Abmahnungen immer ernst nehmen – Prof. Dr. Christian Czychowski (NORDEMANN)

Interview mit Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Czychowski
Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Czychowski ist Fachanwalt für Informationstechnologierecht sowie Urheber- und Medienrecht bei NORDEMANN. Im Interview spricht er über Abmahnungen des Gewerblichen Rechtschutzes und des Urheberrechtes.

Massenabmahnungen sorgen immer wieder für Aufsehen und Ärger bei den Betroffenen. Was sollten Unternehmen und Privatpersonen unternehmen, wenn eine Abmahnung im Briefkasten liegt?

Prof. Dr. Christian Czychowski: Der Begriff einer „Massenabmahnung“ ist schillernd. Ich erinnere mich noch gut an die Äußerungen eines Vorsitzenden Richters eines Landgerichts in Deutschland vor etlichen Jahren im Zusammenhang mit der ersten größeren „Welle“ von Abmahnungen im Bereich von Internet-Nutzungen. Er sagte schlichtweg „Massenhafte Rechtsverletzungen erfordern massenhafte Rechtsverfolgung“. Deswegen ist zunächst einmal im Einzelnen zu schauen, um was für eine Art von Rechtsverletzung es sich handelt bzw. ob es denn wirklich eine Rechtsverletzung ist, die verfolgt wird. Deshalb gilt auch: Abmahnungen sind immer ernst zu nehmen, möglicherweise sind sie sehr schnell lösbar, möglicherweise aber auch ernst und komplex. Insofern kann auf Ihre Frage nur geantwortet werden: Unternehmen und Privatpersonen sollten sich Rat bei Spezialisten holen, die einschätzen können, ob eine Abmahnung ernst zu nehmen ist oder nicht. Und in der Regel sieht man einer Abmahnung ja auch nicht an, ob es sich um einen Fall handelt, der eine massenhafte Rechtsverletzung verfolgt oder eine einzelne Rechtsverletzung.

Welche sind die häufigsten Fälle aus denen abgemahnt wird?

Prof. Dr. Christian Czychowski: Abmahnungen gibt es seit mehr als 100 Jahren im deutschen Recht des Gewerblichen Rechtschutzes und Urheberrechts. Wahrscheinlich (ohne dass ich dies soziologisch untersucht hätte oder mir eine soziologische Untersuchung dazu bekannt wäre) gibt es immer wieder Wellen, die möglicherweise damit zusammenhängen, dass technologische Entwicklungen auf den Markt kommen und der eine oder andere die Grenzen des rechtlich Zulässigen auslotet. Das gibt es wohl auch nicht nur im Gewerblichen Rechtschutz und Urheberrecht, sondern auch schlichtweg im Straßenverkehr oder bei Wohnungsmieten. Im Moment scheint es mir so zu sein, dass es viele Fälle im Bereich der Nutzungen von urheberrechtlich geschützten Inhalten im Internet gibt. Sicherlich sind es nicht mehr die sogenannten peer to peer filsharing-Fälle, aber auch die gibt es immer noch. Mittlerweile gibt es komplexere Nutzungen, sei es im Bereich der Filme, sei es im Bereich der Computerspiele, aber auch das Kopieren wissenschaftlicher Publikationen nimmt zunehmend Überhang. Insofern kann man wahrscheinlich wirklich nicht sagen, dass es den einen Bereich gibt, aus dem abgemahnt wird. Im Übrigen gibt es nach wie vor viel organisierte Kriminalität im Bereich der Produktpiraterie, so dass auch immer noch relativ viele Markenverletzungen oder Geschmacksmuster-/Designverletzungen abgemahnt werden.

Lassen sich ungerechtfertigte Massenschreiben auf Anhieb identifizieren oder ist immer anwaltlicher Rat notwendig?

Prof. Dr. Christian Czychowski: Ich bin sehr vorsichtig mit einer Formulierung, dass ein „Massenschreiben“ existiert (siehe meine Ausführungen oben). Sicherlich kann man aber unseriöse Abmahnungen daran erkennen, dass schlichtweg mit Textbausteinen gearbeitet wird, die zum vorliegenden Sachverhalt überhaupt nicht passen. Wenn also die Sätze keinen deutschen Sinn ergeben oder aber Dinge abgemahnt werden, die überhaupt nicht vorgenommen wurden, dann kann das ein Indiz sein, dass es sich um eine unseriöse Abmahnung handelt.

Ist es notwendig bei ungerechtfertigten Abmahnschreiben zu handeln?

Prof. Dr. Christian Czychowski: Wenn man wirklich sicher ist, dass es sich um eine unberechtigte Abmahnung handelt, muss man nicht handeln. Man kann auch den Abmahnenden schlicht und ergreifend weiter vorgehen lassen. Das allerdings birgt das Risiko, dass dann eine Einstweilige Verfügung beantragt wird und man möglicherweise relativ zügig handeln muss und erst im Nachhinein über einen Widerspruch eine solche Einstweilige Verfügung aufgehoben bekommt. Insofern ist es sicherlich immer ratsam (siehe oben), einen Spezialisten auf die Abmahnung schauen zu lassen. Es gibt Fälle, in denen es sinnvoll ist, nicht zu reagieren, andere machen eine unmittelbare Reaktion notwendig, manchmal muss man sogar auch eine Schutzschrift hinterlegen, gerade, um eine Einstweilige Verfügung zu verhindern.

Wie sollte vorgegangen werden, wenn der Grund der Abmahnung korrekt ist? Wer trägt in diesen Fällen die Kosten?

Prof. Dr. Christian Czychowski: Auch das kann man wahrscheinlich pauschal nicht beantworten. Ich persönlich halte es immer für sinnvoll, einen persönlichen Kontakt mit dem Abmahnenden aufzubauen, die Situation zu besprechen und ggf. eine einvernehmliche Lösung zu finden. Wenn aber die Abmahnung prinzipiell gerechtfertigt ist, hat der Abgemahnte die Kosten zu tragen. Das ist schon ein jahrelanger Grundsatz der deutschen Rechtsprechung, der mittlerweile auch in vielen Gesetzen des Gewerblichen Rechtschutzes und Urheberrechts festgehalten wird. Es gibt allerdings für spezielle Fälle (z. B. für sogenannte private Verletzungsfälle im Urheberrecht) auch spezielle Kostengrenzen. Auch das kann ein Spezialist sofort erkennen.

Wie lassen sich die typischen Abmahngründe im Vorfeld vermeiden?

Prof. Dr. Christian Czychowski: Wie immer im Leben ist es sinnvoll, dass man vor jedem Handeln sich überlegt, was für Folgen das Ganze haben kann. Wenn man urheberrechtlich relevante oder markenrechtlich relevante Gegenstände nutzt, sollte man sich schlichtweg informieren, ob das, was man tut, urheberrechtlich erlaubt ist oder markenrechtlich gestattet ist. Es gibt dazu relativ gute und übersichtliche Informationen, wie z. B. das Verbraucherportal des Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, dort gibt es eine eigene Seite „Urheberrecht im Internet: Was Sie beachten müssen und wie Sie Abmahnungen vermeiden“. Hier ist der Link, vielleicht hilft das dem einen oder anderen: https://www.bmjv.de/DE/Verbraucherportal/DigitalesTelekommunikation/Urheberrecht/UrheberrechtImInternet_node.html

Herr Prof. Dr. Czychowski, vielen Dank für das Gespräch.

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