„Corona konnte keiner voraussehen“ – tatsächlich nicht? Seit 2009 gibt es eine ISO-Norm für Risikomanagement (31000). Waren Sie auf die Krise ausreichend vorbereitet?
Marianne Jakl: Für uns hat sich im vergangenen halben Jahr wieder bestätigt, was wir schon in vergangenen Krisen sehen konnten: unsere Strategie der doppelten Diversifikation macht unser Unternehmen robust und verhindert starke Ausschläge beim Ergebnis nach unten, aber damit auch nach oben. Doppelte Diversifikation bedeutet, dass wir sowohl nach Ländern/Regionen als auch nach Sparten diversifiziert sind. Wir haben einen starken Fokus auf Europa, aber hier zeigt sich, dass selbst die Länder Zentral- und Osteuropas meist sehr unterschiedlich auf Krisen reagieren. Während in Österreich die Baustellen während der Coronavirus-Krise temporär stillstanden, konnten wir in vielen anderen Ländern, etwa Deutschland und Polen, kontinuierlich weiterarbeiten. Was die Sparten betrifft, profitieren wir von einem guten Mix aus öffentlichen und privaten Segmenten. Es ist zu erwarten, dass die Nachfrage an Bauleistungen etwa im Retailmarkt zurückgehen wird – bei neuen Vergaben sehen wir schon Zurückhaltung. Gleichzeitig ist aus diversen Konjunkturprogrammen eine stärkere öffentliche Nachfrage zu erwarten. Unser aktueller Rekordauftragsbestand ist nicht zuletzt auf solche Programme, insbesondere den deutschen Bundesverkehrswegeplan, zurückzuführen.
Wie hat sich die Marktlage in Ihrer Branche durch die Corona-Krise verändert?
Marianne Jakl: Wir sehen derzeit in der Branche noch keine starken Auswirkungen wie etwa Firmeninsolvenzen. Allerdings muss man auch sagen, dass die Baubranche eher spätzyklisch ist, das heißt die Folgen des aktuellen Wirtschaftsabschwungs werden uns erst später treffen. Wie stark hängt, wie schon gesagt, auch von öffentlichen Konjunkturprogrammen ab. Was sich bereits jetzt abzeichnet ist, dass die kleineren Kommunen besonders stark betroffen sind und deshalb schon geplante Investitionen verschieben.
Krisen- und Risikomanagement wird in Unternehmen oft nachrangig behandelt. Welche internen und externen Risikofaktoren haben Sie für Ihr Unternehmen / Ihre Branche besonders im Blick?
Marianne Jakl: In der aktuellen Krise standen besonders die Lieferketten im Fokus. Hier hat sich allerdings gezeigt – noch mehr als von uns erwartet –, dass die Baulieferketten aufgrund der Regionalität sehr robust sind. Grenzschließungen führten zwar kurzfristig zu Engpässen beim Personal in einigen unserer Märkte, aber auch das konnte sehr rasch ausgeglichen werden.
Krisen offenbaren oft Schwächen im Unternehmen, die im Tagesgeschäft unbemerkt übergangen werden, wenn das Business „läuft“. Inwiefern haben Sie die Ausrichtung und Arbeitsweise Ihres Unternehmens während einer Krise angepasst?
Marianne Jakl: Die Baubranche ist nicht unbedingt als digitale, innovative Branche bekannt. Wir arbeiten zwar schon seit mehreren Jahren daran, unsere Prozesse zu standardisieren und zu digitalisieren – seit Jahresbeginn gibt es ein eigenes Vorstandsmitglied für Innovation und Digitalisierung – aber die partiellen Lockdowns in unseren Märkten haben diesen Bemühungen einen ungeahnten Boost gegeben. Wir haben aus dieser Zeit sehr viel gelernt und werden das natürlich auch in die Zukunft mitnehmen.
Leiden in Ihrem Unternehmen aufgrund der Krise andere Themen wie z.B. Umweltschutz, Nachhaltigkeit oder die Produktqualität?
Marianne Jakl: Um die Baustellen entsprechend den aktuellen Arbeitssicherheits- und Hygienevorgaben weiterführen zu können, mussten wir etliche zusätzliche Maßnahmen setzen, etwa personelle Entflechtung, gestaffelter Arbeitsbeginn, die den Baufortschritt beeinflussen können. Bauzeitverzögerungen können sowohl für die Baufirma als auch für den Investor teuer werden. Derzeit sind wir dort, wo sich Corona-bedingte Verzögerungen nicht vermeiden ließen, mit unseren Kundinnen und Kunden in Kontakt, um eine faire Lösung für beide Seiten zu finden.
Welche Erkenntnisse haben Sie aus der Corona-Krise gewonnen?
Marianne Jakl: Typische Merkmale der Baubranche sind Regionalität und Dezentralität. In der Bewältigung einer solchen Krise waren sie Chance und Herausforderung zugleich. Einerseits kam es uns sehr entgegen, da wir nie die Ansteckung eines größeren Teils unseres Personals auf einmal befürchten mussten, andererseits war es gerade in der Kommunikation sehr herausfordernd alle Mitarbeitenden aller Länder stets rasch zu erreichen, um die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen zu kommunizieren.
Welche Ratschläge möchten Sie gerade Start Ups zum Thema „Krisen-Prävention“ mit auf den Weg geben?
Marianne Jakl: Einem Unternehmen, das gerade am Anfang steht, kann man schwer raten, unserer Strategie der doppelten Diversifikation zu folgen. Aber man sollte es zumindest bei seiner Wachstumsstrategie im Auge haben.