Ingrid Brand-Hückstädt: „Kettenarbeitsverträge“ sind unwirksam

Interview mit Ingrid Brand-Hückstädt
Ingrid Brand-Hückstädt ist Rechtsanwältin in ihrer Kanzlei in Plön. Mit ihr sprechen wir über befristete Arbeitsverträge, Flexibilität für Arbeitgeber sowie unterschiedliche Auftragslagen.

Befristete Arbeitsverträge sind beliebt bei Arbeitgebern, aber nicht bei Arbeitnehmern. Führt eine Befristung von Arbeitsverträgen eigentlich zu einer weitgehenden Aushebelung des Arbeitsschutzes?

Ingrid Brand-Hückstädt: Grundsätzlich hat der Gesetzgeber bei der Zulassung von befristeten Verträgen eine Flexibilität für Arbeitgeber schaffen wollen, um auf unterschiedliche Auftragslagen und wirtschaftliche Situationen reagieren zu können. Auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind befristete Verträge nicht per se schlecht, weil sie von Arbeitgebern häufig als verlängerte Probezeit angesehen werden und damit auch eine Chance darstellen. Aber es ist oft so, dass in Unternehmen auch auf dauerhaft angelegten Arbeitsplätzen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Befristungen beschäftigt werden. Das ist natürlich nicht Sinn und Zweck des § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetzes und kann durchaus eine Umgehung des normalen Kündigungsschutzes sein.

Ist eine vereinbarte Befristung unwirksam, führt dies zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Unter welchen Voraussetzungen ist eine vereinbarte Befristung unwirksam?

Ingrid Brand-Hückstädt: Formale Unwirksamkeit liegt in jedem Fall immer dann vor, wenn eine Befristung nicht schriftlich vereinbart wird. Sie liegt auch dann vor, wenn der oder die Arbeitnehmerin über den vereinbarten Zeitpunkt ohne Widerspruch des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin weiterarbeitet. Auch die berühmten sog. „Kettenarbeitsverträge“, bei denen sich eine Befristung ohne sachlichen Grund an die nächste reiht, sind unwirksam.

Was sind also die Anforderungen für eine wirksame Befristung des Arbeitsvertrages?

Ingrid Brand-Hückstädt: Wir müssen da unterscheiden zwischen einer Befristung mit sachlichem Grund gem. § 14 I TzfG und einer Befristung ohne sachlichen Grund gem. § 14 II TzBfG. Bei Befristungen mit sachlichem Grund zählt der Gesetzgeber in § 14 I TzBfg nicht abschließend verschiedene Fälle auf, z.B. wenn der betriebliche Bedarf nur vorübergehend besteht, der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird, die Befristung zur Erprobung erfolgt, die Eigenart der Beschäftigung die Befristung rechtfertig oder auch, wenn die Gründe in der Person des Arbeitnehmers liegen.

Befristungen ohne Sachgrund sollen nur bis zur Höchstdauer von zwei Jahren zulässig sein. Die 52er-Regelung stellt wiederum eine wichtige Ausnahme dar. Können Sie uns die Altersbefristung bzw. die 52er-Regelung einmal erklären?

Ingrid Brand-Hückstädt: Für diese Befristungen nach § 14 I TzBfG hat der Gesetzgeber keinen Zeitraum festgelegt, eine solche Befristung kann z.B. über vier Jahre gehen, wenn denn die sachlichen Gründe vorliegen.

Wann ist ein befristeter Arbeitsvertrag durch einen Sachgrund gerechtfertigt?

Ingrid Brand-Hückstädt: Für eine Befristung ohne sachlichen Grund sind die Voraussetzungen sehr eng. Zunächst mal darf diese nur maximal zwei Jahre dauern und innerhalb dieses Zeitraumes darf man höchstens dreimal eine Verlängerung vornehmen. D. h., es ist also zulässig, zunächst eine Befristung von sechs Monaten zu vereinbaren und danach noch einmal 18 Monate. Des weiteren darf eine Befristung ohne sachlichen Grund nur vereinbart werden, wenn nicht schon vorher eine befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestanden hat. Im Gesetz steht kein Zeitraum, wie lange vorher. Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, wonach ein Arbeitsverhältnis nicht in den letzten drei Jahren vorher bestanden haben darf. Verstöße gegen diese Regelung führen nicht etwa dazu, dass ein Arbeitsverhältnis nicht begründet oder unwirksam ist, sondern hier gilt gem. § 16 TzBfG, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden ist. Bei der sog. 52iger-Regelung handelt sich um eine Arbeits- und Beschäftigungsmaßnahme für über 52jährige, die mindestens 4 Monate vorher arbeitslos waren. Hier ist eine Befristung ohne sachlichen Grund sogar für 5 Jahre erlaubt. Der Gesetzgeber hat damit auf die Tatsache reagiert, dass ältere Arbeitnehmer nur schwer einen neuen unbefristeten Arbeitsplatz finden. Viele Arbeitgeber scheuen die Einstellung Älterer und fürchten Erschwernisse bei möglichen Kündigungen. Durch die Befristungsmöglichkeit ist klar, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt eben endet. Für die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist dies eine wirkliche Perspektive auf einen neuen Arbeitsplatz. Mein Tipp: oft kennen Arbeitgeber diese Regelung nicht, man sollte als Bewerber im Bewerbungsgepräch ruhig darauf aufmerksam machen und offen für eine Befristung sein. Wenn man erstmal in einem Betrieb einen Job gefunden hat und gezeigt hat was man kann, wird daraus oft eine Dauereinstellung.

Siehe 3.

Nicht immer verläuft der Abschluss eines Arbeitsverhältnisses reibungslos. Was können Arbeitnehmer bei einer unzulässigen Befristung tun?

Ingrid Brand-Hückstädt: Wird der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer ein befristeter Vertrag angeboten, müssen sowohl die formalen als auch die oben genannten materiellen Kriterien eingehalten werden, damit es sich um einen wirksamen befristeten Vertrag handelt.  Stellt man fest, dass gegen die Regeln verstoßen wird, indem z.B. eine sachgrundlose Befristung für drei Jahre abgeschlossen werden soll, gibt es ja zwei Möglichkeiten: man kann den Arbeitgeber darauf hinweisen, dass diese Regelung unzulässig ist. Dann ist man sehr nett und ehrlich und der Arbeitgeber wird den Vertrag auf zwei Jahre verkürzen. Unterschreibt man einfach den Vertrag und wartet die Zeit ab, tritt die rechtliche Folge des § 16 TzBFG ein: das Arbeitsverhältnis ist unbefristet. Der Arbeitgeber findet einen möglicherweise nicht mehr nett und macht seinem Ärger irgendwie Luft. Da muss jeder für sich entscheiden, wie er damit umgeht. Fehler, die während des befristeten Arbeitsverhältnisses auftauchen, z.B. bei Verlängerungen, müssen erst nach der Beendigung des vereinbarten Endes innerhalb der üblichen dreiwöchigen Klagefrist beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden.  

Frau Brand-Hückstädt, vielen Dank für das Gespräch!

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