Debatte über Hochwasserversicherungspflicht in Deutschland: Lehren aus Europa

Debatte über Hochwasserversicherungspflicht in Deutschland: Lehren aus Europa

Die jüngsten verheerenden Hochwasserkatastrophen in Süddeutschland haben die Diskussion über die Einführung einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung erneut in den Fokus gerückt. Sowohl Bund als auch Länder prüfen, ob solche Versicherungen obligatorisch gemacht werden sollten, um die Bürger besser vor den finanziellen Folgen solcher Naturkatastrophen zu schützen. Sven Thieme, Gründer des Altersvorsorge-Spezialisten Compivent GmbH aus Radebeul, hat dazu eine eigene Meinung.

 

Erfahrungen aus Frankreich und Spanien

Frankreich hat bereits seit Jahren eine Pflichtversicherung für Elementarschäden. Diese Maßnahme wurde nach der schweren Hochwasserkatastrophe im Pyrenäenstädtchen Lourdes eingeführt, bei der die Mariengrotte überflutet und große Schäden an den Gebäuden verursacht wurden. Dank der Versicherungspflicht konnten die Schäden schnell behoben und die ersten Hotels bereits nach drei Monaten wieder eröffnet werden. „Die französische Regelung basiert auf der Idee von Solidarität und Gleichheit aller Bürger vor den Lasten nationaler Katastrophen“, erklärt Sven Thieme, Versicherungsexperte.

 

Die jährlichen Versicherungskosten von durchschnittlich 26 Euro sind für die Bürger erschwinglich. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Frankreich keine systematische Einteilung von Gebieten in verschiedene Gefahrenstufen, was die Prämien in Deutschland oft in unerschwingliche Höhen treibt. „In Frankreich erhöhen sich jedoch die Eigenbeteiligungen im Schadensfall, wenn Städte und Gemeinden nicht ausreichend vorbeugende Maßnahmen ergreifen“, fügt Thieme hinzu.

 

Spanien verfolgt ein ähnliches Modell, das auch Schäden durch Terroranschläge einschließt. Diese umfassenden Versicherungspflichten haben sich als effektiv erwiesen, um die finanziellen Lasten für Einzelpersonen zu mindern und die Wiederaufbauzeiten zu verkürzen.

 

Diskussion auf europäischer Ebene

Auch auf EU-Ebene wird das Thema intensiv diskutiert. Die Europäische Union hat einen Solidaritätsfonds eingerichtet, aus dem Mitgliedstaaten im Katastrophenfall finanzielle Hilfsleistungen abrufen können. Dieser Fonds ist jedoch auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr gedeckelt, was angesichts der zunehmenden Häufigkeit und Intensität von Naturkatastrophen oft nicht ausreicht.

 

Rasmus Andresen, Grünen-Wirtschaftsexperte im Europäischen Parlament, betont die Notwendigkeit, die europäische Hilfe für von Extremwetterereignissen betroffene Menschen zu verbessern. Er fordert eine bessere Ausstattung des EU-Katastrophenschutzes und der Hilfsfonds sowie eine Diskussion über mögliche Versicherungslösungen auf EU-Ebene. „Wer im Katastrophenfall Hilfe in Anspruch nimmt, sollte auch versichert sein“, so Andresen.

 

Der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier unterstützt die Diskussion über eine Versicherungspflicht in Deutschland. „Angesichts der zunehmenden Extremwetterereignisse durch den Klimawandel ist dies eine sinnvolle Maßnahme“, sagt Geier. Eine europaweite Gesetzgebung in diesem Bereich hält er jedoch nicht für notwendig, da keine Marktverzerrungen durch nationale Regelungen entstehen würden.

 

Markus Ferber, CSU-Europaabgeordneter und Finanzexperte der EVP, weist auf die unterschiedlichen Betroffenheiten in den Mitgliedstaaten hin. „Eine einheitliche europäische Lösung ist nicht praktikabel. Vielmehr sollten länderspezifische Lösungen entwickelt werden“, betont Ferber. Er sieht die Rolle der Europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA als zentral, um Expertise zu Naturkatastrophenrisiken zu bündeln und die Mitgliedstaaten zu unterstützen.

Die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden in Deutschland könnte viele Bürger vor den finanziellen Folgen von Naturkatastrophen schützen. „Die Erfahrungen aus Frankreich und Spanien zeigen, dass solche Maßnahmen effektiv sein können“, resümiert Thieme. Eine europaweite Lösung erscheint hingegen aufgrund der unterschiedlichen Risiken und Betroffenheiten in den Mitgliedstaaten schwierig. Eine stärkere Zusammenarbeit und Expertise-Bündelung auf europäischer Ebene könnten jedoch helfen, die Herausforderungen des Klimawandels besser zu bewältigen und den Versicherungsschutz zu verbessern.

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