Pascal Holz: Verpfändung von Altersvorsorgeverträgen ist eine Möglichkeit

Interview mit Pascal Holz
Pascal Holz ist Sachverständiger für Kapitalanlagen bei Finanzkontor in Dinslaken. Mit ihm sprechen wir über schlechte Auftragslage, teilweise komplett geschlossene Branchenzweige sowie Auswirkungen auf die Spareinlagen.

Corona hat für Kurzarbeit, eine schlechte Auftragslage und teils komplett geschlossene Branchenzweige gesorgt, zudem zahlt der Staat die Hilfen häufig zu spät. Glauben Sie diese Faktoren werden Auswirkungen auf die Spareinlagen der Deutschen haben?

Pascal Holz: Selbstverständlich werden diese Faktoren Auswirkungen auf die Spareinlagen haben, wenn auch nur geringe. Die Zahl der Erwerbstätigen ist im 1. Quartal 2021 auf 44,36 Mio. zurückgegangen. Das sind gegenüber dem Vorjahresquartal rund 700.000 Erwerbstätige weniger. Hauptsächlich betroffen sind Geringverdiener, kurzfristig Beschäftigte und Selbständige. Das ist in jedem Einzelfall schlimm, hat aber nur geringe Auswirkungen auf die Sparquote, da diese Gruppen auch schon vor der Krise häufig wenig Möglichkeiten hatten, Geld zurückzulegen.

Können Sie in Ihrem Beratungsalltag feststellen, dass Menschen häufiger Altersvorsorge- bzw. Investmentprodukte kündigen, weil sie möglicherweise Liquidität benötigen?

Pascal Holz: Nicht in Masse. Zum Glück handelt es sich bisher nur um Einzelfälle. Diese Einzelfälle zu begleiten ist aber hart, da in diesen Fällen ganzen Familien plötzlich die Existenzgrundlage entzogen wurde.

Gehen wir davon aus, dass es ein Fehler ist, Altverträge aufgrund zu kündigen?

Pascal Holz: Natürlich ist das ein Fehler. Schließlich betrifft das häufig Selbständige und Freiberufler, die ohnehin keine sonderlich auskömmliche Rente haben. Das rächt sich dann natürlich im Alter doppelt. Aber häufig stehen dem einfach existenzielle Zwänge entgegen. Da war der Staat in der Krise keine große Hilfe.

Welche Alternativen gibt es, um an Barmittel zu gelangen, z.B. die Verpfändung von Verträgen?

Pascal Holz: Die Verpfändung von Altersvorsorgeverträgen ist eine Möglichkeit. Da diese heute aber sehr häufig fondsgebunden sind, gelten niedrige Beleihungsgrenzen von 50% – 60% des Policenwertes. Das ist natürlich nicht sonderlich attraktiv.

Eine andere Möglichkeit besteht in der Kapitalbeschaffung über eine Immobilie. Aber auch hier müssen die Rahmenbedingungen passen.

Verträge von Bank- und Versicherungsprodukten sind kompliziert. Was können Versicherungsnehmer und Investoren tun, um einen Überblick zu erhalten und wo erhalten Sie den richtigen Ansprechpartner?

Pascal Holz: Die absolute Grundlage ist: Man muss sich für sein Geld interessieren. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Leute sich mit der Anschaffung eines Toasters für 30 € länger beschäftigen als mit dem Angebot einer Altersvorsorge, einer Geldanlage oder einer Absicherung des Arbeitseinkommens. Sobald man anfängt, sich dafür zu interessieren, trifft man bessere Entscheidungen. Außerdem ist man in der Lage, einen Experten zu suchen und ihm die richtigen Fragen zu stellen, da man nun den Dunning-Kruger-Effekt überwunden hat („So eine Wohngebäudeversicherung kann doch nicht so schwer sein. Das mache ich eben selbst im Internet. Wie, was ist denn grobe Fahrlässigkeit? Ach, wird schon nicht so wichtig sein.“). Denn wenn der Kunde einen Versicherungs- oder Geldanlagevertrag abschließt, akzeptiert er die Bedingungen der jeweiligen Gesellschaft, in denen geregelt ist, wer wann wo und wie leistet. Diese Bedingungen kann der Kunde entweder selbst lesen und zu verstehen versuchen, oder er überlässt das einem Experten, der das für ihn tut. Und da kommen wieder die Basics ins Spiel: Wenn der Kunde nämlich weder Interesse noch Ahnung hat, haben Scharlatane leichtes Spiel. Wer aber weder selbst Bedingungen wälzt noch einen Experten aufsucht, der geht bei jedem Vertragsabschluss eine ziemlich teure Wette ein, dass er unter Hunderten von Anbietern und Tarifen durch Zufall genau einen für ihn passenden gefunden hat.

Lebensversicherungen, Aktien oder fondsgebundene Rentenversicherungen: die Liste an Angeboten ist lang. Wie schätzen Sie Lage nach Corona für den privaten Altersvorsorge Markt ein? Werden weniger Menschen oder mehr Menschen privat vorsorgen und vor allem wie?

Pascal Holz: Nötig wäre es. Die durchschnittliche Lebenserwartung nimmt immer weiter zu, und damit kommt die Politik nicht umhin, die Rente anzupassen. Entweder, indem die Rente gekürzt oder die Lebensarbeitszeit verlängert wird. Also müssen die Menschen privat vorsorgen. Momentan sehe ich jeden Tag, dass versucht wird, über eine selbstgenutzte Immobilie Altersvorsorge zu betreiben. Nur: Die zahlt natürlich auch keine Rente. Sinnvoll ist es daher, die Altersvorsorge wie einen Baum wachsen zu lassen: Den Stamm bilden die gesetzliche Rente und die Absicherung des Einkommens. Vom Stamm gehen dann die verschiedenen Äste ab: betriebliche Altersvorsorge, Aktien und Investmentfonds, eigengenutzte und vermietete Immobilien, Rentenversicherungen, usw. Auf diese Weise können Sie den für Sie optimalen und individuellen Vorsorgebaum wachsen lassen.

Herr Holz, vielen Dank für das Gespräch!

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