Menschliche Finanzberatung vs. KI – Ist der Finanzberater ersetzbar?

Interview mit Mirko Fischer
Die künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch und macht vor keiner Branche Halt. So kann man selbst mit KI ganze Anlagestrategien entwickeln, immense Mengen an Daten verarbeiten sowie Prognosen erstellen lassen und vieles mehr. Doch ist eine Investmentberatung mithilfe der KI tatsächlich vorteilhafter als die klassische Vermögensberatung durch Menschen? Können KI-basierte Tools diese erfahrenen menschlichen Berater ersetzen oder fließt bei der Finanzberatung mehr als „nur“ Daten, Fakten und Prognosen mit ein? Das und einiges mehr erläutert uns heute Mirko Fischer. Als unabhängiger Finanzberater und Gesellschafter der Fina Saxonia GmbH in Dresden kann er uns diese und weitere Fragen zur künstlichen Intelligenz in der Finanzberater-Branche beantworten. 

Welche Vorteile bietet menschliche Finanzberatung im Vergleich zur Verwendung von KI-basierten Tools für die langfristige Vermögensplanung?

Ich denke, dass die menschliche Beratung – auch unabhängig vom Thema Finanzen – wesentlich emotionaler geprägt ist und auf ganz andere Inhalte des Kunden eingehen kann. Wie kommt ein Kunde emotional mit bestimmten Empfehlungen klar? Wie überzeugt ist er von den empfohlenen Produkten? Diese Reaktionen, welche man im persönlichen Kontakt mit den Kunden erleben kann, hat (aktuell) ein KI basiertes Tool nicht. Diese Reaktionen sind aus meiner Sicht jedoch für die Nachhaltigkeit von Investmententscheidungen wichtig. Entscheidungen, welche mit weniger Überzeugung getroffen werden, können bei ungünstiger Perfomance schnell gecancelt werden und zu Unzufriedenheiten führen. Hier ist die menschliche Beratung, welche vor allem auf Vertrauen basiert, oft wesentlich nachhaltiger und eine ungünstige Performance wird dann auch einmal ausgesessen, wenn es Sinn macht. Ebenso führt das Vertrauen in den Berater oft zu mehr innerer Ruhe beim Anleger, da man sich hier auch immer wieder rückversichern kann, sich Dinge erklären lassen kann, warum bestimmte Entwicklungen so sind wie sie sind. Dies ist bei einem menschlichen Berater oft individueller als im Rahmen einer KI-Steuerung.

Inwieweit kann KI die Effizienz und Genauigkeit der Vermögensverwaltung im Vergleich zur traditionellen Finanzberatung steigern?

Der große Vorteil von Technik im Allgemeinen liegt in der schnellen und umfassenden Analyse von Daten. Dank KI sind hier auch entsprechende Verknüpfungen und auch Handlungsempfehlungen möglich. Dies ermöglicht zum Beispiel eine effiziente Analyse von Depotbeständen in Verbindung mit konkreten Handlungsempfehlungen und entsprechenden Begründungen. Aufgrund der mittlerweile sehr umfangreichen Investitionsmöglichkeiten von mehreren tausend Produkten, ist hier eine entsprechend KI basierte Unterstützung extrem hilfreich und effizient. Ein traditioneller Ansatz ist hier m.E. sogar gar nicht mehr mit entsprechender Qualität umsetzbar.

Glauben Sie, dass menschliche Berater besser in der Lage sind, persönliche Finanzziele und Risikotoleranz zu berücksichtigen, als KI-Systeme?

Zunächst hängt es davon ab, wie und in welcher Form der Berater bzw. die KI die Ziele definiert und herausarbeitet. Während KI hier oft sehr eingeschränkt und schematisch unterwegs ist, kann ein menschlicher Berater besser „zwischen den Zeilen“ lesen und agieren, tiefer und konkreter nachfragen. So sind viele schematische Antworten, die ein Anleger vielleicht einer KI gegenüber gibt, oft in unterschiedlichen Ebenen und Dimensionen zu betrachten. 

Auch die Risikodefinition ist sehr individuell. Hier stellt man regelmäßig die Herausforderung fest, wie genau definiert sich diese für den einzelnen Anleger, also was versteht der Anleger im Einzelnen unter Risiko, bzw. welche Risikoaspekte sind ihm besonders wichtig. Daher denke ich, das hier die menschliche Sensibilität und das Verständnis für den Anleger aktuell durch KI noch nicht entsprechend abgebildet werden kann.

Welche Rolle spielt das persönliche Vertrauen in einen menschlichen Finanzberater im Vergleich zur Vertrauenswürdigkeit von KI-basierten Anwendungen bei der Vermögensverwaltung?

Ich denke, dass die jeweiligen Vertrauensdefinitionen auf einer unterschiedlichen Basis aufgebaut sind. Das Vertrauen in einen Berater liegt vor allem in seiner Erfahrung in dem Thema, beim Investieren womöglich auch in der emotionalen Erfahrung z.B. im Umgang mit Krisen. Das Vertrauen in die KI besteht vor allem in das Vertrauen in Datenbanken, Statistiken und entsprechende Verknüpfungen. Dieses Vertrauen basiert auf einem Fehlen des Faktors Emotion bei Anlageentscheidungen. Die Frage, die der Anleger für sich beantworten muss, ist, ob der Markt, in den er investieren möchte, ein eher emotionaler Markt ist oder dieser Markt sehr auf rationalen Entscheidungen basiert, so kann man beispielsweise bei Trendfolgemodellen vermutlich eher auf eine KI setzen, da diese Modelle sehr datenbasiert sind.

Wie kann die Kombination von menschlicher Expertise und KI-Technologie optimal genutzt werden, um Vermögen aufzubauen und finanzielle Ziele zu erreichen?

Eine optimale Verbindung besteht in meinen Augen vor allem in der permanenten Analyse des Marktes durch die KI und die damit verbundene Zur-Verfügung-Stellung von entsprechenden Informationen und möglichen Handlungsempfehlungen. Allerdings basieren diese oft auf eher statischen Auswertungen der Daten. Um dem Kunden eine emotionale Handlungs- und Investitionsidee zu geben, ist oft eine Transformation in eine Investmentstory notwendig, diese verankert beim Kunden oft ein nachhaltigeres Investmentgefühl und sichert auch in volatilen Märkten ein stabileres Investment, es sei denn, ein Switchen ist aus Investmentsicht sinnvoll.

Herr Fischer, vielen Dank für das interessante Interview.

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