Mit Sicherheit hat jeder schon mal etwas von dem Begriff „Burnout“ gehört. Doch mit dem gegenteiligen Begriff „Boreout“ verhält es sich etwas anders. Was ist ein Boreout überhaupt?
Dr. Sandra Waeldin: Boreout ist tatsächlich ein vergleichsweise unbekanntes Konzept. Es tritt auf, wenn die Arbeit mental sehr wenig anregend ist, wenn Herausforderungen und das berufliche Interesse fehlen. Es handelt sich also um eine massive, meist arbeitsbezogene Langeweile bis hin zu Sinnkrisen mit möglichen gesundheitlichen Konsequenzen.
Ein Boreout ist im Gegensatz zum Burnout schwieriger zu identifizieren. Welche Symptome können bei Betroffenen auftreten?
Dr. Sandra Waeldin: Hierzu wissen wir bisher sehr wenig. Erste Studien zeigen, es kann mit einem Gefühl von Hilflosigkeit, Wertekonflikten, Angst und Niedergeschlagenheit einhergehen. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten leidet oft. Es können auch Schuldgefühle auftreten, weil man insgesamt sehr unproduktiv arbeitet. Das kann sehr belastend sein.
Betroffene unterschätzen oftmals den Boreout und denken es sei eine harmlose Variante des Burnouts oder einfach nur Langeweile am Arbeitsplatz. Ist ein Boreout wirklich weniger beunruhigend als ein Burnout?
Dr. Sandra Waeldin: Leider gibt es auch zu den Konsequenzen von Boreout wenig verlässliche Informationen. Letztlich kommt es aber auf die Intensität an. Leichte Burnout-Symptome können weniger belastend sein, als starke Boreout-Symptome. Es schadet in keinem Fall, erste Zeichen von Interessen- oder Lustlosigkeit ernst zu nehmen. Dann können auch früh geeignete Gegenmaßnahmen getroffen und Sinnkrisen vorgebeugt werden. Gibt es bereits stärkere Anzeichen, ist es wichtig, sich zu fragen: Kann ich so für die nächsten Wochen oder Monate weiter machen? Schaffe ich das (selbst) oder benötige ich möglicherweise Unterstützung? Sprechen Sie bei Bedarf auf Arbeit Ihre Vorgesetzten, Personalverantwortlichen oder den Betriebsrat an. Bei gesundheitlichen Problemen – auch, wenn sie psychischer Natur sind – ist grundsätzlich die Hausärztin oder der Hausarzt Ihr erster Ansprechpartner. Die/der kann Sie dann weiterverweisen.
Immer wieder wird berichtet, dass positiver Stress ein Ausweg vom Boreout sein soll. Das hört sich erstmal etwas seltsam an. Was genau kann man unter positiven Stress verstehen und wie könnte dieser den Betroffenen helfen?
Dr. Sandra Waeldin: Positiver Stress beschreibt all die Dinge, die uns zwar herausfordern, die wir jedoch selbst bewältigen können. Zunächst investieren wir Energie und erhalten hinterher ist es ein gutes Gefühl. Das kann das Projekt sein, für das wir gegen Ende noch einmal ordentlich die Ärmel hochkrempeln müssen, dann aber erfolgreich beenden. Man kann es auch mit Sport vergleichen: Anspruchsvolle aber machbare Trainings fordern uns heraus. Sie bringen uns erst einmal ins Schwitzen, tun jedoch langfristig unserem körperlichen und geistigen Wohlbefinden gut. Da Boreout genau ein Mangel an Stimulierung und Herausforderung darstellt, tut es gut, sich solche zu suchen. Wir brauchen einfach ein gewisses Maß an Herausforderung und Aktivierung, um uns wohl zu fühlen und gesund zu bleiben.
Für Betroffene von Boreout scheint der Berufswechsel der einzige Ausweg. Was können Betroffene, Ihrer Meinung nach noch gegen einen Boreout tun?
Dr. Sandra Waeldin: Es gibt zwei Ansatzpunkte: Privat und beruflich. Privat können Sie für einen stimulierenden Ausgleich sorgen. Starten Sie persönliche Projekte. Bauen Sie ein Baumhaus, engagieren Sie sich sozial, lernen Sie eine neue Sprache, … das kostet vielleicht erst einmal Überwindung, tut jedoch gut.
Bevor Sie den Beruf oder die Arbeitsstelle wechseln können Sie erst einmal auf kleinere Schritte ausprobieren. Wo gibt es Bereiche, die Sie doch interessieren? Wo können Sie sich – in dem eigentlich langweiligen Alltag – vielleicht noch weiterentwickeln? Gibt es Themen im Meeting, die zwar eigentlich nicht zu Ihren Kernaufgaben gehören, in die Sie sich jedoch dennoch einarbeiten möchten? Können Sie ergänzende Aufgaben oder ein berufliches Ehrenamt übernehmen (z. B. Sicherheitsbeauftragte/r oder Ersthelfer/in werden)? Hier tut es gut, sich jemanden zu suchen, mit dem/der man vertrauensvoll reden kann. Auf der Arbeit, im Familien- oder Freundeskreis oder auch eine externe, neutrale Person. So finden man leichter neue Ideen und Lösungswege.