Viele Gewerbetreibende waren vom Lockdown und weiteren Corona-Beschränkungen betroffen. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit geschaffen zeitweise die Mieten zu stunden. Wurde diese Möglichkeit in großem Stil genutzt?
Jebo Samuels: Wir von QUIN Investment sind Makler für Hotelimmobilien und auf den Verkauf und die Verpachtung von Hotels in ganz Deutschland spezialisiert. Wir haben demnach mit einer der durch die Corona Pandemie am stärksten betroffenen Branchen zu tun – dem Gastgewerbe.
Insbesondere durch die Pandemie stehen wir im engen Austausch mit großen Hotelimmobilieneigentümern, institutionellen Investoren, kleineren und mittelständischen Hotelbetreibern sowie großen Hotelketten.
Aus den vielen Gesprächen in den vergangenen Monaten wird deutlich, dass nahezu alle, schätzungsweise 80%, von der Option der Mietstundung Gebrauch gemacht haben.
Dies geschah vor dem Hintergrund, dass durch die Reisebeschränkungen und Beherbergungsverbote die gesamte Geschäftsgrundlage und alle damit verbundenen Umsätze eingebrochen sind, im Vergleich dazu konnten viele Büromieter Ihr Geschäft grundsätzlich weiterführen, auch wenn die Umsätze in vielen Branchen ebenfalls zurückgegangen sind.
Ist es im Zuge der Pandemie vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen Mietern und Vermietern gekommen?
Jebo Samuels: Die Eigentümerseite zeigt sich überwiegend sehr hilfs- bzw. kooperationsbereit. In circa 80% der Gespräche wurde ein geeigneter Kompromiss gefunden.
Aktuell rangiert die Auslastung in vielen Hotels, z.B. in der Hauptstadt Berlin zwischen 10 und 30%. Damit sich ein Hotel wirtschaftlich rechnet, muss die jährliche Zimmerauslastung laut Faustregel jedoch bei mehr als 60% liegen.
Um diese wirtschaftlichen Einbußen abzufedern, muss der Eigentümer meist Abstriche machen, denn ihm ist viel daran gelegen sicherzustellen, dass es der Pachtbetrieb durch diese wirtschaftlich schwierige Zeit schafft. Wäre dem nämlich nicht so, ist eine Neuverpachtung oft mit hohen Kosten und einem hohen Zeitaufwand verbunden. Diese reichen von Umbaukosten bis hin zu möglicherweise deutlich niedrigeren vereinbarten Pachtzinsen.
Haben Sie den Eindruck, dass der Dialog um etwaige Mietkürzungen oder Mietanpassungen zwischen Vermietern und Mietern eher konstruktiv oder konfrontativ geführt wird?
Jebo Samuels: Der Dialog wird aus den bereits angeführten Gründen eher konstruktiv geführt, insbesondere dort wo es auf Eigentümerseite finanziellen Spielraum gibt. In Ausnahmefällen gibt es aber auch schwierigere Gespräche, z.B. wenn der Eigentümer aus finanziellen Gründen ebenfalls stark betroffen ist, können hier und da verfahrene Situationen entstehen.
Die konstruktive Lösungsfindung hat vor allem damit zu tun, dass wir es hier nicht mit unternehmerisch-strategischen Fehlentscheidungen zu tun haben, sondern mit einer für uns noch nie da gewesenen Situation, welche die gesamte Weltwirtschaft betrifft und die man in diesem Ausmaß nicht hat vorhersehen können.
Die Eigentümer geben demnach nicht den Betreibern die Schuld, sondern alle sitzen im selben Boot und versuchen nun gemeinschaftlich einen Weg „raus“ zu finden.
Es gibt aber auch Marktteilnehmer, Eigentümer wie Betreiber, die zu optimistisch von immer steigenden Märkten ausgegangen sind und die es nun besonders schwer trifft was die Gespräche nicht gerade vereinfacht.
Hat sich die aktuelle Situation auf die Vertragsgestaltung bei Neuvermietungen und Mietverlängerungen ausgewirkt, z.B. bezüglich der Miethöhe oder Laufzeiten?
Jebo Samuels: Generell wird es wieder zu nachhaltigeren Pachthöhen kommen. Auch die Eigentümer und Projektentwickler werden stärker auf die Bonität der Unternehmen und deren Sicherheiten achten.
Bisher war es üblich für den Betrieb eines neuen Hotels eine eigene Objektgesellschaft zu gründen, welche den Pachtvertrag abschließt (OpCo). In Zukunft wird dies oftmals nicht mehr ausreichen, sondern die Holding/Muttergesellschaft wird den Pachtvertrag unterschreiben müssen.
Vermutlich wird es auch in Zukunft zu mehr hybriden Pachtmodellen kommen. Statt der bisher weit verbreiteten Fixpacht wird es dann eine Sockelpacht geben und darüber hinaus einen variablen Teil der umsatzabhängig ist. In guten Zeiten kann der Eigentümer so ebenfalls durch eine mitsteigende Pacht profitieren und in Krisenzeiten kann der Hotelbetreiber seine Pachtlast reduzieren.
Auch wird bereits diskutiert wird, ob man in den Pachtverträgen eine Art „Corona-Klausel“ einbaut, in der geregelt wird was in Zukunft passiert, wenn erneut solch ein Fall eintritt.
Die Überlegung ist, den Hoteleigentümer in solch einem Fall von vornherein mit in die Verantwortung zu nehmen.
Bei den Laufzeiten bei Neuvermietungen sehen wir derzeit keine Veränderungen. Die Hotellerie ist ein langfristiges Geschäft, bei dem wir weiterhin Verträge zwischen 15 und 25 Jahren plus Verlängerungsoptionen sehen.
Durch die vereinbarten Stundungen, welche teilweise auch über die drei Monate hinausgingen, wurden nun jedoch zahlreiche laufende Verträge um circa 3-12 Monate verlängert.
Sehen Sie langfristige Folgen für den Gewerbe- und Büroimmobilienmarkt aufgrund der Pandemie?
Jebo Samuels: Vor allem für den deutschen Hotelimmobilienmarkt sehen wir langfristige Auswirkungen. Wir spüren, dass der Druck auf die Marktteilnehmer sehr groß ist und dieser leider auch in Notverkäufen und Insolvenzen münden wird. Dies wird unserer Einschätzung nach die Privathotellerie, genauso wie die Kettenhotellerie betreffen.
Zudem stufen die Banken Hotelfinanzierungen nun wieder als sehr risikoreich ein, sodass diese aktuell gar keine Hotels oder nur sehr wenige Hotels mit hohen Sicherheitsabschlägen und hohen geforderten Eigenkapitalquoten finanzieren. Dies wird vermutlich auch noch eine lange Zeit so bleiben. Eigenkapitalstarke Investoren haben hier also Vorteile.
Aus unserer Sicht wird es auch zu Übernahmen und Zusammenschlüssen zwischen kleinen, mittelständischen und großen Hotelgruppen kommen.
Auch im operativen Bereich gehen wir von Veränderungen aus.
Interessant zu beobachten wird es sein, wie sich die Hotelkonzepte der Zukunft verändern. Werden z.B. klassische Tagungshotels weiter an ihrer Ausrichtung festhalten? Hier können wir sicherlich auf die eine oder andere Innovation gespannt sein.
Zusätzlich sehen wir die Krise auch als einen Schub beim Thema Digitalisierung. Viele Hoteliers haben nun neue Technologien und Software kennengelernt oder diese direkt in die operativen Abläufe integriert. Dieser Trend wird sich sicherlich noch verstärken. Genauso wie der Fokus auf das Thema Hygiene. Hier erwarten wir weitere smarte und optisch ansprechende Lösungen.
Generell sind wir jedoch vom Tourismusstandort Deutschland und vom Hotelimmobilienmarkt überzeugt und gehen langfristig von einer Erholung des Marktes aus.
Auf dem Büroimmobilienmarkt ist von einer Zunahme des Leerstands auszugehen. Auslaufende Mietverträge werden dort wo man Kosten sparen will nicht verlängert und Neuvermietungen könnten ausbleiben. Stark expansive Mieter werden voraussichtlich nicht genutzte Flächen Untervermieten, was ebenso die Nachfrage auf vakante Büroflächen mindern könnte.
Generell ist auch hier davon auszugehen, dass Mietverträge mit geringeren Mietpreisen abgeschlossen werden, um laufende Fixkosten zu reduzieren.
Nichtsdestotrotz war die Nachfrage nach Büroflächen, vor allem in den Großstädten hoch. Wann es hier wieder zu einer Stabilisierung kommen wird, bzw. inwieweit die Firmen wirklich z.B. das Thema Home-Office ausbauen, um weniger Flächen anmieten zu können, bleibt abzuwarten.