Elke tho Seeth: Zeitgemäße Führung beinhaltet eher Coachings als Beratung

Interview mit Elke tho Seeth
Elke tho Seeth ist zertifizierter Coach und Teamentwickler bei coaching-hh.com. Mit ihr sprechen wir über reine Karriereberatung, beruflichen Scheideweg sowie Ziele und Planung.

Beschäftigte stehen häufig vor einem beruflichen Scheideweg und wissen nicht wohin. Der Begriff ist zwar allgemein bekannt, aber was versteht man unter einer Karriereberatung?

Elke tho Seeth: Eine reine Karriereberatung ist dann sinnvoll, wenn Ziele bereits definiert sind und eine Karriereplanung zumindest begonnen wurde. In der Fragestellung werden aber zwei Dinge zusammengebracht, die nicht zusammengehören. Beratung beinhaltet für mich immer eine Vermittlung von Fachwissen. Wenn man an einem beruflichen Scheideweg steht, liegen aber die für eine Beratung notwendigen Fragestellungen, Ziele oder gar eine Planung noch nicht vor. Dann erfordert es den Karrierecoach, in diesem Fall würde ich nicht von einer Beratung sprechen.

Inwiefern unterscheiden sich also Karrierecoaching, Karriereberatung und Berufsberatung?

Elke tho Seeth: In einer Berufsberatung werden z.B. Berufsanfänger über mögliche Berufe, die zu ihren Fähigkeiten, Neigungen und ihrer Ausbildung passen beraten. Oft übernehmen diese Aufgabe Career Centers an Hochschulen oder die Arbeitsämter. Es gibt auch zahlreiche Datenbanken, Listen, Persönlichkeitstests, z.B. auf digitalen Jobportalen. Diese Beratung dient dem Ziel, eine Berufswahl durch Fokussierung und Eingrenzung zu treffen.

Karriereberatung erhält man z.B. in einem fortgeschrittenen Stadium der beruflichen Laufbahn von Führungskräften, Ausbildern, Hochschullehrern. Hier informiert man sich z.B. selbständig durch den Vergleich von Karrieren in seinem Fachgebiet. Jegliche Form von Beratung hat aus meiner Perspektive als Coach immer die Vermittlung von Markt,- Technologie,- Branchen,- und Fachwissen zum Inhalt.

Karrierecoaching behandelt die beiden o.g. Themenbereiche aus der Sicht des Kunden. Als Coach verfüge ich lediglich über Methoden (und Erfahrung mit Transformationsprozessen), um das Beste aus dem Kunden herauszuholen. Dabei berate ich nicht, sondern stelle vielmehr Fragen, um das Potential zu analysieren und gemeinsam mit dem Kunden eine Strategie zu entwickeln. Der Coachee bleibt dabei immer Experte für sein Fachgebiet.

Nun braucht nicht jeder, der vor einer beruflichen Entscheidung steht, eine Karriereberatung. Für wen ist eine Beratung geeignet und was bekommt der/die Ratsuchende im Beratungsangebot an Information?

Elke tho Seeth: Immer, wenn sich eine berufliche Entscheidung abzeichnet, oft gekennzeichnet durch Unzufriedenheit mit dem Status quo, würde ich für Coachings plädieren. Diese sind auch online und kurzfristig bzw. auf die Situation bezogen ad-hoc möglich. Oft melden sich Coachees kurzfristig, um z.B. in einer Dreiviertelstunde eine Entscheidung zu treffen, abzuwägen oder einfach eine zweite Perspektive zu erhalten. Gerade heute im Zeichen des raschen Wandels ist es wichtig, durch geleitete Coachingprozesse einen Partner zu haben, der den roten Faden im Blick hat, so dass sich der Coachee meist auf das jeweilige Etappenziel fokussieren kann und nicht immer wieder die große Strategiedebatte mit sich führen muss. Coaching ist immer situativ. Beratungen bergen das Risiko, rasch veraltete Ergebnisse zu produzieren und sind starrer als der am Entwicklungsprozess orientierte Coachingprozess. Zeitgemäße Führung beinhaltet heutzutage eher Coachings als Beratung. Auch die staatlichen Arbeitsämter sind von Beratung auf Coaching umgeschwenkt, nach skandinavischem Vorbild. 

Wie ernst zu nehmen sind Karriereberatungen? Sind sie wirklich Sprungbrett in die Karriere oder nur simple Geldschneiderei?

Elke tho Seeth: Ich würde immer genau hinsehen, wenn sogenannte Karriereberater „Komplettpakete“ anbieten oder ein Sprungbrett in die Karriere verheißen, dies ist nicht realistisch. Der Erfolg der Kunden ist immer individuell zu definieren. Gerade für Berufsanfänger, die Erfolg an oberflächlichen Merkmalen eines Berufsbildes festmachen, können solche Angebote verlockend sein. Dann sollte man zumindest mehrere Angebote einholen, die Referenzen der Anbieter prüfen und sich ernsthaft fragen, welche spezifischen Beratungsinhalte für die gewählte Branche tatsächlich vorhanden sind bzw. was sich dahinter verbirgt. Oft sind Angebote von Weiterbildungsträgern, auch im Auftrag der Arbeitsämter unterschätzt. Sie bieten den Vorteil, dass für einen geringen Kostenbeitrag oder sogar staatlich gefördert, konkrete Fertigkeiten geschult werden: Arbeitsorganisation, EDV, Präsentationstechniken, Verhandlungskompetenz, Führung, derartige, greifbare Dinge, die oft in den Hochschulen nicht gelehrt werden, auch bekannt als „soft skills“.

Mit welchen Kosten müssen Interessenten rechnen und wie finden sie ein seriöses Beratungsangebot?

Elke tho Seeth: Kosten hängen immer neben den üblichen Kriterien wie Umfang und Ort des Coachings von Expertise, Erfahrung und Spezialisierung des Coaches ab. Meist liegen sie zwischen 100 und 350 Euro pro Zeitstunde. Es lohnt sich immer genau hinzusehen, ob der Preis pro Stunde oder pro Sitzung angegeben wird. Um Kosten gering zu halten, würde ich zunächst empfehlen, die staatlichen Hilfen auszuschöpfen.

Ein Beispiel: Privatkunden geben in der Zeit des Berufswechsels bei mir oft mehrere Hundert Euro aus, oft verteilt über mehrere Monate. Es gibt aber auch gefördertes Coaching vom Arbeitsamt mit mindestens zwei Sitzungen pro Woche. Es lohnt sich also zu prüfen, ob man einen Anspruch auf einen Gutschein hat. Manchmal hat das geförderte Coaching noch zum Ergebnis, dass eine Weiterbildung bezahlt wird, Marketing für den Biochemiker, Führungstechniken für die Soziologin, EDV für die Lebensmittelhändlerin. Am Ende hilft jeder Schritt in die richtige Richtung dabei, die Wunschkarriere im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten zu ergreifen.

Um einen seriösen Anbieter zu finden, sollte ich mehrere Angebote einholen, bevor ich mich entscheide. Das Vorgespräch sollte unverbindlich und kostenfrei sein, ein seriöser Coach kann Ausbildungszertifikate vorweisen, auch Empfehlungen von Personalern können hilfreich sein. Letztendlich entscheidet immer das Vertrauensverhältnis. Wenn der Klient schon am Anfang merkt, dass irgendetwas nicht stimmig ist, heißt das nicht automatisch, dass es sich um einen unseriösen Anbieter handelt, birgt aber auch keine Basis für einen erfolgsversprechendes Coaching. Die Chemie muss einfach stimmen, um vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.

Frau tho Seeth, vielen Dank für das Gespräch!

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