Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Weber: Es gibt keinen signifikanten Performanceunterschied

Interview mit Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Weber
Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Weber ist Senior-Professor an der Fakultät für Betriebswirtschafslehre der Universität Mannheim und Geschäftsführer der Prof. Weber GmbH. Er forscht über alle Aspekte des Behavioral Finance und des Anlagemanagements.

In 2007 verfasste Martin Weber mit Mitarbeitern seines Lehrstuhls den wissenschaftlich fundierten Börsenratgeber „Genial Einfach Investieren“, der im Oktober 2007 vom Manager Magazin als das meist verkaufte Buch des Jahres für die Geldanlage ausgewiesen wurde. Im April 2020 veröffentlichte er mit Kollegen das Buch „Die genial einfache Vermögensstrategie“. Die beiden von ihm mitgegründeten Fonds “Arero – Der Weltfonds“ und „Arero – Der Weltfonds Nachhaltig“ haben zusammen zur Zeit rund eine Milliarde Assets under Management.

Er ist Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sowie im Vorstand der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaftslehre.  

Welche Investitionen sind umweltfreundlich und was zählt zu nachhaltigen Geldanlagen?

Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Weber: Nachhaltigkeit wird in der Finanzindustrie prinzipiell durch das ESG-Konzept operationalisiert. ESG steht für Environment, Social und Governance, also die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Innerhalb dieser Bereiche werden Anlagen evaluiert, um sagen zu können, wie nachhaltig sie sind. Eine allgemeingültige Definition umweltfreundlicher oder nachhaltiger Investitionen gibt es meiner Meinung nach aber dennoch nicht. Der zentrale Grund dafür ist, dass es keine objektive Maßzahl gibt, anhand derer man zum Beispiel sagen könnte, dass Aktie A umweltfreundlicher ist als Aktie B. Was in der Praxis gemacht wird, ist, möglichst objektiv messbare Kriterien aus den drei ESG-Bereichen zu definieren, die Performance von Unternehmen in diesen Kriterien zu messen und die Werte der einzelnen Kriterien dann in einer vorgegebenen Art und Weise zu kombinieren, um zu einem Gesamtergebnis zu kommen. Dabei sieht man, was eine allgemeingültige Definition nachhaltiger Investitionen verhindert: Zunächst liegt bereits die Auswahl der Kriterien im Ermessen des Bewerters. Weiterhin ist auch nicht klar, wie ein gegebenes Kriterium gemessen werden sollte. Wie misst man beispielsweise Arbeitsplatzqualität: anhand von Befragungen der Mitarbeiter, am Mitarbeiterdurchsatz oder an der Anzahl arbeitsrechtlicher Klagen? Schließlich ist es auch Ermessenssache, wie die einzelnen Kriterien zu einem Gesamtrating kombiniert werden sollten. Ist der Energieverbrauch eines Unternehmens doppelt so wichtig wie seine Abfallproduktion, gleich wichtig oder nur halb so wichtig? Aufgrund dieser Freiheitsgrade kommen unterschiedliche Bewerter bei der gleichen Anlage auch oft zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich dessen Nachhaltigkeit.

Der Umweltgedanke wird in vielen Bereichen immer wichtiger. Welche Rolle spielt der Klimaschutz bei Geldanlagen?

Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Weber: Auch bei Geldanlagen achten Investoren zunehmend auf Aspekte der Nachhaltigkeit wie den Klimaschutz. Was eine Studie der Forscher Arno Riedl und Pauk Smeets (2017) suggeriert, ist, dass die Motivation dafür nicht in monetären Gründen besteht, sondern in sozialen Präferenzen. Menschen, die mehr Wert auf Fairness legten, wiesen in dieser Studie eine höhere Wahrscheinlichkeit auf, in nachhaltige Anlagen zu investieren. Weiterhin haben die Wissenschaftler Jędrzej Białkowski und Laura Starks (2016) gezeigt, dass die Anleger nachhaltiger Fonds weniger sensibel sind, was die Performance ihrer Fonds angeht. Wenn ihr Fonds einmal nicht so gut performt, bleiben sie eher investiert als die Anleger klassischer Fonds, welche dazu neigen, ihr Geld schneller abzuziehen, wenn der Fonds Verluste macht.

Wie wird das Thema Nachhaltigkeit in der Finanzbranche behandelt?

Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Weber: Darauf, dass sich die Nachhaltigkeit einer Anlage bei vielen Investoren als zentrales Entscheidungskriterium neben Risiko und Rendite herausgebildet hat, reagiert die Finanzindustrie und bietet mittlerweile zahlreiche Fonds an, die dieses Entscheidungskriterium in ihren Anlageprozess integrieren. Zum einen wird bei diesen Fonds darauf geachtet, dass sich die Unternehmen, in die der Fonds investiert, möglichst mit den Nachhaltigkeitspräferenzen seiner Investoren decken. Zum anderen werden Aspekte des Klimawandels oftmals in die Risikoevaluation einer Anlage integriert. Weiterhin setzen sich viele Fondsanbieter als Interessensvertreter ihrer Anleger dafür ein, dass ökologische und soziale Belange in Unternehmen gefördert werden. Das erreichen Fondsmanager zum Beispiel in der Kommunikation mit Entscheidungsträgern in Unternehmen oder auf Hauptversammlungen, auf denen sie ihr Stimmrechtsmandat für die Unterstützung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik nutzen.

Wie rentabel und sicher sind nachhaltige Geldanlagen im Vergleich zu klassischen Kapitalanlagen?

Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Weber: Theoretisch gibt es in effizienten Märkten keinen Grund, warum nachhaltige Anlagen besser oder schlechter performen sollten als klassische Anlagen. Der fundamentale Grundsatz lautet immer noch, dass man mit einer Anlage mehr Risiko auf sich nehmen muss, um mit ihr auch eine höhere Rendite zu erzielen. Das gilt genauso für nachhaltige Anlagen im Vergleich mit nicht-nachhaltigen. Praktisch legt eine ausgewogene Betrachtung der zahlreichen empirischen Studien zu diesem Thema nahe, dass es in der Tat keinen signifikanten Performanceunterschied zwischen nachhaltigen und klassischen Anlagen gibt.

Was steckt hinter dem FNG-Siegel und für wie sinnvoll halten Sie diese Zertifizierung?

Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Weber: FNG bezeichnet das „Forum Nachhaltige Geldanlagen“, welches Mitglieder aus der Finanzindustrie, Wissenschaft und Zivilgesellschaft repräsentiert. Das FNG-Siegel soll ähnlich wie ein Fair-Trade Siegel zu einer einfachen Erkennbarkeit nachhaltiger Geldanalagen beitragen. Wie oben angesprochen, bin ich der Meinung, dass die Einstufung der Nachhaltigkeit einer Anlage zu großen Teilen Ermessenssache ist. Das FNG ist mit dieser Ambiguität bei seinem Siegel so umgegangen, dass es den Bewertungsprozess im Dialog zahlreicher Akteure mit unterschiedlichen Perspektiven erarbeitet hat. Die Siegelvergabe wird zudem von einem unabhängigen Komitee überwacht, in dem u.a. Anleger und NGOs repräsentiert sind. Ich denke zwar immer noch, dass es keine objektiv korrekte Klassifizierung nachhaltiger Anlagen geben kann, aber am Ende des Tages müssen sich Anleger, die Wert auf Nachhaltigkeit legen, auf die eine oder andere Klassifizierung verlassen. In diesem Sinne begrüße ich eine Zertifizierung, die auf diverse Sichtweisen setzt und im Dialog verschiedener Parteien entstanden ist.

Herr Weber, vielen Dank für das Gespräch!

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