Aus Sicht eines Vermögensverwalters: Wie haben Sie das letzte Börsenbeben vor wenigen Monaten erlebt?
Sven Scherner: Trotz steigender Corona-Infektionszahlen in Asien hatte man in Europa und Amerika noch bis zum Februar geglaubt, dass der Virus eher ein lokales Thema in China wäre und nicht die Kraft hätte, die ganze Weltwirtschaft zu beeinflussen. Deshalb traf die Erkenntnis, dass der Virus nicht an Grenzen Halt macht und die Maßnahmen im Zuge der weltweiten Ausbreitung doch die Weltwirtschaft stark in Mitleidenschaft ziehen könnte, die Kapitalmärkte in Ihrer starken Aufwärtsbewegung seit dem Jahresbeginn weitestgehend unvorbereitet. In dieser Zeit sind wir sehr aktiv in Telefongesprächen und Emails auf unsere Kunden zugegangen, um Ihnen das aktuelle Marktgeschehen, die Wertentwicklung in den Depots und unsere Sicht zum Kapitalmarkt zu erläutern. Meist schätzten die Kunden den Rückgang in ihren Depots viel negativer ein und waren dann positiv überrascht, dass sich das Vermögen sich relativ stabil gehalten hat. Zusammenfassend kann man sagen, dass wir vorher sicherlich noch nie ein solches Quartal hatten in dem wir viele Telefonate geführt und so intensive Gespräche geführt haben wie im März und April. Oftmals ging es in den Kundengesprächen auch nicht nur um die Lage an den Kapitalmärkten, sondern auch um die einzelnen Einschränkungen und möglichen gesellschaftlichen Veränderungen, die mit den Lock-Down Maßnahmen verbunden waren, sind und sich zukünftig entwickeln könnten. Erfreulicherweise konnten wir in dieser Zeit sogar viele Kunden gewinnen, die die Kapitalmarktsituation als günstigen Einstiegszeitpunkt sahen oder gerade in dieser Phase sich von ihren bisherigen Ansprechpartnern in Finanzfragen nicht individuell betreut fühlten.
Und die drauffolgende Rallye?
Sven Scherner: Zugegeben betrachten wir die Schnelligkeit der Gegenbewegung sehr ambivalent. Zum einen flutet das viele Geld der Zentralbanken die Kapitalmärkte, was zu steigenden Kursen insbesondere in den Aktienmärkten geführt hat. Jedoch bedarf es hier eines genauen Blickes auf die einzelnen Märkte und Branchen. Denn die Erholung der Indizes wird oftmals von wenigen Werten aus einzelnen Branchen getragen (bspw. Technologietitel und Gesundheit). Deshalb haben wir in dieser Phase vermehrt gezielt in bestimmte Branchen investiert und sogenannte zyklische Branchen, die länger an den Auswirkungen der Pandemie leiden könnten (z.B. Automobile und Touristik) gemieden. Wir halten aber auch weiterhin Liquidität, um bei einer möglichen Korrektur weiter zu investieren.
Man kann sagen dieses Ereignis war nicht gewöhnlich. Wie schätzen Sie die Langzeitwirkung ein?
Sven Scherner: Mit der Sichtweise eines Vermögensverwalters ist es noch wichtiger geworden eine breite Diversifikation von verschiedenen Anlageklassen in seinem Vermögen aufzubauen. Auch wird der Wunsch nach nachhaltigen und gleichzeitig robusten Geldanlagen bei unseren Kunden immer häufiger geäußert. Uns bereitet jedoch Sorge, dass durch die weiterhin anhaltende Niedrigzinsphase die Altersversorgung vieler Bundesbürger zu traditionell aufgestellt ist und auch ein Großteil der klassischen Kapitalversicherungen es unter diesen Rahmenbedingungen nicht schaffen kann, die Inflationsrate auszugleichen.
Was sind die Assetklassen, die Sie ihren Kunden empfehlen?
Sven Scherner: Unsere Vermögensverwaltung zeichnete sich schon immer durch eine sehr breite Streuung auf verschiedene Anlageklassen aus. Je nach finanzieller Risikobereitschaft empfehlen wir eine Struktur aus Aktien, Anleihen, Immobilien, Edelmetallen und „besonderen“ Assetklassen. Darunter fallen beispielsweise Wandelanleihen, die eine aktienmarktähnliche Rendite bei einer deutlich geringeren Schwankungsbreite aufweisen. Ergänzt wird die Depotstruktur durch Anlagen in Mikrofinanzierung und sogenannten Katastrophenanleihen.
Wie hoch ist die durchschnittliche Rendite, die Ihre Investoren erwirtschaften?
Sven Scherner: In unserer ausgewogenen Strategie haben wir in den letzten Jahren ca. fünf Prozent pro Jahr nach Kosten erwirtschaftet. Die konservative Strategie weist ca. drei Prozent p.a. und die chancenorientierte Strategie ca. sieben Prozent p.a. auf. Wichtig dabei ist, dass die Rendite stets im Zusammenhang mit dem eingegangenen Risiko/Schwankungsbreite betrachtet wird. Unter Berücksichtigung dieser und weiterer Aspekte wurde unsere Vermögensverwaltung das zweite Mal in Folge von der Zeitschrift Capital ausgezeichnet.
Welche Assetklassen werden Ihrer Meinung nach in Zukunft besonders interessant sein?
Sven Scherner: Wir sind der Meinung, dass unter Risikominimierung eine breite Streuung über die verschiedene Anlageklassen unerlässlich ist. Jedoch dienen bspw. Staatsanleihen von Industrieländern nicht mehr als Renditequelle für einen regelmäßigen Ertrag. Weiterhin sollte in Unternehmen investiert werden, die sich insbesondere in Krisen durch eine hohe Widerstandsfähigkeit und Qualität der Bilanzen auszeichnen. Das kann in Form von Aktien aber auch Anleihen geschehen. Je nach Wirtschafts- und Inflationsentwicklung kann auch die gezielte Beimischung von sogenannten seltenen Erden und Edelmetallen sinnvoll sein.
Investoren können auch eigenständig Aktien kaufen oder in Rohstoffe investieren. Was sind die wesentlichen Vorteile einer Vermögensverwaltungsgesellschaft?
Sven Scherner: Neben dem Vorteil der Zusammenarbeit mit einen Partner, der ausschließlich auf Honorarbasis berät und sich nicht aus (z.T.) versteckten Provisionen zu Lasten der Kunden refinanziert, bietet die unabhängige Vermögensverwaltung einen Zugang zu Anlageinstrumenten, die vielen Privatinvestoren nicht möglich ist. Denn ein Vermögensverwalter fungiert als institutioneller Anleger am Kapitalmarkt. Insbesondere die daraus entstehenden Kostenvorteile geben wir an unsere Kunden weiter. Unser Selbstverständnis als Vermögensverwalter ist aber viel mehr als nur die aktuelle Betrachtung des Wertpapierdepots. Und das Portfoliomanagement für das liquide Vermögen stellt immer nur ein Puzzleteil im Gesamtbild des Kunden dar. Denn die Strukturierung von Wertpapierdepots ist doch kein reiner Selbstzweck. Das wirkliche Vermögen und die Anlageziele des Kunden werden oftmals erst als Gesamtbild deutlich, welches durch eine gesamthafte Finanzplanung aufgezeigt werden kann. Beispielsweise kann die Risikoausrichtung eines Depots und die daraus zu erwartende Rendite – bei dem Kundenziel der Sicherung der Altersversorgung – höher sein, wenn die sonstigen Ruhestandseinnahmen überwiegend bereits aus dem Bereich von klassischen Altersrentenversicherungen und der gesetzlichen Rente oder aus Vermietungseinkünften stammen. Außerdem ist die Frage zu klären, ob die höchste Rendite einen Nutzen erzielt, wenn im Notfall (schwere Krankheit oder Berufsunfähigkeit), im Erbfall oder für Kredittilgungen bzw. Investitionen das Vermögen ggf. auch unter Zeitdruck liquidiert werden muss. Erst die Abstimmung aller vorhandenen und prognostizierbaren zukünftigen Vermögensentwicklungen erlaubt einen Beraterhinweis darauf, wieviel Rendite im Depot benötigt wird und wieviel Schwankungen im Zeitverlauf vertretbar sind.