Es gibt zahlreiche Gründe, warum Beschäftigte unzufrieden mit ihrem Job sind. Für viele ist aber eine berufliche Neuorientierung keine Option. Was sind die häufigsten Gründe, die zu einer Jobunzufriedenheit führen?
Sandra Kleine: Laut Gallup Institut (2017) machen 82% der Arbeitnehmer:innen nur Dienst nach Vorschrift oder haben bereits innerlich gekündigt. Gründe für diese Unzufriedenheit im Job sind individuell verschieden. Häufig liegt dem jedoch zu Grunde, dass Menschen nicht nach ihren natürlichen Stärken und Talenten eingesetzt sind, sondern sich in eine Schublade pressen. Gute Verdienstmöglichkeiten werden gegenüber einer Tätigkeit, die den persönlichen Interessen und Wertvorstellungen entspricht, priorisiert. Hinzu kommen mangelnde Wertschätzung oder schlechte interne Kommunikation. Sehr häufig liegt ein empfundener fehlender Sinn im Tun zu Grunde, also eine Unklarheit darüber wofür der eigene Beitrag nützlich ist.
Woher weiß man, dass es Zeit ist den Job zu wechseln, um sich neuen Herausforderungen zu stellen?
Sandra Kleine: Stehen Sie morgens nur auf, weil der Wecker klingelt? Oder verspüren Sie eine uns Menschen angeborene Lust, sich einzubringen, etwas zu gestalten, zu entwickeln, zu bewegen? Wir kennen diesen Entdeckergeist von Kindern oder erinnern uns vielleicht noch an unsere eigene Kindheit. Wenn wir im Flow sind, können wir Dinge unendlich lange machen, dann ist auch egal, wie alt wir sind oder welche Uhrzeit es ist. Wenn Sie morgens schon demotiviert und müde sind, die Tage bis zum nächsten Urlaub oder gar die Jahre bis zur Rente zählen, dann sind das schon deutliche Zeichen. Unser Körper signalisiert uns zudem sehr gut, was für uns gut ist und was nicht, wir haben nur verlernt richtig hinzuhören. Von Kopfschmerzen, Antriebslosigkeit, Übellaunigkeit bis hin zu Burnout oder Boreout sind sehr deutliche Signale. Ich selbst erinnere mich noch ganz genau, wie es sich angefühlt hat, als mein Kopf, Herz, Bauch, ja, mein ganzer Körper mir signalisiert hat: „Da gehe ich nicht wieder hin! Dafür ist das Leben zu kurz!“
Viele Beschäftigte über 35 haben Hemmungen sich neu zu orientieren. Kann man im fortgeschrittenen Alter noch adäquat Karriere machen?
Sandra Kleine: Ich erlebe oft Menschen im Coaching, die bereits in jungen Jahren einen wunderbar geraden, gut bezahlten Karriereweg eingeschlagen haben und unglücklich damit sind. Sie fühlen sich leer und stellen mit der Zeit fest, dass es die Karriere nicht ist, was sie wirklich glücklich macht. „Das Hamsterrad sind von innen aus wie eine Karriereleiter“, sagte Eckart von Hirschhausen mal in einem Programm. Oftmals sind wir so damit beschäftigt, beschäftigt zu sein, dass wir völlig den Kontakt verloren haben zu dem, was uns wirklich glücklich macht im Leben. Für viele Menschen ist es nämlich nicht die Karriere, wenn sie mal ehrlich mit sich selbst sind und alle gesellschaftlichen und konditionierten Idealbilder beiseite lassen. Dafür müssen wir nach innen schauen. Viele jüngere Menschen sehnen sich vielmehr nach einer sinnstiftenden Tätigkeit und verzichten gern auf Titel oder Firmenparkplatz. Überhaupt 35 ist doch kein Alter! Es ist nie zu spät, den eigenen Weg zu gehen!
Ein Neuanfang ist immer schwer. Wie kann man mentale Hürden der Neuorientierung überwinden?
Sandra Kleine: Die mentalen sind wohl die größten Hürden für uns Menschen. Konditionierungen, wie man in der Psychologie sagt, sind nicht so leicht abzuschütteln. Daraus resultierende Glaubenssätze zeichnen unsere Sicht auf die Welt. Sie sind tief in uns verankert und werden teils von Generation zu Generation weitergegeben. Glaubenssätze wie: „Ich muss mich nur mehr anstrengen.“, „Geld muss verdient werden“ oder „Wenn ich mir … kaufen kann, dann habe ich es geschafft“ definieren unseren Wert. Sicherheitsdenken oder Statusangst sind häufigsten Gründe, warum Menschen nicht ihren Träumen folgen.
Tipp: Fragen Sie sich einmal, wie sie sich fühlen mit diesen Gedanken? Können sie wirklich wahr sein? Sind diese beschränkenden Gedanken wirklich ihre eigenen, oder eher übernommene? Wer wäre ich ohne diese Gedanken? Im Coaching widme ich mich besonders intensiv den Glaubenssätzen meiner Coachees. Diese für sich zu identifizieren und zu bearbeiten ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur beruflichen Selbstverwirklichung. Es kann auch gut werden!
Was muss man also tun, damit eine berufliche Neuorientierung gelingt?
Sandra Kleine: Hören Sie lieber auf Ihr Herz als auf Ihren Verstand oder das, was andere Leute sagen.
Was raten Sie Beschäftigten, die mit dem Gedanken spielen, den Beruf zu wechseln?
Sandra Kleine: Was ist das „Schlimmste“ was passieren kann? Probieren Sie es aus, dann sind Sie eine Erfahrung reicher! Viel Freude dabei!