Vielen ist der Begriff Aufhebungsvertrag zwar ein bekannter Begriff, doch die tatsächliche Bedeutung ist vielen unklar. Wie unterscheiden sich eine Kündigung und Aufhebungsvertrag?
Dr. Annegret Balzer: Eine Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die der Kündigende mit der anzuwendenden Frist aussprechen muss. Diese kann sich aus dem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder dem Gesetz ergeben. Im Ausnahmefall ist eine Kündigung auch fristlos möglich. Wird ein Arbeitnehmer gekündigt, können außerdem Arbeitnehmerschutzgesetze Anwendung finden, beispielsweise im Fall des Vorliegens einer Schwangerschaft, Elternzeit oder Schwerbehinderung. Findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, kann nur bei Vorliegen der dort geregelten Voraussetzungen gekündigt werden. Ist ein Betriebsrat gewählt, ist dieser vom Arbeitgeber vorher anzuhören. Ein Aufhebungsvertrag kann einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen werden. Auf etwaig anwendbare Fristen und Schutzgesetze kann verzichtet werden und auch der Betriebsrat muss nicht beteiligt werden. Sowohl die Kündigung als auch der Aufhebungsvertrag bedürfen der Schriftform nach § 623 BGB, um rechtsverbindlich zu sein.
In einem Aufhebungsvertrag können viele Bedingungen geregelt werden. Können Sie uns die relevantesten Punkte nennen, die in einem Aufhebungsvertrag behandelt werden können?
Dr. Annegret Balzer: Üblicherweise werden neben dem Zeitpunkt der Vertragsbeendigung sämtliche Modalitäten der Beendigung geregelt, also ob der Arbeitnehmer unter Urlaubs- und Zeitausgleichsanrechnung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung während der Kündigungsfrist freigestellt werden soll. Geregelt werden sollte auch, welche Zahlungen noch fließen sollen, also insbesondere neben dem Gehalt, Zulagen etc. beispielsweise eine Abfindung als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Idealerweise einigt man sich bereits über variable Bezüge/ Provisionen/ Boni und sonstige Weihnachts-/ Urlaubsgeld oder Sonderzahlungen sowie die Details zur Nutzung- und Rückgabe eines Dienstwagens. Arbeitnehmerseitig ist das Zeugnis und dessen Benotung ein wichtiger Regelungspunkt. Für den Arbeitgeber sind Geheimnisschutz und die Rückgabe von Gegenständen und Daten von besonderer Relevanz.
Was sind die Vor- und Nachteile eines Aufhebungsvertrag aus Sicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer?
Dr. Annegret Balzer: Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages – oder im Nachgang zu einer Kündigung eines Abwicklungsvertrages – gibt beiden Seiten die Möglichkeit, alle streitigen Ansprüche einvernehmlich zu regeln. So kann mit einer großen Gestaltungsfreiheit rasch und effizient Rechtssicherheit erzielt werden. Dies ist für beide Seiten vorteilhaft. Soll die Kündigungsfrist nicht eingehalten werden, ist dies nur einvernehmlich möglich und kann im Aufhebungsvertrag geregelt werden. Dies kann auch für einen Arbeitnehmer wichtig sein, wenn er eine andere Arbeitsstelle früher antreten will, als es die anzuwendende Kündigungsfrist zulässt. Hat der Arbeitgeber Interesse an der Beendigung, können Arbeitnehmer für sie günstige Bedingungen für die Beendigung verhandeln und verbindlich regeln. Dies alles geht bei der Kündigung nicht. Durch eine Aufhebungsvereinbarung kann auch eine verhaltensbedingte oder außerordentliche Kündigung verhindert und mitunter der Inhalt des Zeugnisses zugunsten des Arbeitnehmers beeinflusst werden. Durch eine rechtmäßige Kündigung kann der Kündigende den Vertrag auch gegen den Willen des Vertragspartners einseitig beenden. Ist die Kündigung wirksam, endet der Vertrag mit Ende der Kündigungsfrist und eine Abfindung muss arbeitgeberseitig nicht bezahlt werden. Eine Kündigung birgt für den Arbeitgeber aber immer das Risiko einer Kündigungsschutzklage. Das bedeutet langwierige Vorbereitungen und oft ein Klagverfahren über ein Jahr, für das der Arbeitgeber das Entgeltfortzahlungsrisiko trägt. Ist arbeitgeberseitig davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer keiner gütlichen Einigung zustimmt oder liegt ein Kündigungsgrund vor, sollte eine Kündigung vorbereitet und ausgesprochen werden und ggf. in einem Abwicklungsvertrag eine gütliche Einigung angeboten werden. Arbeitnehmerseitig muss klar sein, dass der Aufhebungsvertrag den gesetzlichen Kündigungsschutz außer Kraft setzt. Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist oder die Vereinbarung einer zu hohen Abfindung können zudem ein Hinweis darauf sein, dass das Arbeitsverhältnis verschuldet aufgegeben wurde. Dies kann eine Sperre beim Arbeitslosengeld nach sich ziehen.
Wenn ein Aufhebungsvertrag erst einmal unterschrieben ist, denken viele Arbeitnehmer, dass dieser nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Ist diese Annahme wahr und welche Möglichkeiten hat der Arbeitnehmer bei einem schon unterschriebenen Aufhebungsvertrag?
Dr. Annegret Balzer: Im Wesentlichen gibt es von einem Aufhebungsvertrag zwei nachträgliche Lösungsmöglichkeiten. Ein Aufhebungsvertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande. Diese Willenserklärungen können nach §§ 119 ff BGB angefochten werden, wobei der Irrtum über die Rechtsfolgen eines Aufhebungsvertrages jedoch nicht zur Anfechtung berechtigt. Eine Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB) ist denkbar, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer widerrechtlich mit einer fristlosen Kündigung gedroht hat, damit dieser dem Aufhebungsvertrag zustimmt. Widerrechtlich ist eine solche Drohung, wenn ein vernünftiger Arbeitgeber den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht ernsthaft hätte erwägen dürfen. Verhandelt der Arbeitnehmer jedoch während einer Bedenkzeit oder wäre ihm die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes möglich gewesen, entfällt die Drohwirkung. Der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag kann zwar nicht nach §§ 312g Abs. 1 oder 355 BGB widerrufen werden. Ein Aufhebungsvertrag ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gem. §§ 311 Abs. 2 Nr.1, 241 Abs. 2 BGB (Urt. v. 07.02.2019, 6 AZR 75/18) unwirksam, wenn er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist. Dieses Gebot ist eine bei den Vertragsverhandlungen zu beachtende Nebenpflicht. Eine Verhandlungssituation ist nach BAG als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Der unfair behandelte Vertragspartner ist dann so zu stellen, als hätte er den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen (§ 249 Abs. 1 BGB), d.h. das ursprüngliche Arbeitsverhältnis wird zu unveränderten Bedingungen fortgeführt.
Oftmals drängen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer zur Unterschrift auf dem Vertrag. Unter welchen Umständen könnte sich eine gerichtliche Anfechtung des Aufhebungsvertrags lohnen?
Dr. Annegret Balzer: Die Geltendmachung der Unwirksamkeit bzw. die Anfechtung kann sinnvoll sein, wenn aus dem Vertrag für den Arbeitnehmer ungünstige Bedingung resultieren, die er nicht bedacht hat. Zu beachten ist aber, dass die Beweislast für den Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns und die Kausalität dieses Verstoßes bzw. die Anfechtungsgründe für den Abschluss des Aufhebungsvertrags derjenige trägt, der sich auf eine Verletzung beruft. Dies wird nicht immer leicht möglich sein. Es sollten zudem die Folgen der Geltendmachung der Unwirksamkeit bzw. der Anfechtung gut abgewogen werden, da damit der gesamte Aufhebungsvertrag, einschließlich etwaiger günstiger Regelungen entfällt und nicht nur eine einzelne Klausel, somit auch eine ggf. vereinbarte Abfindung. In beiden Fällen bestehen hohe Hürden. Vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages sollten sich beide Parteien lieber vorher gut beraten lassen und die Unterzeichnung wohl überlegen.