Benjamin Dau: Der Energieausweis ist der Steckbrief eines Wohngebäudes

Interview mit Benjamin Dau
Benjamin Dau ist Geschäftsführer der Mayer & Dau Immobilien GmbH. Im Interview sprechen wir mit ihm über Energieausweise sowie Verbrauchs- und Bedarfsausweise.

Mit der EnEV von 2008 wurde die Einführung von Energieausweisen für den Gebäudebestand geregelt. Seit Anfang 2008 wurde der Energieausweis schrittweise eingeführt. Warum wurde er eingeführt?

Benjamin Dau: Generell soll der Energieausweis einen Vergleich der energetischen Beschaffenheit von Gebäuden in ganz Deutschland ermöglichen. Das Dokument wurde im Laufe der Zeit außerdem stark verändert, was einen Vergleich nur in bestimmten Fällen sinnvoll macht. Bei früheren Ausweisen, aus dem April 2014 oder älter, fehlt die Klasseneinteilung. Sie wurde hier nur zur Veranschaulichung einmontiert. Allerdings ist das Verfahren zur Berechnung des Gebäude-Endenergiebedarfs bei neueren und älteren Ausweisen gleich, dadurch sind die Ausweise, sofern es sich um Bedarfsausweise handelt, an dieser Stelle miteinander vergleichbar. Noch ältere Ausweise, aus der Zeit zwischen 2007 und September 2009, stuften die Gebäude durch eine andere Skala des Farbbands (mit Höchstwerten über 400 kWh/(m2a)) anders als heute ein. Doch solche Dokumente sind ungültig, weil ein Ausweis höchstens 10 Jahre alt sein darf. Als Mieter oder Käufer einer Immobilie hat man einen Anspruch auf einen gültigen Energieausweis, weshalb man auf das Datum achten sollte. Die Zuordnung in die Effizienzklassen ist nur auf Ausweisen realistisch, die nach dem 1. Mai 2014 ausgestellt wurden, also nach der Energieeinsparverordnung von 2014 bzw. dem Gebäudeenergiegesetz von 2020. Auf diesen Ausweisen reicht die Skala des Farbbands von 0 bis 250 kWh/(m2a). Je weiter hinten im Alphabet die Effizienzklasse liegt, desto schlechter ist der energetische Zustand des Hauses.

War diese Einführung ein Fortschritt und wie hat man es vorher geregelt?

Benjamin Dau: Von einem Fortschritt möchte ich persönlich in diesem Zusammenhang nicht sprechen. Sicherlich ist ein Energieausweis, wenn er aussagekräftig ist, für den Kunden bzw. den Verbraucher definitiv ein positiver Aspekt, den er hoffentlich nutzen kann. Die aktuelle Nutzungsmöglichkeit eines Energieausweises ist hinsichtlich des Verkaufs von Bestandsimmobilien für Kunden aus meiner Sicht kein Fortschritt. Wesentlich aussagekräftiger als die häufig genutzten Verbrauchsausweise sind die Verbrauchsdaten jeweils der letzten drei Monate für eine Immobilie. Diese können beim jeweiligen Energieversorger angefordert werden.

Für wen ist dieser Energieausweis wichtig und wofür?

Benjamin Dau: Wir alle kennen die Aufkleber an Haushaltsgeräten, anhand derer man die Energieeffizienzklasse erkennt. Der Energieausweis für Immobilien funktioniert ähnlich. Man könnte sagen, er ist der Steckbrief eines Wohngebäudes. Als solcher zeigt er die Energieeffizienz an.  Je weiter ein Haus im grünen Bereich liegt, umso besser ist es aus energetischer Sicht. Mit Hilfe der Energiekennzahlen soll ein Vergleich der energetischen Beschaffenheit von Gebäuden in ganz Deutschland möglich sein. Ältere und unsanierte Gebäude sind an Werten im roten Bereich zu erkennen. Mit Hilfe einer energetischen Modernisierung schafft man den Sprung in eine der besseren Energieeffizienzklasse. Bei einem Haus mit der Energieeffizienzklasse „F“ etwa empfiehlt sich die Dämmung von Dächern und Fassaden sowie alten, schlecht isolierenden Fenstern. Zusätzlich lassen sich durch eine effiziente Heizung und eine PV-Anlage deutlich bessere Effizienzwerte erzielen. Seit Inkrafttreten der Energieeinsparverordnung (EnEV) sind Eigentümer verpflichtet, Interessenten bei Vermietung oder Verkauf von Wohnobjekten einen gültigen Energieausweis vorzulegen. Die Ausweispflicht besteht dabei für Häuser, die verkauft, neu vermietet, verpachtet oder verleast werden ebenso wie  für Eigentumswohnungen, wobei der Energieausweis jeweils für das gesamte Gebäude gilt.

Sind der Verbrauchs- und der Bedarfsausweis zwei unterschiedliche Dokumente und wo werden sie ausgestellt? Wie hoch sind die Kosten?

Benjamin Dau: Grundsätzlich lassen sich zwei Varianten unterscheiden. Der Verbrauchsausweis ist günstiger, dafür weniger informativ. Er weist die verbrauchte Energiemenge des Gebäudes für Heizung und Warmwasserbereitung aus. Die entsprechenden Werte sind in Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter Gebäudenutzfläche angegeben. Aussagen über den künftigen Energieverbrauch lassen sich daraus jedoch nur bedingt ableiten, da der Energieverbrauch abhängig vom individuellen Heizverhalten stark abweichen kann. Etwas aufwändiger, aber wesentlich aussagekräftiger kommt der Bedarfsausweis daher. Für die Erstellung des Bedarfsausweises sind vorab eine Reihe von Fragen zu beantworten, wie etwa: Wie gut ist die Außenwand gedämmt? Verfügt das Gebäude über energiesparende Fenster? Welche Heizungsanlage kommt zum Einsatz? Dafür werden von einem Experten entsprechende Angaben erhoben und berechnet. Da die Daten unabhängig vom individuellen Heizverhalten erhoben werden, ermöglichen sie – anders als der Verbrauchsausweis – einen objektiven Vergleich verschiedener Miet- bzw. Kaufobjekte. Die von einem Sachverständigen ermittelten Modernisierungsempfehlungen beziehen sich auf den tatsächlichen Zustand der Immobilie. Es lässt sich somit der Ist-Zustand ablesen und aufzeigen, welche Möglichkeiten zur Energie- und Kosteneinsparung für die jeweilige Immobilie bestehen.

Welche Rolle spielen die Werte auf dem Ausweis für den Wert der Immobilie?

Benjamin Dau: Die Energiekennziffern in der Mitte des Farbbandes zeigen auf, wie viel Energie „typische“ Gebäude benötigen. So braucht ein Neubau, je nach Gebäudegröße, typischerweise um die 50 kWh/(m2a) und liegt damit in der Energieeffizienzklasse A oder B. Der Durchschnitt der Wohngebäude in Deutschland hat einen Verbrauch von rund 160 kWh/(m2a) und befindet sich in Klasse E. Dagegen verbraucht ein unsaniertes Einfamilienhaus typischerweise über 200 kWh/(m2a) und rangiert damit weit hinten in der Skala, in Klasse G oder H. Anhand dieser Vergleichsmöglichkeit kann man die Energieeffizienz des jeweiligen Gebäudes, das man verkaufen oder kaufen möchte, also recht gut einschätzen. Je niedriger die jeweilige Zahl des Endenergiebedarfs ist, umso energieeffizienter ist die Immobilie. Eine zusätzliche Hilfe zur Einschätzung bieten die Farben des Bandtachos und die Einteilung der Gebäude in Energieeffizienzklassen (A+ bis H). Da bei den Vergleichswerten Gebäude mit einem „typischen“ Energieverbrauch zugrunde gelegt werden, können sie jedoch nur eine grobe Orientierung geben. Je nach Größe, Baujahr und individueller Bauweise kann beispielsweise ein unsaniertes Mehrfamilienhaus auch in einer anderen Effizienzklasse liegen. Zudem steht die angegebene Effizienzklasse zudem für die energetische Qualität des Gesamtgebäudes; allerdings werden die Dämmstandards und die Heizungsanlage hier nicht einzeln bewertet. Ohne einen kritischen Blick bei der Besichtigung vor Ort sowie in die Modernisierungsempfehlungen des Ausweises lassen sich mit den Vergleichswerten allein kaum Aufwand und Kosten für eine energetische Verbesserung des Gebäudes abschätzen.

Wie oft kommen Sie im Berufsalltag mit Energieausweisen in Berührung?

Benjamin Dau: Sämtliche Büros unseres Unternehmens kommen quasi täglich mit dem Energieausweis in Berührung. Schon bei jeder von uns durchgeführten Werteinschätzung bzw. Aufnahme einer Immobilie kümmern wir uns im Nachgang über einen Qualitätspartner um den Energieausweis. Gesetzeskonform hinterlegen wir diese bereits ersichtlich in allen unseren Onlineinseraten. Auch bei den Erstbesichtigungen haben wir so alle relevanten Informationen für die Interessenten parat.

Wie schätzen Sie Kaufpreis-Entwicklung des Immobilienmarktes in Ihrem Bundesland ein?

Benjamin Dau: Mit unseren insgesamt sieben Standorten und über 40 Mitarbeitern besitzen wir eine sehr gute Marktübersicht, was die Immobilienpreise in unserer Region betrifft. Aktuell lässt sich beobachten, dass die Preise stagnieren, wenn auch auf einem hohen Niveau. Die noch immer hohe Nachfrage bei einem gleichzeitig überschaubaren Angebot wird auch in absehbarer Zeit nicht dazu führen, dass die Kaufpreise fallen werden. Ich gehe davon aus, dass das Angebot auch weiterhin eher gering bleiben wird. Zudem bin ich überzeugt, dass auch die Corona Auswirkungen auf den Immobilienmarkt haben wird, auch wenn diese aktuell nicht spürbar sind. Ganz im Gegenteil, die Pandemie hat dazu beigetragen, dass die Kaufpreise gegenüber der Covid 19-freien Situation nochmal angestiegen sind, weil auch Kapitalanleger von dem schwankenden Aktienmarkt in diesem Zusammenhang ebenso wie durch die Niedrigzinspolitik der Banken und Strafzinsen auf das Vermögen eine alternative Anlagemöglichkeit gesucht und im Immobilienkauf gefunden haben. Besonders was Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen ist das Oldenburger sowie Bremer Land, ja ganz Niedersachsen, auf einem sehr hohen Kaufniveau angekommen.

Herr Dau, vielen Dank für das Gespräch!

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