Die Idee der Altersvorsorgepflicht für Selbstständige ist nicht neu. Was halten Sie davon?
Jörg Kintzel: Nichts! Auch wenn es mein persönliches Anliegen ist, die Altersarmut zu bekämpfen und Gesellschaftern wie auch Geschäftsführern die bestmöglichen Wege der Versorgung mit Hilfe unseres Tochterunternehmens Valuniq Pension Consulting GmbH bereitzustellen. Deutschland darf kein Land der Zwänge werden, sondern sollte wieder viel stärker als das Land der Möglichkeiten sichtbar werden. Kein Unternehmer*in möchte im Alter mit leeren Händen dastehen. Eine Verpflichtung zur Vorsorge ist jedoch keine Lösung, um eine Veränderung herbeizuführen. Vielmehr sollte bereits in der Schule und spätestens in der Universität Unternehmertum fest verankert sein. Und auch die steuerliche Beratung und Rechtsberatung muss anders aufgestellt sein, hinkt sie im internationalen Vergleich hinterher, weil sie zu vergangenheitsorientiert ist statt zukunftsweisend. Ansätze wären: Die Bildungsinhalte der nächsten Generation stärker an der tatsächlichen Praxis auszurichten, Beratungshonorare für die genannten Rechtsberater stärker zu öffnen und Anreize für Mittelstand bis hin zum Kleinunternehmer zu setzen. Obwohl es interessante Optionen mit der betrieblichen Altersvorsorge für Unternehmer gibt, ist bspw. das Finanzamt bei der Prüfung gängiger Wege vollständig überfordert, denn nicht alle Prüfer kennen optionale Wege. Das führt leider zu unnötigen Diskussionen, Verschwendung von Steuergeldern und löst am Ende auch noch unberechtigte Angst bei Unternehmern aus. Ich sagte schon, eine Verpflichtung bringt rein gar nichts, außer das Verständnis für die nachfolgende Generation, überhaupt den Schritt in die FREIE Marktwirtschaft zu gehen.
Selbstständige bezahlen deutlich höhere Beiträge an die Kranken- und Pflegeversicherung als Arbeitnehmer mit vergleichbarem Einkommen. Woran liegt das?
Jörg Kintzel: Dieser Aussage kann ich nicht pauschal zustimmen. Wenn das zutreffend wäre, verfügt der Berater über einen falschen Sach- und Informationsstand. Das entspricht nicht der aktuellen und tatsächlichen Ist-Situation. Was richtig ist, ist, dass leider mehrere Einkommensarten bei Selbstständigen beitragspflichtig sind und dass kein „Arbeitgeber“ die Hälfte der Beitragszahlungen übernimmt. Die Selbstständigkeit ist jedoch auch eine bewusste Entscheidung des Einzelnen.
Wenn die Altersvorsorgepflicht auch auf Selbstständige ausgeweitet wird: Was bedeutet das für Solo-Selbstständige?
Jörg Kintzel: Wie bereits erwähnt: Eine derartige Pflicht kann ganz oft gar nicht erfüllt werden. Das liegt zum einen daran, dass die Beratungsbranche jungen und alteingesessenen Solo- Selbstständigen zu wenig zukunftsweisende Vorschläge bietet. Zum anderen steckt der/die Unternehmer*in in administrativen Aufgaben fest und kann seiner eigentlichen Aufgabe, das Unternehmen weiterzuentwickeln und am Markt zu positionieren, nicht nachkommen. Leider ist die Konsequenz daraus, dass durch eine solche Pflicht eine Reihe von zukünftigen Unternehmern den Schritt in die, ich sage es noch einmal FREIE Markwirtschaft, nicht mehr bereit sind zu gehen. Und das wäre fatal. Unser Ziel muss daher eher Ermutigung und Befähigung in Richtung Unternehmertum sein, damit Unternehmer*innen im Alter weniger Probleme haben.
Wie soll die Altersvorsorgepflicht ausgestaltet, wie vorgesorgt werden?
Jörg Kintzel: Auch hier muss ich mich wiederholen: Eine Verpflichtung ist der falsche Weg. Ich frage mich, sind hier Theoretiker oder Praktiker an Bord? In der Praxis wäre ein solcher Vorschlag so nicht umsetzbar.
Was wären die Alternativen dazu? Ein gemeinsamer Rententopf für Angestellte und Selbständige?
Jörg Kintzel: Nein, denke ich nicht. Das aktuelle Rentensystem befindet sich aufgrund der demographischen Gegebenheiten in einer großen Schieflage. Kurzfristig würden zwar mehr Beitragszahler das System etwas gerader richten, doch dadurch kann die grundsätzliche Schieflage nicht korrigiert werden. Da die demographische Entwicklung sich relativ gut vorhersagen lässt und sich das Problem in den nächsten drei Generationen hoffentlich erholen wird, wäre ein gemeinsamer Rententopf nichts anderes als eine zeitliche Querfinanzierung auf den Schultern von den Menschen, die bereits freiwillig mehr Verantwortung übernehmen und Deutschland durch Arbeitsplätze sowie Steuereinkünfte hoch halten. Etwas in diese Richtung überhaupt fordern zu müssen bei unserem Fortschritt, ist eine Armutsbekundung. Es fehlt schlicht der Weitblick und das Verständnis. Die verantwortlichen Politiker*innen unseres Landes ruhen sich zu sehr auf der Vergangenheit aus und fordern immer mehr ein, statt ein neues zukunftsfähigeres System zu entwickeln. Wenn wir die heutige Situation betrachten, mit den Möglichkeiten der BAV, den unterschiedlichen Optionen für Unternehmer*innen und der Rechtssicherheit beim Thema Kapitalaufbau, ist dieses Land mehr als gut aufgestellt. Dieses Bild sollten Politiker und Berater der breiten Masse auch einfach und verständlich vermitteln, statt immer zu jammern. Damit das so bleibt oder besser wird, sollte sichergestellt sein, dass Regulierungsbehörden wie bspw. Finanzämter über bestehende Gesetzeslagen so informiert sind, dass es nicht zu Missverständnissen mit gravierenden Falschentscheidungen kommt durch fehlendes Wissen. Um Ressourcen zu schonen und Falschentscheidungen im Vorfeld zu vermeiden, braucht es mehr Experten an diesen Stellen. Dann werden wir langfristig noch besser aufgestellt sein und die Zukunft sichern.