Immer öfter klagen Kunden nach einem Unfall, dass ihre Kfz-Versicherung nicht zahlt oder eine mögliche Regulierung durch hohe Wartezeiten verzögert wird. Warum zahlen einige Versicherungen nicht und stellen sich quer, wenn einer ihrer Kunden geschädigt worden ist?
Andreas Pompe: Wenn die KFZ-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners in Anspruch genommen wird, ist es mittlerweile üblich, dass eigene Gutachter der Versicherung die geltend gemachten Fahrzeugschäden prüfen und regelmäßig Kürzungen, z.B. bei Reparaturkosten, vornehmen. Teilweise werden die Geschädigten auch auf eine günstigere Werkstatt verwiesen, welche mit der Versicherung zusammenarbeitet. Die Haftpflichtversicherungen haben betriebswirtschaftliche Interessen und versuchen, Kosten zu sparen. Durch systematische Abzüge bei Reparatur-, Sachverständigen- und Mietwagenkosten wird so ein hoher Druck auf Werkstätten und Sachverständige ausgeübt, da diese ebenfalls darum kämpfen müssen, dass ihre Kosten vollständig erstattet werden. Es geht den Versicherungen auch darum, die eigenen Abrechnungskonditionen am Markt durchzusetzen und die Hoheit über die Unfallregulierung zu erlangen.
Welche Nachweise und Dokumente sollte man seiner Versicherung eigentlich vorlegen, um eine Schadensregulierung zu erhalten?
Andreas Pompe: Die erfolgreiche Durchsetzung von Ansprüchen nach einem Verkehrsunfall basiert zunächst auf einer sorgfältigen Beweissicherung. Nach einem Verkehrsunfall sollte ein Unfallbeteiligter nach der Sicherung der Unfallstelle und der Versorgung möglicherweise verletzter Personen zunächst Fotos der Unfallstelle sowie der Endposition der beteiligten Fahrzeuge erstellen, was mithilfe von Handykameras heutzutage einfach möglich ist. Man sollte auch prüfen, ob Zeugen zur Verfügung stehen, welche den Unfall beobachtet haben und gegenüber der Versicherung benannt werden können. Zudem macht es Sinn, die Polizei zu informieren. Grundsätzlich ist es empfehlenswert, einen spezialisierten Rechtsanwalt oder Fachanwalt für Verkehrsrecht zu beauftragen, da dieser die gesamte Korrespondenz mit der Versicherung führt und dem Mandanten so viel Aufwand und Nervenbelastung erspart. Der Anwalt stellt sicher, dass alle Aspekte der Unfallregulierung berücksichtigt werden, alle wichtigen Unterlagen vorliegen (z.B. Unfallskizzen, Gutachten und Arztberichte) und keine Ansprüche vergessen werden. Dies ist besonders dann von sehr großer Bedeutung, wenn man durch den Unfall verletzt wurde und es darum geht, ein möglichst hohes Schmerzensgeld zu erkämpfen.
Was kann man tun, wenn die Versicherung eine Zahlung verweigert?
Andreas Pompe: In diesem Fall empfiehlt es sich, eine auf Verkehrsrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei zu beauftragen. Auch in vermeintlich einfach gelagerten Fällen ist dieser Schritt aufgrund der Strategie der Versicherer, unter allen Umständen Kosten zu sparen, sinnvoll.
Können Sie ein oder zwei Beispiele aufführen, in welchen bekannten Fällen Versicherungsnehmer den Schaden selbst zahlen mussten?
Andreas Pompe: Wenn sich in einem Gerichtsverfahren nach der Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens herausstellt, dass der Unfall für den Unfallgegner unvermeidbar war und vom Kläger verursacht wurde, ist dem Schadensersatzanspruch die Grundlage entzogen. Es ist nicht zu unterschätzen und wird auch von Gutachtern berichtet, dass die subjektive Wahrnehmung eines Verkehrsunfalls durch Unfallbeteiligte stark vom tatsächlichen Unfallgeschehen abweichen kann, ohne dass dies vorwerfbar wäre. Ein Unfall stellt eine psychologische Ausnahmesituation dar. In seltenen Fällen kann der Vorwurf der Unfallmanipulation zutreffen, welcher dazu führt, dass die eigenen Schäden nicht von der gegnerischen Haftpflichtversicherung ersetzt werden.
Unter welchen Umständen könnte sich ein Gerichtsverfahren zum Einklagen des Schadensersatzes lohnen?
Andreas Pompe: Die Entscheidung über die Einreichung einer Klage sollte immer auf einer auf den Einzelfall zugeschnittenen Beurteilung der Prozessrisiken durch einen spezialisierten Rechtsanwalt oder einen Fachanwalt für Verkehrsrecht erfolgen. In diesem Zusammenhang ist es oft entscheidend, ob die finanziellen Risiken einer Klage durch eine Rechtsschutzversicherung abgesichert sind. Wenn die Haftpflichtversicherung bei Werkstatt-, Sachverständigen- und Mietwagenkosten trotz klarer Haftungsfrage Abzüge vorgenommen hat, erleben wir oft, dass die Versicherung nach Klageerhebung sofort bezahlt, ohne den Prozess zu führen.
Was sagen Sie, könnte auch ein Sachverständiger bei einer verzögerten Schadensregulierung von Vorteil sein?
Andreas Pompe: Grundsätzlich ist zum Zwecke der Beweissicherung bereits nach dem Unfall die Beauftragung eines vom Geschädigten ausgewählten Gutachters zu empfehlen. Man muss sich nicht auf einen Gutachter verweisen lassen, welcher von der Versicherung vorgeschlagen wird. Auf diese Weise versuchen die Versicherer, die Schadensregulierung zu ihren Bedingungen zu bestimmen. Nur wenn die Frage der Haftung umstritten ist oder ein Bagatellschaden vorliegt, kann es aus Gründen des Kostenrisikos sicherer sein, lediglich einen Kostenvoranschlag einer Autowerkstatt einzuholen. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass die Sachverständigenkosten nicht von der Versicherung übernommen werden. Es macht Sinn, im Erstgespräch mit einem Fachanwalt für Verkehrsrecht das für den jeweiligen Einzelfall sinnvolle Vorgehen festzulegen.