Warum ist der Anlagehorizont bei pensionierten Anlegern oder Ruheständlern meistens ein komplett anderer als bei jüngeren Anlegern?
Samy Soyah: Diese Einschätzung kann ich so nicht uneingeschränkt teilen. Grundsätzlich entscheidet die Vermögensstruktur über den Anlagehorizont – egal ob es sich um eine „normale“ Ruhestandsplanung oder die für Ruheständler oder Pensionäre handelt. Im Rahmen dieser Analyse teilen wir Vermögenswerte grob in Segmente auf. Welche Teile des Vermögens werden zum Beispiel für die eigene Versorgung benötigt? Diese unterteilen wir dann nochmals in lebenslange ratierliche Zahlungsströme. Nicht zu vergessen das Kapital, dass für die Erfüllung persönlicher Wünsche, Reisen zum Beispiel, verfügbar sein muss. Zudem sollten die Vermögensteile definiert werden, die in die nächste Generation übertragen werden, denn diese Frage ist für diese Zielgruppe besonders präsent. Bei der Wahl der Anlageklasse entscheidet daher im Wesentlichen, wie lang der/die Anlegende auf den jeweiligen Anlagebetrag verzichten kann.
Warum wirken sich im Alter Börsenschwankungen oft verheerender aus?
Samy Soyah: Dies hängt mit den Besonderheiten des Aktienhandels zusammen. Wird beispielsweise ein Auszahlplan mit monatlichen Zahlungen aus einem Aktienfonds gestaltet, erwartet man auch eine Auszahlung in Euro und nicht eine bestimmte Anzahl von Fondsanteilen. Bei schwachen Kursen kann dann, bei der Auszahlung einer festen Summe, die Anzahl der Fondsanteile deutlich schneller reduziert bzw. das Vermögen schneller aufgezehrt werden. Nicht nur der Verkauf von unerwartet mehr Fondsanteilen bei schwachen Kursen stellt ein Problem dar. Auch die Tatsache, dass bei Kurserholungen nach einer Schwächephase weniger Anteile zur Verfügung stehen, die Erträge oder Kursgewinne erzielen können, fällt hier ins Gewicht. Daher ziehen Anlagen in Aktien im „Worst Case“ eine „Strudelwirkung“ im Ruhestandsvermögen nach sich, was wiederum durchaus – je nach Gesamtvermögensgröße – ein signifikantes Risiko sein kann.
Welche Aktien/Aktientypen eignen sich besonders als Investment für die ältere Generation?
Samy Soyah: Ich empfehle in diesem Fall, auch unerfahrenen Einsteigern, in die Anlageklasse „Aktieninvestment“ in Fonds zu investieren, denn das Risiko der Anlage in einer Einzelaktie ist um ein Vielfaches höher. Im Aktienfonds investiert der/die Anleger/in ebenfalls in Aktien, aber eben in einer viel größeren Streuung. In dieser Anlageklasse ist es wichtig den Zusammenhang zwischen Gewinn- und Verlustrisiko zu kennen und zu beachten. Allerdings steht gerade bei älteren Anlegern und Anlegerinnen die Risikominimierung in Vordergrund. Grundsätzlich würde ich keinem unerfahren Anleger ein Direktinvestment in Aktien empfehlen, vollkommen unabhängig vom Alter. Bei der Direktanlage sollte der Anleger gut informiert sein und vor allem Interesse an den gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen haben.
Risikoreiche Anlagen sollten also im Alter vermieden oder reduziert werden. Warum sollten Rentner/innen auf Aktien jedoch nicht verzichten? Was spricht für diese Investmentform?
Samy Soyah: Sind Vermögensstruktur, Liquiditätsbedarf, Risikobedürfnisse und die Wünsche zur Vermögensübertragung definiert, könnte es Sinn machen – mit professioneller Unterstützung – einen Teil der Vermögenswerte in ertragreicheren Anlagen zu investieren.
Viele Pensionäre und Rentner in Deutschland legen ihr Geld nicht in Aktien an. Besteht ein Aufklärungsbedarf, damit die Chancen besser verteilt werden?
Samy Soyah: Wir sprechen dieser Tage gern über „Financial Education“ und schauen dabei auf Berufseinsteiger oder auch schon auf Oberstufenschüler der Gymnasien. Ich behaupte aber, dass auch die „Best Ager“ ab dem 50. Lebensjahr, „Financial Education“ dringend benötigen. Diese Generation kommt aus der Zeit, in der man mit festverzinslichen Anlagen Zinsen erzielen konnte – und das gefühlt ohne Risiko. Diese Zeiten sind längst passé und diese goldenen Zinszeiten werden so schnell nicht wiederkommen. Daher ist es wichtig die Asset-Klasse „Aktienfonds“ zu erläutern und Ängste zu nehmen. In den Köpfen der Rentnergenration wird diese Form der Anlage oft mit Argwohn und Sorge betrachtet. Dieser Einstellung gilt es mit Aufklärung zu begegnen.