Gold gilt als sicherer Hafen in Krisenzeiten. Zu Recht?
Gold liefert auch in Krisenzeiten nicht immer jede Lösung für alle Probleme. Es gibt jedoch empirisch betrachtet keine Anlageklasse, die mit so hoher Wahrscheinlichkeit dazu beiträgt, dass Anleger viele Arten von Krisen glimpflich, teilweise sogar schadlos oder gar komfortabel überstehen.
Dabei kommt es natürlich auf die Umstände im Einzelnen an, und auch wenn Gold schon in sehr vielen Krisen in der Wirtschaftsgeschichte ein sehr gut funktionierender Risikopuffer war, steigt man doch bekanntlich nicht zweimal in denselben Fluss.
Mit Blick auf die Wolken, die in Form von drastischer Geldmengenausweitung der meisten Zentralbanken und schlechtem Zustand der Staatsfinanzen in vielen wichtigen Volkswirtschaften bereits am Himmel sind und aus denen bspw. in Form von Inflation sogar bereits die ersten Blitze schlagen, dürfte Gold in den wahrscheinlichsten Krisenszenarien der näheren Zukunft durchaus geeignet sein, um einen sicheren Hafen für das Geld von Anlegern darzustellen.
Der Goldpreis ist nahe am historischen Hoch. Ist aktuell der richtige Zeitpunkt zum Einstieg?
Dass der Goldpreis nahe am historischen Hoch ist, ist richtig, aber ein typisches Beispiel für die berühmte „halbe Wahrheit“.
Ein Teil der anderen Hälfte besteht aus der Feststellung, dass sich der Goldpreis in der Größenordnung befindet, die er auch schon vor über zehn Jahren während der damaligen Banken-/Finanz-/Währungskrise erreicht hatte.
Seitdem haben Staaten und Zentralbanken bekanntlich diverse „Rettungsmaßnahmen“ in verschiedene Richtungen unternommen, die praktisch weltweit dazu geführt haben, dass sich die Geldmenge bzw. die Zentralbankbilanzen in einem Ausmaß ausgeweitet haben, das in dieser Höhe und in dieser Geschwindigkeit für die meisten Menschen, auch für wirtschaftlich durchaus gebildete Menschen, vor zwanzig Jahren wohl für kaum möglich gehalten worden wäre.
In der Folge haben wir eine extreme sogenannte „asset price inflation“ gesehen, insbesondere die erheblichen Anstiege von Immobilienpreisen und Aktienkursen dürfte den allermeisten Menschen hinlänglich bekannt sein. Im Vergleich zu Währungen wie Dollar oder mehr noch Euro mag Gold also nahe am historischen Hoch sein, aber Währungen haben als Maßstab nun einmal an Wert verloren. Gemessen an Tauschverhältnissen zu Immobilien oder Aktien ist es nicht historisch hoch bewertet, hier ist das Gegenteil der Fall.
Dementsprechend ist auch die Rendite der letzten zehn Jahre bei Gold nicht hoch, was bei einer Vervielfachung der Geldmenge eher erstaunlich ist. Für potenzielle Einsteiger gilt also durchaus: Wer noch kein Gold hat, für den ist der Zug noch nicht abgefahren. Dass auch für Goldinvestments gilt, dass man die kurzfristigen Preisentwicklungen nicht vorhersagen kann und deshalb einen langen Atem mitbringen sollte, versteht sich von selbst. Aber das gilt für alle Anlageklassen, und es spricht einiges dafür, dass Gold zu haben zwar Risiken birgt, kein Gold zu haben aber derzeit wohl noch mehr.
Finden Sie ist Gold geeignet für eine Altersvorsorge?
Ja! Ohne an dieser Stelle allzu sehr ins Detail gehen zu wollen: Für Sparer, die noch in der Aufbauphase ihrer Altersvorsorge sind, ist eine höhere Goldquote tragbarer als für Menschen, die bereits von ihrem Alterskapital zehren. Aber auch letztere haben oft mit Blick auf ihre Lebenserwartung zumindest für einen Teil ihres Gesamtvermögens noch beachtliche Anlagezeiträume, so dass Preisschwankungen nicht zu Notverkäufen führen müssen. Angesichts der Alternativen, insbesondere angesichts der nach wie vor beachtlichen und eher steigenden Risiken bei den ehemals als „sicher“ geltenden Anlageklassen (die „sichere Seite“ gibt es schlicht und einfach nicht mehr) macht Gold bei der Altersvorsorge praktisch immer Sinn, die Goldquote im Gesamtportfolio ist hingegen eine Frage des Einzelfalls. Das Verhältnis von Risiko und Rendite ist bei Gold (als einer von mehreren Vermögensbausteinen) absolut altersvorsorgetauglich.
Neben Gold ist auch Silber ein beliebtes Edelmetall. Worin unterscheiden sich die Investments?
Zum einen ist Gold so werthaltig, dass sich ein Recycling viel mehr lohnt als beim Silber, weshalb auch eine Redensart lautet, dass Gold im Tresor und Silber im Abfalleimer landet. Das bereitet denjenigen, die die Wertaufbewahrungsfunktion von Edelmetallen nutzen möchten, teilweise schon praktische Probleme, denn Silber wird bei wachsendem Vermögen schnell schwer, was seine Verbringung von einen Ort an den anderen buchstäblich erschweren kann. Aber auch wer diesen „Mobilitätsaspekt“ irrelevant findet, muss wissen, dass Gold in erster Linie ein Anlagemetall ist, während Silber zwar auch Anlagemetall, andererseits aber in hohem Umfang ein Industriemetall ist. Damit wird die Wertentwicklung von Silber u.a. durch die industrielle Nachfrage, also durch die Konjunktur und durch seine mögliche Substituierbarkeit, beeinflusst. Das kann man positiv sehen, weil es dem Anleger die Möglichkeit gibt, auch innerhalb seines Edelmetallanteils am Gesamtvermögen zu diversifizieren.
Wenn alle Stricke reißen, spricht aber einiges dafür, dass Gold die bessere Krisenabsicherung bietet.
Der Silberpreis folgt in der Regel dem Goldpreis. Ist Silber derzeit unterbewertet oder Gold überbewertet?
Ketzerische Gegenfrage: Können nicht beide Edelmetalle über- oder unterbewertet sein, nur in unterschiedlichem Ausmaß?
Dass Gold überbewertet ist, habe ja eingangs bereits als eher unwahrscheinlich beschrieben. Dementsprechend wäre die Schlussfolgerung, dass Silber unterbewertet ist. Auf die Preisrelationen in der Vergangenheit würde ich allerdings nicht zu viel Augenmerk legen. Wer sich auf Krisen vorbereiten möchte, die über die aktuelle Inflation hinaus aus den Staatshaushalten oder aus einem noch mehr als derzeit stattfindendem Währungsverfall resultieren, muss damit rechnen, dass sich die Schere zwischen Gold- und Silberpreis nicht unbedingt schließt. Mangels der berühmten Glaskugel ist es aber sicherlich nicht unvernünftig, den Diversifikationseffekt zu nutzen und beide genannten Edelmetalle zu kombinieren.
Welche Möglichkeiten haben private Anleger in Edelmetalle zu investieren?
In aller Kürze: Der Hauptunterschied ist, ob man physische Edelmetalle erwirbt oder irgendeine Form von Forderung, die sich zwar am Goldpreis bemisst, aber eben kein Eigentum (ggfs. Miteigentum) an physischen Edelmetallen darstellt. Für eher spekulative Anleger, die ggfs. sogar traden möchten, macht der physische Erwerb wegen seiner Transaktionskosten auch im günstigsten Fall kaum Sinn. Wer allerdings eine krisenfeste Anlageform sucht, wird die Transaktionskosten als Preis für die Sicherheit verbuchen, dass sein Edelmetall auch wirklich da ist, wenn er es braucht und kein Schuldner ausgerechnet in der Krise besonders liquide sein muss, um es ihm und anderen, die es auch haben wollen, zu liefern oder auszuzahlen.
Angesichts einer gewissen Regulationswut, die wir jetzt schon beobachten, die aber bei Regierungen in Krisenzonen auch sprunghaft noch weiter ansteigen kann, ist es durchaus überlegenswert, einen Teil seines Edelmetalls in einem Wirtschafts- und Rechtsraum zu lagern, der sich vorsichtig ausgedrückt als stabiler und zuverlässiger erwiesen hat als die Eurozone. Kapitalverkehrsbeschränkungen haben wir in der Eurozone bereits als Krisenmaßnahme erlebt, viele Südeuropäer haben diese Erfahrung bereits hinter sich. Wer in einer möglicherweise neu eskalierenden Euro-Krise nicht nur auf die Anlageklasse „Edelmetalle“ als solche setzen möchte, sondern auch einen höchstwahrscheinlich stabilen Finanzplatz und einen wohl auch besseren Rechtsraum für sein mobiles Kapital wählen möchte, für den liegt die Schweiz buchstäblich nahe.
Physische Edelmetalle in einer Schweizer Lagerstätte sollte eine besonders krisenfeste Kombination sein.
Man soll ja immer das Risiko streuen, die Konjunkturprojekte erhöhen ja gerade auch die Liquidität am Markt. Wie sehen Sie mittel- und langfristig die Entwicklung von Gold?
Wer einen mittel- bis langfristigen Anlagehorizont hat, ist meines Ermessens gut beraten, wenn er einen signifikanten Anteil seines Vermögens in Gold investiert. Das gilt, angesichts der eingangs erwähnten Preisentwicklung der letzten Jahre, derzeit nicht weniger, sondern mehr als sonst.
Dabei rede ich nicht von der Größenordnung von „5% bis 15%“, die lange gerne irgendwie als Faustformel herhalten musste, sondern angesichts der Mischung aus währungspolitischen, haushaltspolitischen und konjunkturellen Risiken in vielen Teilen der Welt und in der Eurozone ganz besonders, von deutlich mehr.
Herr Jungbluth, vielen Dank für das Interview.