftet. Da bei diesen Verträgen keine Verbraucher beteiligt sind, gibt es in diesem Bereich viele Gestaltungsmöglichkeiten. Der Handel mittels Dropshipping-Methode ist sehr vielfältig und die Waren bringen unterschiedliche Risiken mit sich. Daher gibt es für solche Verträge keine Einheitslösung. Vielmehr müssen diese für jedes Dropshipping-Business im Einzelfall angepasst werden und sind daher von Unternehmen zu Unternehmen sehr individuell.
Zum anderen ist das auf den Vertrag anwendbare Recht zu wählen. Häufig sitzen die Dropshipping-Partner nicht in Deutschland, sondern im EU-Ausland. Daher muss klar sein, welches Recht im Falle von Streitigkeiten greift. Da bei grenzüberschreitenden Verträgen zwei Landesrechte miteinander kollidieren, ist in den meisten Ländern ein Wahlrecht vorgesehen. Die Vertragsparteien können also
selbst entscheiden, welches Landesrecht auf ihren Vertrag anzuwenden ist. Sollte eine solche Vereinbarung nicht getroffen worden sein, müssen die einzelnen landesrechtlichen Kollisionsnormen zur Anwendung kommen. Dies kann grade in gerichtlichen Verfahren sehr teuer werden, da man auch zu dem Ergebnis kommen kann, dass ein für das mit dem Streit befasste Gericht fremdes Recht auf den Vertrag Anwendung findet. Die rechtlich ordnungsgemäße und umfassende Ausgestaltung von Verträgen ist also sehr komplex. Ohne einen soliden Vertrag können für den Händler immense Kosten aufgrund von rechtlichen Unklarheiten entstehen.
Grundsätzlich muss der Händler die Ware, die der Kunde im Rahmen des gesetzlichen Widerrufsrechts zurücksendet, selbst zurücknehmen. Welche Probleme ergeben sich im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Widerrufsrecht für Verbraucher?
Da Dropshipping-Händler per Definition kein eigenes Warenlager führen, kann das Thema zurückgesandte Ware ihn zunächst einmal vor logistische Probleme stellen, wenn er nicht selbst ausreichende Lagerkapazitäten für zurückgesandte Ware schafft. Wir empfehlen daher, stets eine Vereinbarung zwischen Händler und Dropshipping-Partner zu treffen, nach der der Dropshipping-Partner auch das Retouren-Management für den Händler übernehmen soll. In der Widerrufsbelehrung an den Verbraucher sollte diese Thematik auch inkludiert werden, sodass der Käufer die Ware entsprechend der Vereinbarung zwischen Händler und Dropshipping-Partner direkt an die richtige Adresse (im Normalfall an die des Dropshipping-Partners) schickt. In diesem Fall muss der Händler die Rücksendeadresse in seiner Widerrufsbelehrung vollständig angeben. Hierbei stellt sich zum einen das Problem, dass das gesetzliche Muster für die Widerrufsbelehrung eine Abweichung zwischen Widerrufsadresse und Rücksendeadresse für die Widerrufsware nicht vorsieht,
sodass der Händler hierfür vom gesetzlichen Muster abweichen und mithin für die Rechtskonformität der modifizierten Widerrufsbelehrung einstehen muss. Zum anderen stellt sich hierbei die Frage, ob es dem Verbraucher überhaupt zumutbar ist, die Widerrufsware an eine andere Adresse zu versenden, insbesondere, wenn er dies auch noch auf eigene Kosten machen soll. Die Zumutbarkeit steht insbesondere in Frage und muss regelmäßig verneint werden, wenn der Verbraucher aufgefordert wird, auf eigene Kosten in ein anderes Land als in dasjenige zu versenden, in dem er
seinen Wohnsitz hat.
Schließlich können sich auch datenschutzrechtliche Probleme im Hinblick auf die Weitergabe von personenbezogenen Kundendaten an einen nicht am Kaufvertrag beteiligten Dritten stellen. Was muss der Händler hier beachten und auf welche Absätze kann er sich im Notfall stützen?
Bei dem Modell des Dropshippings ist der Datenschutz nicht außer Acht zu lassen. Der Kunde stellt dem Händler zunächst all die personenbezogenen Daten zur Verfügung, die notwendig sind, um einen Kaufvertrag zu schließen und die bestellte Ware erhalten zu können. Diese Daten werden dann teilweise an den Dropshipping-Partner weitergegeben. Solange nur Name und Anschrift weitergegeben werden, ist dieses Vorgehen regelmäßig von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. B Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gedeckt. Nach dieser Norm ist die Weitergabe von personenbezogenen Daten zulässig, sofern diese für die Abwicklung des Vertrags erforderlich ist. Werden darüber hinaus jedoch weitere personenbezogene Daten des Kunden an den Dropshipping-Partner übersendet, wie etwa die E-Mail-Adresse, Bankdaten oder Telefonnummer, bedarf dies einer vorherigen Einwilligung des Kunden. Um das Dropshipping-Geschäft datenschutzkonform zu betreiben, ist also sicherzustellen, dass nur solche personenbezogenen Daten an den Dropshipping-Partner weitergegeben werden, welche für die Lieferung unbedingt notwendig sind. Dies sind regelmäßig nur Vor- und Nachname sowie die Lieferanschrift. Für die Weitergabe zusätzlicher Daten,
etwa der Mailadresse oder der Telefonnummer, bedarf es regelmäßig einer gesonderten datenschutzrechtlichen Rechtfertigung und mithin im Zweifel der vorherigen Einwilligung des Käufers. Oftmals ergeben sich datenschutzrechtliche Probleme hieran anknüpfend daraus, dass der Dropshipping-Partner außerhalb der EU sitzt und damit sämtliche Verarbeitung von personenbezogenen Kundendaten in einem Drittstaat, außerhalb des Geltungsbereichs der DSGVO, stattfindet. Hier sollte man als Händler, wenn möglich, auf Dropshipping-Partner zurückgreifen, die
zumindest ihre Datenverarbeitung auf Servern mit Standort innerhalb der EU oder in einem Land, welches über einen Angemessenheitsbeschluss der Europäischen Kommission verfügt (wie z.B. die Schweiz oder Großbritannien), durchführen.
Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung handelt es sich bei der Einschaltung eines oder mehrerer Dropshipping-Partner nicht um eine tatbestandliche Auftragsverarbeitung im Sinne des Art. 28 DSGVO, denn den Dropshipping-Partnern fehlt es üblicherweise an der hierfür erforderlichen Weisungsgebundenheit. In der Folge müssen Händler keine Auftragsverarbeitungsverträge (AVV) mit den Dropshipping-Partnern schließen. Vielmehr sind diese selbst eigene Verantwortliche im Sinne der DSGVO. Zwingend erforderlich ist gemäß Art. 13 DSGVO in jedem Fall aber, dass der Händler über die Weitergabe der personenbezogenen Kundendaten an seine Dropshipping-Partner im Rahmen seiner Datenschutzerklärung vollständig aufklärt.
Frau Novakovski, vielen Dank für das Interview.