Verhandeln lernen – vier kooperative Techniken

Verhandeln lernen – vier kooperative Techniken

Einkäuferin und Verkäufer sitzen in einer Online-Besprechung, um sich auf einen Preis für die Lieferung zu einigen. Das typische Szenario, das sich die meisten unter einer Verhandlung vorstellen. Doch es gibt neben dem Honorar weitere Situationen, in denen wir uns in einer Verhandlung befinden: Ihre Partnerin hat ein anderes Urlaubsziel vor Augen und Sie diskutieren, wo Sie nun hinreisen. Oder Sie halten die Marketingidee Ihrer Kollegin für nicht zielführend und möchten es anders handhaben. Beides sind ebenfalls Verhandlungen. Immer dann, wenn mindestens zwei Parteien unterschiedlicher Meinung sind und gemeinsam nach einer Lösung suchen, befinden sie sich in einer Verhandlung.
Sind Sie sich bewusst, dass Sie – manchmal unverhofft und ungeplant – auf einmal mitten in einer Verhandlung stecken, können Sie auf Ihren Wissensschatz wie die folgenden 4 Tipps zugreifen.

 

  • Die erste Zahl im Raum bestimmt das Ergebnis

In Untersuchungen des Verhaltensökonomen und Nobelpreisträgers Kahnemann und seinem Kollegen Tversky sollten Probanden den Preis eines Gebrauchtwagens schätzen. Zuvor wurden ihnen völlig willkürliche Zahlen genannt. Diejenigen, denen vorher niedrige Zahlen präsentiert wurden, schätzten das Auto als günstiger ein. Diejenigen, denen hohe Zahlen genannt wurden, schätzten das Fahrzeug teurer ein. In einem weiteren Versuch wurden diesmal Fachleute auf die Probe gestellt: Kfz-Spezialisten sollten den Preis einer Autoreparatur schätzen. Diejenigen, denen zuvor ein höherer Durchschnittsreis für diese Art der Reparatur genannt wurde – der nicht stimmte – schätzten die Reparatur als deutlich teurer ein als diejenigen, denen zuvor eine niedrigere Zahl des Durchschnittspreises genannt wurde.
Die erste Zahl im Raum beeinflusst also – selbst bei Fachleuten – das Verhandlungsergebnis. In den meisten Szenarien ergibt es daher Sinn, wenn Sie die Person sind, die die erste Zahl in den Raum wirft. Damit setzen Sie einen Anker. Ist er niedrig, wird das Ergebnis niedriger ausfallen. Ist er hoch, wird das Ergebnis höher ausfallen. Selbst wenn Sie sich später auf die „vernünftige“ Mitte einigen, ist dieses somit zu Ihren Gunsten verschoben.

 

  • Die harte Kante als Verhandlungskiller

„Ich habe einfach mal auf den Tisch gehauen und gesagt: ´Entweder so oder gar nicht!´, bin aufgestanden und habe die Tür hinter mir zugeknallt. Das sind die natürlich nicht gewohnt!“ Dass aus dieser Verhandlung nichts wurde und die Führungskraft ab diesem Zeitpunkt eine persona non grata war, liegt nicht an den schwierigen Verhandlungspartnern, die nicht mit einem starken Gegenüber klarkommen, sondern an einer denkbar schlechten Strategie. Viele, die zuvor eher konfliktscheu waren, womöglich gar nicht verhandelt haben, sich angepasst und zu früh einen Rückzieher gemacht haben, schwenken, wenn sie es nun endlich anders machen wollen, in das harte Gegenteil: die rücksichtslose Härte. Die funktioniert in genau zwei Szenarien: dann, wenn Sie sowieso am längeren Hebel sitzen – in einem solchen Fall benötigen Sie keine Verhandlungsskills. Und dann, wenn Sie ein ängstliches Gegenüber haben, von dem Sie wissen, dass es auf diese Weise einknickt. Doch selbst in diesen beiden Fällen wird ein unsympathisches Machtgehabe zum Nachteil, nämlich dann, wenn Sie später auf das Entgegenkommen Ihres Vertragspartners angewiesen sind. Womöglich sind Sie in Zukunft die letzte Person, die von Neuigkeiten erfährt, wie zum Beispiel niedrigeren Rohstoffpreisen oder dem Umzug des Unternehmens. Zwischen: „Ich finde mich mit allem an und sage gar nichts“ und „Da muss man mal knallharte Kante zeigen!“ liegt ein breiter Raum, der oft nicht genutzt wird.

 

  • Ein „Nein“ aufweichen

Ein „Nein“ des Gegenübers gehört zum Wesen einer Verhandlung. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Es ist möglich, dieses auf verschiedene Weise aufzuweichen.  Zum einen durch die „Was, wenn“- Frage, zum Beispiel: „Was, wenn wir Ihnen dafür mit der Vertragslaufzeit entgegen kommen?“ Einer, der größten Fehler in Verhandlungen ist es, sich ausschließlich auf den Preis zu fokussieren. Das Verhandeln ist ein Tauschgeschäft. Die entscheidende Frage lautet: Was können Sie Ihrem Verhandlungspartner bieten, was für ihn viel wert ist, für Sie dagegen nur ein Fingerschnips? Und was kann Ihnen Ihr Verhandlungspartner bieten, was für Sie viel wert ist, für ihn aber kein Problem?“ Notieren sie sich diese Optionen als Verhandlungsmasse und haben Sie sie parat, sobald Sie ein „Nein“ hören.

Eine zweite Möglichkeit ist, nach einem Nein die Bedingungsfrage zu stellen: „Unter welchen Umständen könnten Sie uns hier entgegen kommen?“ Denn oft ist das „Nein“ kein Unwillen, sondern kommt aus Zwängen Ihres Verhandlungspartners heraus, die Ihnen noch gar nicht bekannt sind, vielleicht nicht einmal ihm selbst: „Naja, wenn ich sicher gehen könnte, dass die Produktion tatsächlich angekurbelt wird“ oder: „Wenn ich wüsste, dass die Rohstoffpreise nicht weiter ansteigen“. Wunderbar, nun kennen Sie die Einwände und könnten ihn sogar festlegen: „Das heißt, wenn xy gegeben ist, wäre es möglich?“

 

  • Rien ne va plus – wenn nichts mehr geht, funktioniert diese Frage

„Das ist unser Standardpreis und daran ist nichts zu rütteln.“ Möglich, dass das stimmt. Selbst dann könnten Sie immer noch die erste Person sein, die einen Rabatt bekommt. Es ist aber auch möglich, dass es nicht stimmt und durchaus in der Vergangenheit bereits Rabatte vergeben wurden. Ob Ihr Gegenüber die Wahrheit sagt oder nicht, finden Sie mit einer einfachen, jedoch wirkungsvollen Frage heraus: „Haben Sie denn schon einmal einen Rabatt gegeben?“ Falls das der Fall ist, müsste Ihr Gegenüber nun lügen, wenn er „Nein“ sagt. Sagt er „Ja“, kennen Sie nun die Wahrheit, es ist kein fixer Standardpreis, der unverhandelbar wäre.  Sie können nun nach den Ausnahmen und Bedingungen fragen, die damals gegeben waren oder jetzt gegeben sein müssten. Und schon stecken Sie, obwohl es Ihr Gegenüber nicht wollte, mitten in der Verhandlung über die Bedingungen für einen Rabatt.
Diskutieren Sie über Projektideen, können Sie auch hier die Bedingungen erfragen: „Was müsste aus Ihrer Sicht gegeben sein, damit Sie es für sinnvoll halten?“ – „Naja, es müsste 1., 2., 3. …“ Schon stecken Sie nicht mehr im Problem, Bedingungen nachzudenken.

Es gibt viele weitere Methoden ein „Nein“ aufzuweichen, die Sie im Buch „Menschen überzeugen, die Recht haben wollen“ finden. Es beschreibt 28 kooperative Techniken, mit denen Sie Ihr Gegenüber auch in schwierigen Diskussionen für Ihren Standpunkt öffnen, Methoden, mit denen Sie Diskussionen deeskalieren und Merkmale in Stimme und Körpersprache, die Sie zu einer überzeugenden Persönlichkeit machen. Diese Techniken ermöglichen es auch konfliktscheuen Menschen, sich in Diskussionen zu trauen statt sich vorschnell zurückzuziehen. Diskutieren ist wichtig, denn wie Churchill schon gesagt haben soll: „Wenn zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, ist einer von ihnen überflüssig.“

 

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Zum Expertenprofil von: Marie-Theres Braun

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