Seit kurzem beschäftigt sich das Landgericht Osnabrück mit
gefälschten Impfpässen. Wie behandelt die Justiz eine Fälschung von
Gesundheitszeugnissen gemäß §§277, 279 StGB?
Christian Barthelmes: Es ist zu unterscheiden zwischen dem Umgang mit gefälschten Impfpässen vor dem 24.11.2021 und nach dem 24.11.2021. Ab dem 24.11.2021 heißt es in § 275 Abs. 1a StGB wie folgt:
„Wer die Herstellung eines unrichtigen Impfausweises vorbereitet, indem er in einem Blankett-Impfausweis eine nicht durchgeführte Schutzimpfung dokumentiert oder einen auf derartige Weise ergänzten Blankett-Impfausweis sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt, einem anderen überlässt oder einzuführen oder auszuführen unternimmt, wird mit Freiheitstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Das Einführen von § 275 Abs. 1a StGB zeigt bereits, dass diese Handlungsweise vor der Einführung von § 275 Abs. 1a StGB nicht strafbar war. Dieser Auffassung schließt sich das Landgericht Bamberg und das Oberlandesgericht Bamberg in den zitierten Entscheidungen an. Insbesondere haben sowohl das Landgericht, als auch das Oberlandesgericht bestätigt, dass ein Rückgriff auf die Vorschriften der Urkundenfälschung (§ 267 ff. StGB) unzulässig ist, da die Spezialvorschriften des § 277 ff. (Fälschung von Gesundheitszeugnissen) die Anwendung der allgemeinen Vorschriften der Urkundenfälschung sperren.
Beim Landgericht Osnabrück wurde geprüft, ob sich Beschuldigte
der Urkundenfälschung gemäß §267StGB strafbar gemacht haben. Warum ist in dem Fall der Fälschung von Gesundheitszeugnissen kein Rückgriff auf die allgemeine Regelung der Urkundenfälschung möglich?
Christian Barthelmes: Das Oberlandesgericht Bamberg hat in dem Urteil, das ich bei Instagram gepostet habe, sehr deutlich gemacht, weshalb ein Rückgriff auf die Urkundenfälschung unzulässig ist und durch die Spezialvorschriften gesperrt wird. So hat das Oberlandesgericht Bamberg in der zitierten Entscheidung festgestellt, dass § 277 StGB in der bis zum 23.1.2021 geltenden alten Fassung eine abschließende gesetzliche Regelung über die Strafbarkeit des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen darstellte, welche einen Rückgriff auf § 267 StGB sperrte. Das OLG argumentiert, dass sich dies bereits aus der systematischen Stellung der §§ 277 -279 StGB a. F. ergibt. Diese regeln den Umgang mit unrichtigen Gesundheitszeugnissen ausführlich und ausdifferenziert, weshalb kein Sinn erkennbar sei, warum der Gesetzgeber in den §§ 277 – 279 StGB a. F. bestimmte Erscheinungsformen des Umgangs mit unrichtigen Gesundheitszeugnissen einerseits unter gegenüber § 267 StGB mildere Strafe stellen, nicht den Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 277 – 279 StGB a. F. unterfallende Verhaltensweisen des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen jedoch nach den allgemeinen Strafvorschriften verfolgt wissen wollte. Würde man in solchen Fällen auf § 267 StGB zurückgreifen, wenn § 277 StGB a. F. tatbestandlich nicht erfüllt ist, würde dies zu eklatanten Wertungswidersprüchen führen. So würde beispielsweise das bloße Fälschen eines Gesundheitszeugnisses über § 267 StGB schwerer bestraft, als das Fälschen und die zusätzliche anschließende Vorlage des Gesundheitszeugnisses gem. § 277 StGB bestraft wird. Dies kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein.
Bisher wurde nicht nach Personen mit gefälschten Impfausweisen
gefahndet. Gibt es wirklich eine Strafbarkeitslücke?
Christian Barthelmes: Siehe oben. Die Strafbarkeitslücke bestand bis zum 23.11.2021. Danach wurde sie geschlossen. Ihre Wahrnehmung, dass vor dem 24.11.2021 nicht nach Personen mit gefälschten Impfausweisen gefahndet wurde, ist gleichwohl unzutreffend. So wurde beispielsweise mein im Eingangsfall zitierter Mandant inhaftiert, da die Staatsanwaltschaft der rechtsirrigen Rechtsauffassung war, bereits vor dem 24.11.2021 sei der Umgang mit gefälschten Blankett-Impfausweisen strafbar.
Das Vorlegen eines unrichtigen Impfpasses bei einer Apotheke ist
nicht nach dem StGB sowie ebenfalls nicht nach dem IfSG strafbar. Wie
können dennoch gefälschte Impfausweise sichergestellt werden?
Christian Barthelmes: Es ist zwar richtig, dass für den Zeitpunkt vor dem 24.11.2021 eine Strafbarkeit für den Umgang mit unrichtigen Impfpässen nicht vorlag. Gleichzeitig können aber gefälschte Impfausweise aus Gründen des Sicherheitsrechts eingezogen werden. Im Übrigen wird davon ausgegangen, dass beispielsweise das Betreten eines 2G-Bereichs unter Verwendung eines gefälschten Impfausweises zumindest eine Ordnungswidrigkeit darstellt, deretwegen auch strafprozessual die Sicherstellung des Impfausweises zulässig sein sollte.
Die Strafbarkeitslücke darf allerdings nicht von Gerichten, sondern nur vom Gesetzgeber geschlossen werden. Wird es in Zukunft eine Gesetzesänderung bezüglich der Impfausweise geben, wann kann man damit rechnen und welche Strafen kommen auf Personen mit gefälschten Impfausweis zu?
Christian Barthelmes: Wird auf die Vorschrift des § 275 Abs. 1a StGB verwiesen. Der Gesetzgeber hat zwischenzeitlich auf die Strafbarkeitslücke reagiert und mit Wirkung zum 24.11.2021 auch die Herstellung im Umgang mit unrichtigen Blankett-Impfausweisen unter Strafe gestellt. So hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, hierfür eine Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren oder eine Geldstrafe als angemessene Sanktionierung anzusehen.