Im Todesfall geht das gesamte Vermögen des Verstorbenen auf den oder die Erben/-in über. Wieso dauert es trotz der gesetzlichen Regelungen mitunter sehr lange, bis die Erben auf die Konten des Erblassers zugreifen können?
Die Ursachen für solche Verzögerungen können vielfältig sein. Der Erbe muss sein Erbrecht gegenüber der Bank nachweisen, damit er auf die Konten des Erblassers Zugriff hat. Es kann aber einen längeren Zeitraum beanspruchen, bis der Erbe sein Erbrecht tatsächlich nachweisen kann. Der Nachweis, dass man Erbe geworden ist, wird grundsätzlich durch die Vorlage eines Erbscheins erbracht.
Wenn der Erblasser kein Testament oder keinen Erbvertrag errichtet hat, gilt die gesetzliche Erbfolge und ein Erbschein ist erforderlich. Der Erbe muss die entsprechenden Personenstandsurkunden beschaffen, wie zum Beispiel Geburts- und Heiratsurkunden, um sein Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser zu belegen. Bis in diesem Falle ein Erbschein erteilt wird, kann einige Zeit ins Land streichen. Hat der Erblasser zwar ein nicht eindeutiges Testament hinterlassen, woraus sich jedoch Auslegungsfragen ergeben, wird der Erbe einen Erbschein erst dann erlangen, wenn er ein streitiges Erbscheinverfahren oder sogar eine Erbenfeststellungsklage durchgeführt hat. Auslegungsfragen ergeben sich immer dann, wenn der Erblasser seinen Willen im Testament nicht klar niedergeschrieben hat. Wenn sich um Auslegungsfragen gestritten wird, kann dies Monate oder Jahre dauern, bis der Erbe einen Erbschein erhält und auf Konten zugreifen kann.
Banken sind aber auch grundsätzlich zurückhaltend. Die Erfahrung zeigt, dass es selbst bei Vorliegen einer eindeutigen erbrechtlichen Situation, sei es auf Basis einer letztwilligen Verfügung oder aufgrund gesetzlicher Erbfolge, mitunter sehr lange dauern kann, bis die Legitimation als Erbe gegenüber Banken gelingt und der Kontozugriff möglich ist.
Oftmals handeln Banken aus Angst vor Fehlern und den daraus folgenden haftungsrechtlichen Konsequenzen lieber gar nicht. Dies wiederum ist auf eine häufig unzureichende Kenntnis der Rechtslage zurückzuführen.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass gegenüber der Bank ein Erbschein ausnahmsweise dann nicht erforderlich ist, wenn ein handschriftliches Testament nebst Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichtes vorgelegt wird, wobei das Testament eindeutig und nicht auslegungsbedürftig zu sein hat. Auch dies wird von Banken immer noch häufig ignoriert. Erst nach einem Anwaltsschreiben wird der Kontozugriff für die Erben zugelassen.
Besonders lange könnte es dann dauern, wenn die Bank einen Erbschein verlangt. Wo genau lässt sich dieser Schein beantragen und was bescheinigt er genau?
Ein Erbschein ist bei dem Amtsgericht als Nachlassgericht zu beantragen, wo der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
In einem Erbschein – einem amtlichen Zeugnis des zuständigen Nachlassgerichtes – wird beurkundet, wer Erbe des Verstorbenen geworden ist. Er dient dazu, dass sich der Erbe gegenüber Dritten (Banken, Kreditinstituten, Grundbuchämtern etc.) als Erbe ausweisen und legitimieren kann. Wichtig ist, dass der Erbschein den Rechtsverkehr schützen soll und insofern lediglich eine deklaratorische Wirkung entfaltet. Das bedeutet, dass ihm keine Aussagekraft über die materielle Rechtslage zukommt und das Vorhandensein eines Erbscheines nicht ausschließt, dass eine andere Erbfolge vor Gericht geltend gemacht werden kann.
Für den Antrag werden verschiedene Dokumente als Nachweis der dargelegten Erbfolge, wie der Personalausweis des Antragstellers, die Sterbe – und Geburtsurkunden bzw. letztwillige Verfügungen von Todes wegen sowie eine eidesstattliche Versicherung darüber, dass die Angaben im Antrag richtig sind, benötigt. Sollten in diesem Stadium bereits Unklarheiten (z.B. mehrere, sich widersprechende Testamente, auslegungsbedürftiges Testament oder ungültiges Testament) vorhanden sein, empfiehlt sich fachanwaltliche Unterstützung.
Vorsorge- und Generalvollmacht werden oft synonym genannt, da es sich juristisch eigentlich um das gleiche Dokument handelt. Können Sie uns erklären, wo der Unterschied zwischen Vorsorge- und Generalvollmacht liegt?
Eine Generalvollmacht ermöglicht dem Bevollmächtigten unmittelbar mit Aushändigung der Vollmacht die Vertretung des Vollmachtgebers, also demjenigen, der die Vollmacht ausstellt. Dieser kann in der Vollmacht den Umfang der Vertretungsbefugnis festlegen und die Aufgaben des Bevollmächtigten konkretisieren.
Eine Vorsorgevollmacht hingegen soll erst dann zum Einsatz kommen, wenn der Vollmachtgeber aufgrund von körperlicher oder psychischer Krankheit nicht mehr in der Lage ist, seine Interessen wahrzunehmen.
Zwar kann der Bevollmächtigte den Vollmachtgeber auch bei einer Vorsorgevollmacht sofort und vollumfänglich gegenüber jedermann vertreten. Das Tätigwerden des Bevollmächtigten ist im Innenverhältnis, also zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem, aber meist so festgelegt, dass der Bevollmächtigte erst dann handeln darf, wenn es der Vollmachtgeber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr kann.
Entgegen der landläufigen Meinung sind in einem solchen Fall nicht automatisch der Ehepartner oder andere Familienangehörige zur Vertretung berechtigt. Vielmehr muss dann, falls keine Vorsorgevollmacht erstellt worden ist, den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend ein gesetzlicher Betreuer bestellt werden. Wegen der damit verbundenen hohen Kosten und der Handlungsunfähigkeit bis zur Bestellung eines gesetzlichen Betreuers sollte unbedingt durch eine Vorsorgevollmacht vorgesorgt werden.
Erfahrungsgemäß ist es praktikabel, eine General– und Vorsorgevollmacht mit sofortiger Gültigkeit in einem zu erteilen.
Hintergrund dieser Empfehlung ist, dass es in der Praxis häufig schwierig ist, den Zeitpunkt der Geschäftsunfähigkeit darzulegen. Es ist nicht vorhersehbar, ob Dritte (Banken, Kreditinstitute, Behörden etc.) beispielsweise ein einfaches ärztliches Attest als ausreichenden Nachweis der Geschäftsunfähigkeit ansehen. Diesbezügliche Schwierigkeiten verhindern somit die sofortige Handlungsfähigkeit des Bevollmächtigten. Um das Risiko des Missbrauchs zu minimieren, sollte die Wahl der Bevollmächtigten sorgfältig erfolgen. Darüber hinaus sollte in der Vollmacht festgelegt werden, dass das Original zur Vertretung vorgelegt werden muss. Das Original sollte dann an einem sicheren Ort aufbewahrt werden. Im Übrigen ist der Bevollmächtigte dadurch geschützt, dass er die Vollmacht jederzeit widerrufen kann.
Eine weitere Möglichkeit, die Erbenstellung gegenüber der Bank nachzuweisen, ist die Vorlage eines eröffneten Testaments. Welche Vor- und Nachteile hat das klassische Testament?
Neben den offensichtlichen Erleichterungen, die die Vorlage eines eröffneten Testamentes im Rechtsverkehr mit sich bringt, hat ein Testament eine Reihe von Vorteilen. Diese kommen aber nur dann zum Tragen, wenn das Testament juristisch eindeutig und formwirksam errichtet wurde. In erster Linie ermöglicht ein Testament dem Erblasser, seine Wünsche, Werte und Interessen im Zusammenhang mit seinem Nachlass rechtsverbindlich festzulegen. Hierbei kann ein gut durchdachtes Testament vor allem den Familienfrieden wahren und Erbstreitigkeiten vermeiden. Hierbei kann die eigene finanzielle Zukunft auch zugunsten der nächsten Generation unter familiären, emotionalen, rechtlichen sowie steuerrechtlichen Aspekten auf ein solides Fundament gestellt werden. Dies vermittelt dem Erblasser ein Gefühl von Sicherheit und einen gewissen inneren Frieden.
Nachteile eines Testaments sind nur dann zu erblicken, wenn der Erblasser bei der Gestaltung auf fachkundigen Rat verzichtet und der letzte Wille aus Formgründen oder wegen fehlerhaften Formulierungen nicht umgesetzt werden kann. Fehlerhafte Formulierungen erfolgen ja nicht absichtlich. Diese ergeben sich aber unter anderem aus mehrdeutigen Anordnungen, über die sich dann im Todesfall gestritten wird.
Darüber hinaus kann ein Testament nachteilhaft sein, wenn nach der Errichtung eines Testamentes nicht auf wirtschaftliche, persönliche oder familiäre Veränderungen und Entwicklungen reagiert wird und keine Änderungen oder Ergänzungen des Testamentes vorgenommen werden. Testamente sollten in gewissen Abständen überprüft werden: will ich jetzt immer noch das, was ich damals im Testament wollte? Auch bei gemeinschaftlichen Testamenten ist zu berücksichtigen, dass gewisse Spielräume für den überlebenden Ehegatten gewährt werden sollten, wenn dies gewünscht wird. Dies muss im Testament festgelegt werden. Ansonsten ist der überlebende Ehegatte an das alte Testament gebunden, was womöglich gar nicht mehr der Interessenlage entspricht.
Wer weiß, dass er Erbe ist, muss einiges regeln. Was sollte man als Erbe unverzüglich tun?
Richtig ist, dass die Erbenstellung nicht nur mit Rechten, sondern auch mit einer Reihe von Pflichten verbunden ist. Als Erbe muss ich mir vorstellen, dass ich rechtlich in die Fußstapfen des Verstorbenen trete und alles regeln muss, was dieser nun nicht mehr regeln kann. Unmittelbar nachdem jemand von seiner Erbenstellung erfahren hat, sollte er sich einen Überblick über den Vermögensumfang und sämtlicher Rechtsbeziehungen des Erblassers verschaffen. Sollte sich herausstellen, dass der Nachlass überschuldet ist oder das Erbe aus anderen Gründen nicht angetreten werden soll, ist die sechswöchige Frist ab Kenntnis der Erbenstellung zur Ausschlagung des Erbes zu beachten. In diesem Zusammenhang steht zunächst die Frage im Vordergrund, wie man sich gegenüber Dritten (Banken, Versicherungen, Grundbuchämter etc.) als Erbe legitimiert. Wenn diese Frage geklärt ist, sollte je nach Vermögenszusammenstellung ein Handlungsplan erstellt werden: Welche Verträge müssen gekündigt werden, gibt es Forderungen, die beglichen werden müssen, gibt es Immobilien, sodass das Grundbuch umgeschrieben werden muss? etc. Ich erlebe häufig, dass sich Erben nach dem Erbfall in einem derartigen emotionalen Ausnahmezustand befinden, sodass sie nicht in der Lage sind, den Nachlass systematisch abzuwickeln.
In diesen Fällen kann juristischer, fachkundiger Rat und anwaltliche Unterstützung bei der Nachlassabwicklung nicht nur aus haftungsrechtlicher Sicht wichtig sein, sondern dem Erben auch eine organisatorische und psychische Last von den Schultern nehmen.
Herr Benden, vielen Dank für das Interview.