Eine Bewerbung ist der erste Schritt in Richtung einer Neueinstellung oder Positionswechsel. In diesem Bereich haben Sie schon jahrelange Erfahrung sammeln dürfen. Viele Bewerber*innen wissen noch nicht, wie die richtige Bewerbung auszusehen hat. Worauf genau sollte man vor Absenden der Unterlagen achten, um eigene Fehler ausschließen zu können?
Judith Bayer: Auch heute zählt noch bei vielen Unternehmen die gute klassische Bewerbung. Diese besteht aus einem Deckblatt, einem Anschreiben, einem Lebenslauf und Zeugnissen mit Bescheinigungen. Mittlerweile gibt es ja bereits im Internet sehr schöne Designvorlagen zu finden mit denen die Bewerbung auch optisch recht gut gestaltet werden kann. Farblich sollte die Bewerbung aufeinander abgestimmt sein, so dass die Bewerbung ein stimmiges Bild ergibt. Das Profilbild ist nach wie vor der Hingucker einer Bewerbung. Damit kann man wirklich schon sehr viel erreichen. Deshalb empfehle ich immer, das Bild von einer professionellen Person erstellen zu lassen. Mein Rat für Bewerbende ist, Ihre Bewerbung auf die Anforderungen der Stellenanzeige auszurichten. Ich habe schon viele Bewerbungen gesehen, die kaum oder gar nicht mit den Anforderungen der Stellenausschreibung übereinstimmen, da hat man dann natürlich wenig Chancen in ein Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Deshalb empfehle ich den Bewerbenden sich die Zeit zu nehmen und die Aufgabenbeschreibung genau durchzulesen und diese mit Ihren Wünschen und Kompetenzen abzugleichen. Die Fragen „Welche Punkte in der Aufgabenbeschreibung kann ich erfüllen und welche geforderten Softskills passen mit meinen überein“, sollte sich dabei jeder stellen. Daneben sollte jeder Bewerbende ehrlich zu sich selbst sein und sich fragen, „will ich diese Aufgaben auch wirklich machen, oder bewerbe ich mich einfach nur, weil ich gerade eine Stelle suche?“ Wenn letzterem so ist, kann ich nur raten von einer Bewerbung abzulassen. Denn, Aufgaben zu erledigen, die einem selbst nicht gefallen, schaffen auf längere Sicht Unzufriedenheit und der Bewerbungsprozess beginnt meist von neuem.
In meinen Bewerbungscoachings sage ich immer, bitte nehmt nicht alles was in einer Stellenausschreibung steht wörtlich. Gerade bei Frauen fällt mir immer wieder auf, dass wenn die Aufgabenbeschreibung nicht mit ihrem Profil zu 100% übereinstimmt, die Bewerbung erst gar nicht geschrieben wird. Das ist schade, denn oftmals haben auch die eine Chance, die nicht die Anforderungen 1:1 erfüllen. Es gibt eine Faustregel, die besagt, wenn etwa drei Viertel der Anforderungen einer Stellenanzeige auf den Bewerbenden zutrifft, einer Bewerbung nichts im Wege steht. Daher lohnt sich eine Bewerbung, auch wenn nicht alle Anforderungen zu 100% erfüllt werden.
Eine Bewerbung sollte auch immer recht gut aufgebaut sein. Sie müssen sich vorstellen, dass ein Personaler zum Teil sehr viele Bewerbungen auf eine Stelle erhält. Um Zeit zu sparen, sehen sich Personaler in der Regel immer zuerst den Lebenslauf an, bevor sie sich das Bewerbungsanschreiben durchlesen. Dieses wird oftmals auch nur kurz überflogen und nach Übereinstimmungen zur Stelle gesucht. Ich weiß, das ist echt schade, denn viele Bewerbenden fällt gerade das Anschreiben sehr schwer. Der Lebenslauf sollte deshalb so strukturiert und übersichtlich wie möglich aufgebaut sein. Es muss ein roter Faden gefunden und auf den ersten Blick erkannt werden, was der Bewerbende bereits für Erfahrung mitbringt. Gliederungspunkte, fett- und kursive Schrift sowie Unterstreichungen helfen, den Lebenslauf übersichtlicher zu gestalten.
Zusammenfassend kann man sagen, dass eine optisch ansprechende, gut strukturierte und auf die Stellenbeschreibung abgestimmte Bewerbung mit einem sympathischen Profilbild schon mal eine gute Chance hat um in den A/B-Stapel zu kommen.
Bekommt ein Bewerber*in eine Absage, ist Frust und Enttäuschung meist die erste Reaktion. Wie ist der richtige Umgang damit?
Judith Bayer: Ja, das kann ich gut verstehen, schließlich hat der Bewerbende ja Zeit und Energie in die Bewerbung investiert. Wenn man sich erst einmal Hoffnung gemacht hat und dann eine Absage bekommt, kann das schon ein kleiner Schlag sein. Wichtig ist jedoch zu wissen, dass eine Absage nie persönlich genommen werden darf. Es gibt so viele Gründe für eine Absage, die nicht mit der Person selbst zu tun haben. Wichtig dabei ist, die Absage rational statt emotional zu betrachten.
Der Bewerber sollte sich nochmal bewusst machen, dass der Auswahlprozess ein Spiel mit vielen Akteuren ist. Das heißt, die Entscheidung liegt an mehreren Personen. Bekanntermaßen haben viele Personen viele Meinungen. Nur weil scheinbar ein anderer Bewerber nun mehr Glück hatte, heißt das nicht, dass die eigenen Kompetenzen in Frage gestellt werden dürfen.
Oft hilft es den Bewerbenden, wenn sie kurz in der Personalabteilung anrufen und fragen, warum die Bewerbung gescheitert ist. Es ist nur leider so, dass die Bewerber meistens keine 100 % ehrliche Antwort auf Ihre Frage bekommen werden. Das liegt daran, dass Personaler sich an gewisse Gesetze halten müssen und Internas auch nicht einfach ausplaudern dürfen. Aber manchmal kann man doch eine zufriedenstellende Antwort. Wenn die Bewerber dann wissen, warum sie eine Absage erhalten haben, ist der Frust meist schnell verfolgen. Und, mal so unter uns … manchmal ist es auch für den Bewerbenden wirklich gut, dass er diese Stelle nicht bekommen hat.
Können Sie uns diese Absagegründe nennen, die dem Bewerber*in in Realität aber nicht gesagt werden?
Judith Bayer: Die Gründe für eine Absage sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Manchmal passen einfach die Qualifikationen nicht, manchmal hat sich ein interner Bewerber noch kurzfristig auf die ausgeschriebene Stelle beworben, den der Fachbereich dann lieber nimmt, weil man ihn schon kennt. Manchmal liegt die Bewerbung einfach viel zu lange, weil gerade viel los ist und die Bewerbung in Vergessenheit gerät, manchmal wird die Stelle einfach kurzerhand gestrichen und allen Bewerbern wird abgesagt. Es kann auch sein, dass der Bewerbende gut passt aber die Gehaltsvorstellung einfach nicht im Rahmen der Stelle liegt oder dass die fachliche Seite des Bewerbenden gut passt aber dieser nicht ins Team passt. Also, es gibt unzählige Gründe, das waren jetzt nur einige wenige. Ich empfehle immer, einfach weiter machen und sich nicht entmutigen lassen. Je nach Stelle kann man schon mit mehreren Absagen rechnen, bis man dann zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird und bis es schlussendlich auch mit einer neuen Stelle klappt. Das ist völlig normal und das passiert fast jedem, auch hochqualifizierten Bewerbern.
Einige Bewerber*innen scheitern allerdings auch erst bei dem Bewerbungsgespräch. Worauf ist im Vorstellungsgespräch zu achten?
Judith Bayer: Ein Vorstellungsgespräch sollte gut vorbereitet sein. Ich stelle bei meinen Bewerbertrainings immer wieder fest, dass meine Mentees zwar wissen, was sie beruflich gemacht haben, aber sich oftmals schlecht ausdrücken. Es fehlt an Selbstbewusstsein und daran die eigenen Erfolge ins richtige Licht zu rücken. Gerade Frauen stellen gerne ihr Licht unter den Scheffel. Dabei stinkt Eigenlob nicht, es muss nur richtig angewandt werden.
Viele Bewerber lassen wichtige Stationen und Kenntnisse bei ihrer Selbstpräsentation weg, die aber für die Unternehmensseite durchaus interessant wären. Ich empfehle den Bewerbenden daher immer, sich gut vorzubereiten und wenn jemand unsicher ist sich ein Bewerbungscoaching zu gönnen. Die Selbstpräsentation muss sitzen! Bewerbende müssen ihre Vorzüge herausarbeiten und sich auf die klassischen Personalerfragen vorbereiten. Sollte man nach dem Vorstellungsgespräch eine Absage bekommen, dann empfehle ich den Bewerbenden das Vorstellungsgespräch Revue passieren zu lassen. Was war gut, was nicht, was hätten man anders machen können und was könnte man beim nächsten Mal besser machen?
Ist es ratsam seinen aktuellen Arbeitgeber von einem Bewerbungsgespräch bei einem anderen Unternehmen im Vorfeld zu unterrichten?
Judith Bayer: Ich würde es tatsächlich nicht tun, es sei denn, man hat ein wirklich offenes und sehr gutes Verhältnis zu seinem Vorgesetzten. Man muss bedenken, dass je nachdem wie lange die Stellensuche dauert, beim Arbeitgeber unbewusst immer der Gedanke mitschwingt, dass der Arbeitnehmer bald nicht mehr da ist. In seinem Kopf ist bereits schon die Nachbesetzung der Stelle in Gange. Das heißt, dass eventuell neue spannende Projekte erst gar nicht mehr an den Bewerbenden vergeben werden und die zwischenmenschliche Beziehung unbewusst darunter leiden kann.