Von Matthias Dieckmann
Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Inhaber der Kanzlei Dieckmann in Landshut, Veranstalter des Ostbayerischen Insolvenzrechtstags in Landshut
In den letzten Jahren hat die Zahl der Insolvenzen in Deutschland zugenommen. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und reichen von einer schwachen Wirtschaftslage bis hin zu geopolitischen Spannungen. Besonders hervorzuheben sind die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten sowie die wirtschaftlichen Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Während der Pandemie wurden staatliche Hilfsprogramme eingeführt, die Insolvenzantragspflicht wurde zeitweise ausgesetzt. Dies führte dazu, dass viele Unternehmen, die sich eigentlich in einer kritischen Lage befanden, vorerst von der Insolvenz verschont blieben. Jetzt jedoch holen diese Effekte die Wirtschaft ein.
Was ist eine Insolvenz in Eigenverwaltung?
Bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung bleibt das Unternehmen unter der Leitung der bestehenden Geschäftsführung, anstatt durch einen Insolvenzverwalter geführt zu werden. Dies bedeutet, dass das Management den Sanierungsprozess aktiv steuern kann. Das ist in vielen Fällen von Vorteil, da das unternehmensspezifische Know-how erhalten bleibt. Wichtig ist jedoch, dass das Unternehmen im Vorfeld strenge Auflagen erfüllt, um dieses Verfahren nutzen zu können.
Laut der Insolvenzordnung (§ 270a InsO) muss das Unternehmen einen detaillierten Finanzplan vorlegen, der mindestens sechs Monate abdeckt. Dieser Plan muss zeigen, dass ausreichend Liquidität vorhanden ist, um die Kosten des Verfahrens sowie die Fortführung des Geschäftsbetriebs zu decken. Zudem ist ein schlüssiges Sanierungskonzept notwendig, das die geplanten Maßnahmen zur Restrukturierung des Unternehmens darlegt. In der Regel wird auch ein Insolvenzspezialist als Generalbevollmächtigter oder zusätzlicher Geschäftsführer in das Unternehmen geholt, um sicherzustellen, dass die insolvenzrechtlichen Pflichten korrekt erfüllt werden.
Die Vorteile der Eigenverwaltung
Einer der wesentlichen Vorteile der Insolvenz in Eigenverwaltung ist die Kontinuität im Management. Dies ist oft entscheidend, da die Geschäftsführung ein tiefes Verständnis für das Unternehmen, seine Abläufe und seine Kunden hat. Dieses Wissen kann dazu beitragen, den Betrieb erfolgreich zu restrukturieren und die Fortführung des Unternehmens zu sichern.
Wann ist das Verfahren sinnvoll?
Eine Insolvenz in Eigenverwaltung ist vor allem dann sinnvoll, wenn das Unternehmen noch über einen sanierungsfähigen Kern verfügt. In solchen Fällen besteht die Chance, dass das Unternehmen nach Überwindung der Krise wieder erfolgreich am Markt agieren kann. Doch es gibt auch Situationen, in denen eine Eigenverwaltung weniger ratsam ist, etwa wenn die Ursachen der Krise tiefgreifender sind und das Unternehmen keine realistischen Aussichten auf eine Erholung hat.
Der Ablauf einer Insolvenz in Eigenverwaltung
Der Prozess beginnt mit einem Insolvenzantrag, den das Unternehmen beim zuständigen Gericht einreicht. Das Gericht bestellt daraufhin einen vorläufigen Sachwalter, der als eine Art „Aufseher“ fungiert und das Verfahren überwacht. Während des Verfahrens wird ein Insolvenzplan erarbeitet, der festlegt, wie die Gläubiger ihre Forderungen anteilig erhalten und welche Maßnahmen zur Entschuldung des Unternehmens ergriffen werden. Sobald die Krisenursachen behoben sind und der Insolvenzplan erfolgreich umgesetzt wurde, wird das Verfahren abgeschlossen, und das Unternehmen kann wieder am Markt agieren.
Herausforderungen für betroffene Unternehmen
Unternehmen, die eine Insolvenz in Eigenverwaltung anstreben, sollten bereits im Vorfeld Maßnahmen ergreifen, um den Erfolg des Verfahrens sicherzustellen. Dazu gehört vor allem eine eingehende Analyse der Krisenursachen und die frühzeitige Einbindung von Experten mit Erfahrung im Bereich der Unternehmenssanierung. Wichtig ist auch, dass die Finanzierung des Unternehmens für die Dauer des Verfahrens gesichert ist, da dies eine zentrale Voraussetzung für die Genehmigung des Verfahrens durch das Gericht ist.
Darüber hinaus ist eine offene und transparente Kommunikation mit den Stakeholdern, insbesondere den Gläubigern, von entscheidender Bedeutung. Nur so kann Vertrauen aufgebaut und der Weg für eine erfolgreiche Sanierung geebnet werden.
Rechtsgültigkeit einer Insolvenz
Die offizielle Eröffnung einer Insolvenz erfolgt immer durch einen Beschluss des zuständigen Gerichts. Bereits mit der Antragstellung beginnt jedoch ein vorläufiges Verfahren, in dem geprüft wird, ob die Voraussetzungen für die Durchführung der Insolvenz erfüllt sind, insbesondere ob ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.
Die Erfolgsquote der Eigenverwaltung
Die Eigenverwaltung hat sich in vielen Fällen als erfolgreich erwiesen, da betroffene Unternehmen gezwungen sind, sich intensiv mit den Ursachen ihrer Krise auseinanderzusetzen. Dies führt oft dazu, dass frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Die Erfolgsquote ist daher vergleichsweise hoch.
Wirtschaftliche Fehlentscheidungen als Ursache für Insolvenzen
Insolvenzen sind häufig das Resultat wirtschaftlicher Fehlentscheidungen. Dies gilt nicht nur für bestimmte Branchen wie die Immobilienwirtschaft, sondern auch für andere Sektoren wie die Modeindustrie. Zwar kann Preisdruck, etwa durch Billiganbieter aus dem Ausland, ein wichtiger Faktor sein, doch häufig spielen auch andere Ursachen eine Rolle. Dazu gehören etwa eine überstürzte Expansion, das Versäumnis, auf neue Markttrends wie den Online-Handel zu reagieren, oder ein mangelnder Fokus auf den Markenkern des Unternehmens.
Tipps für Unternehmen in der Krise
Unternehmen, die einer Insolvenz entgehen wollen, sollten regelmäßig ihr Geschäftsmodell hinterfragen und offen für Veränderungen sein. Schnelles Reagieren auf Marktveränderungen und die Bereitschaft, Fehlentscheidungen zu korrigieren, sind entscheidend. Und selbst wenn eine Insolvenz unvermeidbar erscheint, gibt es oft Wege, das Unternehmen zu retten und erfolgreich neu aufzustellen. Wichtig ist, nicht aufzugeben und sich rechtzeitig Unterstützung durch Experten zu holen.