Fabian Neumann ist Mental und Mindset Coach in Hamburg. Mit ihm sprechen wir heute über mentale Herausforderungen für Gründer und Unternehmer.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten mentalen Herausforderungen, mit denen Gründer konfrontiert sind, und wie können sie diese erfolgreich bewältigen?
Zunächst einmal müssen wir verstehen, dass Gründer verschiedene Phasen durchlaufen. Ups und Downs sind vorprogrammiert. Es ist von enormer Wichtigkeit, sein Wohlbefinden nicht von diesen Ups und Downs abhängig zu machen. Um zu verdeutlichen, dass es immer wieder große Herausforderungen nach Erfolgen gibt, schauen wir uns mal einige Punkte an, die Euphorie mit sich bringen könnten. Zum Beispiel durch Forschungsdurchbrüche, Produktentwicklungen, das Wachstum im Team, erfolgreiche Finanzierungsrunden oder das Bewältigen herausfordernder Situationen. Dabei wird viel Energie freigesetzt. Jedoch bringen bereits die genannten Punkte neue mentale Herausforderungen mit sich. Neue Durchbrüche erfordern oft schnelle, neue Maßnahmen. Gründer sehen sich dann häufig mit Situationen konfrontiert, die sie in dieser Form noch nicht kennen. Unwissenheit und Ratlosigkeit können immer mal wieder auftreten. Das bedeutet, dass es in Ordnung ist, in Situationen, in denen ein Gründer nicht weiter weiß, innezuhalten und zu akzeptieren, dass es ein vollkommen natürlicher Zustand ist, mal nicht weiter zu wissen. Wenn dieser Frieden gefunden wird, ist Platz für kreative Lösungen.
Das Wachstum im Team ist großartig, bringt aber gleichzeitig neue Interessen und Aufgabenverteilungen mit sich. Ein Gründer darf sich bewusst sein, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Wertschätzung streben. Je mehr das Unternehmen wächst, wollen Mitarbeitende die Anerkennung auch in finanzieller Form. Als Gründer möchte man die Interessen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wahren, während man gleichzeitig darum bemüht ist, neue Geldmittel zu beschaffen. Hier ist es eine Herausforderung, einen Balanceakt zu bewältigen: Einerseits ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu haben und die Entwicklung in den Teams zu verstehen und anzupassen, und andererseits weiterhin strategisch für das Unternehmen tätig zu sein. Es verdeutlicht, dass viele Parteien an einem Gründer zehren. Hier bei sich bleiben zu können ist der Schlüssel.
Dies ist die Dynamik, die in einem Startup herrscht. Oftmals werden viele Herausforderungen in relativ kurzer Zeit bewältigt, was wiederum neue Herausforderungen mit sich bringt.
Angesichts dieser Dynamik ist Flexibilität erforderlich. Diese Flexibilität beginnt im Geist. Es ist entscheidend, mental präsent zu sein und über die geistige Kapazität zu verfügen, flexibel zu handeln. Auf diese Weise können Gründer sowohl auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden als auch auf herausfordernde Situationen und Zeiten mit einer ruhigen mentalen Haltung Lösungen erkennen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ungewissheit, die mit Ängsten verbunden ist. Diese Unsicherheit kann Menschen den Schlaf rauben, wenn sie nicht lernen können, mit ihr umzugehen. Es ist äußerst befreiend, wenn Menschen lernen, mit Unsicherheiten zu leben. Oftmals versuchen Menschen, zu viel zu kontrollieren, was ein Angstmechanismus ist und völlig menschlich. Es ist jedoch nicht hilfreich, immer mehr Kontrolle ausüben zu wollen. Wenn man versteht, dass Unsicherheiten Teil des Lebens sind, trägt es dazu bei, sich mit dem Unbekannten anzufreunden. Dies bedeutet übrigens nicht, dass man keinen klaren Plan haben darf.
Welche Rolle spielt der Mindset eines Gründers bei der Bewältigung von Rückschlägen und der Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen?
Das Mindset spielt eine entscheidende Rolle in diesem Zusammenhang. Es beeinflusst alle Qualitäten und Fähigkeiten eines Menschen. Wir alle kennen das Gefühl, dass wir eine Aufgabe unter schlechter Laune oder mit geringem Selbstvertrauen nicht so gut bewältigen wie unter positiven Umständen, wenn wir uns in unserer Kraft fühlen.
Das Akzeptieren von Rückschlägen und Fehlern ist im Entwicklungsprozess jedes Menschen unerlässlich. Für Gründer können diese Herausforderungen häufiger auftreten und scheinbar größere Konsequenzen haben. Jeder nicht akzeptierte Fehler oder jede nicht angenommene Situation nimmt unnötigen Raum in unserem Geist ein und reduziert unsere Kapazität. Dadurch werden wir, wie bereits erwähnt, weniger flexibel und kreativ. Diese Geistesenge wirkt sich wiederum erheblich auf die mentale Gesundheit aus, was direkte Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit hat. Daher ist es äußerst wichtig, Fehler und Rückschläge anzuerkennen, um weiterhin gute Arbeit leisten zu können und langfristig gesund zu bleiben.
Dies bedeutet nicht, dass man über Fehler oder Rückschläge glücklich sein muss. Im Gegenteil, es ist völlig legitim, Platz für Ärger oder Frustration zu lassen. Allerdings ist es wichtig, einen Weg zu finden, sich nicht endlos darin verfangen, sondern die Situation zu akzeptieren. Man darf aufhören sich selbst, andere und das Unternehmen an den Fehlern zu messen, die passiert sind, sondern aus ihnen lernen. Aktiv zu hinterfragen, was aus den Fehlern gelernt werden kann, ist entscheidend. Denn das, was in der Zukunft passiert, hat nichts mit dem zu tun, was in der Vergangenheit geschehen ist.
Können Sie einige konkrete Strategien teilen, um einen positiven und produktiven Gründer-Mindset zu kultivieren und aufrechtzuerhalten?
– Offenheit und Austausch: Tauschen Sie sich mit Kollegen und Kolleginnen aus, mit denen Sie offen und ehrlich über Ihre Bedenken sprechen können.
– Akzeptanz: Listen Sie auf, welche positiven und negativen Ereignisse auftreten können. Verstehen Sie, dass Sie sich entschieden haben, dieses Spiel zu spielen – ähnlich wie beim Fußball, wo es dazu gehört, auch Gegentore zu kassieren. Überlegen Sie, ob Sie dieses Spiel spielen möchten, obwohl Sie „Gegentore“ kassieren können. Dies hilft Ihnen, Dinge leichter anzunehmen, da Sie wissen, dass es dazu gehört und Sie sich dafür entschieden haben.
– Entscheidungen treffen: Identifizieren Sie, welche Entscheidungen nicht von enormer Bedeutung sind bzw. nicht Ihre Expertise benötigen. Treffen Sie hier vor allem schnelle Entscheidungen. Ungetroffene Entscheidungen rauben nur geistige Kapazität, die Sie anderweitig benötigen.
– Realisieren Sie, dass Sie nie genau wissen, was passieren wird, und üben Sie sich darin, loszulassen und den Wunsch nach Kontrolle über die Zukunft zu reduzieren. Wenn Sie bemerken, dass Ihre Gedanken sich nur noch im Kreis drehen und nach Lösungen suchen, für die es im Moment keine gibt, erlauben Sie sich selbst, den Satz: „Ich weiß es nicht“ als valide Antwort zu akzeptieren und beenden Sie die Gedankendiskussion.
– Konzentrieren Sie sich immer auf das Hier und Jetzt und darauf, was mit den vorhandenen Ressourcen machbar ist, anstatt sich vor möglichen zukünftigen Problemen zu fürchten. Auf diese Weise werden Sie deutlich kreativer und es entsteht eine Dynamik, die nach vorne führt.
Wie können Gründer ihren Mindset stärken, um mit Stress und Druck umzugehen, insbesondere in turbulenten Phasen des Unternehmensaufbaus?
Die zuvor erwähnten Punkte helfen dabei. Es ist wichtig, regelmäßig mentale Freiräume zu schaffen, indem man unnötige Themen aussortiert und Klarheit schafft, sei es durch Gespräche oder das Aufschreiben von Gedanken.
Entscheidend ist auch, die Bedeutung von Auszeiten zu erkennen. Mehr Arbeit bedeutet nicht immer mehr Produktivität. In angemessenen Pausen findet sich nicht nur Ruhe für Sie in dem Moment und danach, sondern auch Klarheit und Lösungen für anstehende Aufgaben. Jeder darf für sich herausfinden, was seine Batterien auflädt. Neben gesundem Schlaf, ausgewogener Ernährung und ausreichend Bewegung kann dies individuell unterschiedlich sein.
Ein starkes Mindset zeichnet sich dadurch aus, dass die Person auch in turbulenten Phasen bei sich bleibt. Wie jeder das erreicht, ist unterschiedlich. Der erste und wichtigste Schritt ist das Bewusstsein. Bewusstsein darüber zu schaffen, was einen stressen kann. Das was uns stresst, entsteht aus unser eigenen Perspektive und nicht aus der Situation an sich. Der letzte Satz ist wichtig zu verstehen, so entsteht Selbstverantwortung. Hier kann jeder ansetzen und seine Perspektive hinterfragen. Darüber hinaus können Techniken wie Breathwork, Yoga, Meditation oder ein Kurzurlaub in der Natur helfen, um bei sich zu bleiben.
Ein weiterer wertvoller Punkt – wenn auch für viele herausfordernd – ist, sich mit dem Worst-Case-Szenario anzufreunden. Dies mag zunächst kontraintuitiv klingen. Doch wenn wir in der Lage sind, selbst mit dem möglichen Worst-Case-Szenario zu leben und sogar damit in Frieden sein können, dann können wir wirklich loslassen und uns auf das Wesentliche im Hier und Jetzt konzentrieren.
Welche Bedeutung hat die Selbstreflexion für Gründer, und welche praktischen Methoden empfehlen Sie, um sie in den Arbeitsalltag zu integrieren?
Sie hat eine entscheidende Bedeutung. Nur so können Sie immer wieder die Vogelperspektive einnehmen und das große Ganze betrachten und stecken nicht 24/7 in einem Tunnel. Mit Selbst-Bewusstsein verstehen und kennen Sie sich selbst. Sie können Ihren emotionalen und mentalen Zustand bewusst zu verändern. Außerdem können Sie andere besser verstehen. Das hilft Ihnen in Kommunikation und Zusammenarbeit, was als Führungskraft unabdingbar ist.
Theoretisch ist es sehr einfach, es ist nur nicht leicht, es umzusetzen. Ich würde sagen, ziehen Sie sich immer wieder zurück. Kommen Sie morgens bei sich an. Eine Morgenroutine hilft dabei. Meditieren, Spazierengehen oder andere Maßnahmen, die Ihnen helfen zu sich zu kommen. Mit Sicherheit ist es nicht das Handy oder der Laptop, was Ihnen dabei hilft. Das kann warten und ist oft nur eine Ablenkung.
Schreiben Sie Ihre Gedanken ungefiltert in ein Buch. Schreiben Sie auf, was Sie beschäftigt und stresst, was gut gelaufen ist und wofür Sie dankbar sind. Hören Sie sich selbst grundsätzlich gut zu und achten Sie darauf, wie Sie mit sich und der Welt sprechen. Hinterfragen Sie sich. Wie möchten Sie lieber mit sich sprechen? Finden Sie Leute, mit denen Sie sich austauschen können. Menschen, die Sie nicht nur bestätigen oder Ihnen kluge Ratschläge geben wollen, sondern die ein ehrliches Interesse an Ihnen haben und Ihnen ebenfalls zuhören.