Präsentismus, d.h. trotz Krankheit zu arbeiten, ist ein bekanntes und weit verbreitetes Problem unter Erwerbstätigen. Wir haben dazu mit Prof. Dr. Bettina Zweck, Mitgründerin und Geschäftsführerin der B&C SALUTION GmbH, gesprochen.
In einer Online-Befragung, die Prof. Zweck vor der Corona-Pandemie mit insgesamt 1.500 Erwerbstätigen durchgeführt hat, gaben 41,5 Prozent an, trotz Krankheit zu arbeiten.
Mit der Zunahme von Home-Office und Remote-Arbeit stellt sich die Frage, ob Präsentismus auch in dieser neuen Arbeitswelt eine Rolle spielt und wie sich das Phänomen dort manifestiert.
Im Home-Office können Arbeitnehmer theoretisch flexibler und selbstbestimmter arbeiten. Die physische Distanz zum Büro und den Kollegen könnte vermuten lassen, dass Präsentismus weniger relevant wird. Doch die Realität sieht oft anders aus. Durch die Digitalisierung und die ständige Erreichbarkeit verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit zunehmend. Mitarbeitende fühlen sich häufig verpflichtet, immer verfügbar zu sein, was zu einem neuen, oft subtilen Präsentismus führt.
Laut einer Befragung der TK von 2022 zeigen sogar mehr als die Hälfte aller Befragten zumindest manchmal ein Präsentismusverhalten im Home-Office. Eine besorgniserregend hohe Zahl!
Gründe für Präsentismus im Home-Office (u.a.)
- Verantwortungsgefühl und Loyalität: Viele Mitarbeitende wollen zeigen, dass sie auch im Home-Office produktiv sind und das Vertrauen des Arbeitgebers verdienen.
- Angst vor Arbeitsplatzverlust: In unsicheren Zeiten, wie sie durch die Pandemie verstärkt wurden, fürchten viele um ihren Job und glauben, durch ständige Präsenz ihre Position zu sichern.
- Fehlende soziale Kontrolle: Ohne das soziale Gefüge des Büros fühlen sich einige verpflichtet, ihre Arbeitsleistung durch ständige Verfügbarkeit zu kompensieren.
- Führungskraft: Es sind eher die Führungskräfte, die trotz Krankheit arbeiten: Gemäß den Auswertungen von Prof. Zweck geben 47% der Führungskräfte an, trotz Krankheit zu arbeiten. Unter den Nicht-Führungskräften sind es 7% weniger.
Folgen von Präsentismus im Home-Office (u.a.)
Die Auswirkungen von Präsentismus sind vielfältig und oftmals negativ:
- Gesundheitliche Probleme: Längeres Arbeiten trotz Krankheit kann die Genesung verzögern und langfristig zu ernsthaften Gesundheitsproblemen führen. Laut Prof. Zweck hängt Präsentismus-Verhalten sogar ein Jahr später noch signifikant mit dem Gesundheitszustand zusammen: Je mehr Präsentismus-Verhalten gezeigt wird, desto schlechter ist der Gesundheitszustand ein Jahr später. Zudem zeigt Präsentismus-Verhalten einen Zusammenhang mit weiteren gesundheitlichen Aspekten, wie z.B. Müdigkeit und körperliche Erschöpfung – ein Warnsignal für Burnout, Schlafstörungen, Kopf- und Rückenschmerzen
- Burnout-Gefahr: Die ständige Erreichbarkeit und das Fehlen klarer Trennlinien zwischen Arbeit und Freizeit erhöhen das Risiko eines Burnouts. Frau Prof. Zweck stellt fest: „Verschwommene Grenzen und die ständige Erreichbarkeit können stressbedingte Folgen sogar ein Jahr im Voraus signifikant vorhersagen!“
- Schlechte Work-Life-Balance: Präsentismus beeinträchtigt die Work-Life-Balance, da man auch bei Krankheit nicht abschaltet, was wiederum zu Unzufriedenheit und verminderter Lebensqualität führen kann.
- Verminderte Produktivität: Statt ihre Aufgaben effizient zu erledigen, arbeiten Mitarbeitende weniger effektiv, was zu einem Rückgang der Gesamtproduktivität führen kann. Zu nennen sei an dieser Stelle, so Prof. Zweck, dass diejenigen Mitarbeitenden, die eher ein Präsentismus-Verhalten zeigen, gleichzeitig angeben, sich weniger gut konzentrieren zu können.
Maßnahmen gegen Präsentismus im Home-Office
Um Präsentismus im Home-Office entgegenzuwirken, können Arbeitgeber und Mitarbeitende verschiedene Maßnahmen ergreifen. Zu nennen sind hier beispielsweise:
- Klare Kommunikation: Arbeitgeber sollten klar kommunizieren und die Mitarbeitenden dafür sensibilisieren, dass Gesundheit Vorrang hat und man auch einfach mal krank sein darf – ohne zu arbeiten.
- Förderung einer gesunden Arbeitskultur: Durch die Etablierung von Routinen und Pausen können Mitarbeitende ermutigt werden, sich auch im Home-Office ausreichend zu erholen.
- Technische Unterstützung: Flexible Arbeitszeiten und das Angebot von Gesundheitsprogrammen können helfen, das Wohlbefinden der Mitarbeitende zu fördern.
- Schulung und Sensibilisierung: Schulungen zu Themen wie Zeitmanagement, Stressbewältigung und Selbstfürsorge können Mitarbeitenden helfen, besser mit den Herausforderungen des Home-Office umzugehen.
Fazit
Zusammenfassend betont Frau Prof. Zweck die Bedeutsamkeit des Phänomens „Präsentismus“ – insbesondere in einer digital geprägten Arbeitswelt mit verschwimmenden Grenzen im Home-Office. Es erfordert ein Bewusstsein sowohl bei den Arbeitgebern als auch bei den Arbeitnehmern, um nachhaltige Lösungen zu finden. Nur durch eine gezielte Unterstützung und die Förderung einer gesunden Arbeitskultur kann dem Präsentismus wirksam begegnet werden, sodass sowohl die Gesundheit der Mitarbeitenden als auch die Produktivität des Unternehmens geschützt werden.
Das Unternehmen von Prof. Zweck, die B&C SALUTION GmbH, ist auf die Erfassung und Erhaltung gesunder Arbeitsbedingungen spezialisiert und betreut Unternehmen insbesondere beim Thema „Psychische Gefährdungsbeurteilung“. Sie sind Arbeitnehmer und möchten mehr dazu erfahren? Dann kontaktieren Sie B&C SALUTION für ein unverbindliches Erstgespräch.