Der deutsche Klassiker der Nachfolgegestaltung – Vorteile und Nachteile
Ein Expertenbeitrag von Dr. Katja Rösch, Fachanwältin für Erbrecht & Testamentsvollstreckerin
Das Berliner Testament hat zwar große Vorteile im Hinblick auf Klarheit und Einfachheit. Vor allem ist es geeignet den Willen vieler Eheleute umzusetzen, dass nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten zunächst einmal alles „in der Hand“ des überlebenden Partners bleibt, damit eine oftmals konfliktträchtige Erbengemeinschaft mit den Kindern vermieden wird. Neben der Gefahr möglicher Pflichtteilsforderungen der quasi nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils „enterbten“ Kinder hat es auch ganz erhebliche steuerliche Nachteile. Die den Kindern eigentlich eingeräumten erbschaftssteuerlichen Freibeträge nach dem erstversterbenden Elternteil in Höhe von jeweils € 400.000 je Elternteil und Kind bleiben beim klassischen Berliner Testament ungenutzt, werden also praktisch verschenkt. Nach dem Tod des letztversterbenden Elternteiles reicht dann oftmals der dann noch vorhandene erbschaftssteuerliche Freibetrag in Höhe von € 400.000 nicht mehr aus. Gerade in Zeiten steigender Immobilienpreise nicht nur in Ballungsräumen und Toplagen, aber auch nach den neuen steuerlichen Bewertungsregelungen für Immobilien, die oft zu erheblich höheren steuerlichen Wertansätzen für Immobilien führen, kann das Berliner Testament dem Kind als Schlusserben unter Umständen „teuer zu stehen kommen.“
Ziel einer weitestgehenden Flexibilität
Andererseits möchten gerade viele Ehegatten sich in einem Testament noch nicht für die Zukunft festlegen, dass und was genau sie dem Kind bereits nach dem Tod des Erstversterbenden zukommen lassen möchten. Wunsch und Ziel ist es dem überlebenden Ehegatten möglichst weitgehende Freiheiten zu geben, auch mit der Prämisse den Partner erst einmal abzusichern und bestmöglich zu versorgen, bevor es an die Aufteilung des Vermögens geht. An dieser Stelle kann das sog. Supervermächtnis ein interessantes postmortales Gestaltungsinstrument sein.
Wie funktioniert das sog. Supervermächtnis?
Im Rahmen eines Berliner Testaments, in welchem sich die Ehegatten erst einmal gegenseitig als Alleinerben einsetzen, wird dem überlebenden Ehegatten die Befugnis eingeräumt, innerhalb eines im Testament vorab skizzierten und festgelegten Rahmens, nach dem Tod seines Partners das Vermächtnis auszugestalten und anderen Personen im Vermächtniswege etwas zukommen zu lassen. So kann dem überlebenden Ehegatten die Befugnis eingeräumt werden, aus einem im Testament definierten Kreis von möglichen Empfängern (z.B. den Kindern) zu bestimmen, welches Kind nach dem Tod des erstversterbenden Elternteiles etwas erhält. Er kann auch ermächtigt werden festzulegen in welcher Höhe das Kind etwas erhält oder in welcher Form (z.B. als Geldbetrag, Immobilie, usw.) Selbst der Zeitpunkt der Erfüllung dieses Vermächtnisses kann definiert werden.
Grundsatz der Höchstpersönlichkeit
Dem Supervermächtnis wurde lange Zeit entgegengehalten, dass es den Grundsatz der Höchstpersönlichkeit einer letztwilligen Verfügung entgegensteht, weil der Erblasser die Ausgestaltung seines letzten Willens nach seinem Tod an eine andere Person delegiert. Zwischenzeitlich wurde von der Rechtsprechung, jedenfalls bei richtiger Ausgestaltung, das Supervermächtnis als zulässiges postmortales Gestaltungsinstrument anerkannt. Wichtig für die Wirksamkeit bleibt, dass dem Grundsatz der Höchstpersönlichkeit dadurch Rechnung getragen wird, dass der Erblasser selbst in seinem Testament den Zweck definiert und den Rahmen skizziert, in welchem der überlebende Ehegatte nach billigem Ermessen Handlungs- und Ausgestaltungsbefugnis nach dem Tod seines Partners eingeräumt wird.
Fazit
In Summe kann das Supervermächtnis bei richtiger Gestaltung sicherstellen, dass einerseits die zweifelsohne bestehenden zivilrechtlichen und praktischen Vorteile des Berliner Testaments genutzt werden können und gleichzeitig die erbschaftssteuerlichen Freibeträge bestmöglich ausgenutzt werden können. Der große Vorteil liegt darin, dass die konkrete Ausgestaltung nicht fix zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, oft mit dem sprichwörtlichen „Blick in die Glaskugel“, erfolgen muss, sondern auf einen späteren Zeitpunkt verlagert werden kann, bei welchem die Vermögenssituation und auch die Versorgungssituation des überlebenden Ehegatten ebenso besser beurteilt werden kann, wie auch die persönlichen Verhältnisse bei den Kindern.