Dipl.-Pol. Volkmar H. Haegele: Geld anlegen ist ein Teil des nachhaltigen Konsumierens

Interview mit Volkmar H. Haegele
Dipl.-Pol. Volkmar H. Haegele ist Fachberater für Finanzdienstleistungen bei grün vorsorgen. Mit ihm sprechen wir über umweltfreundliche Investitionen, den Umweltgedanken sowie Nachhaltigkeit in der Finanzbranche.

Welche Investitionen sind umweltfreundlich, und was zählt zu nachhaltigen Geldanlagen?

Dipl.-Pol. Volkmar H. Haegele: Jede Investition, die der Natur und dem Klimaschutz hilft, ist umweltfreundlich – Geld anlegen ist ein Teil des nachhaltigen Konsumierens. Wir stellen unserer Kundschaft immer die Frage nach der ökologischen Wirksamkeit ihrer Investition (impact investing). Ein anderer, schwächerer Ansatz ist, über Ausschlusskriterien festzulegen, wo nicht investiert werden soll. Heute können Sie je nach Risikoaffinität in fast jeder Assetklasse am Markt inzwischen mehr oder weniger ökologisch wirksame Geldanlagen finden. Sie sollten jedoch beachten, dass sehr viele Finanzprodukte mehr versprechen als sie halten, denn eine vollständige Transparenz ist selten. Man braucht viel Zeit, Kenntnis und Erfahrung – und vor allem eine klare Vorstellung, was man mit seiner Investition für die Umwelt bewirken möchte.

Der Umweltgedanke wird in vielen Bereichen immer wichtiger. Welche Rolle spielt der Klimaschutz bei Geldanlagen?

Dipl.-Pol. Volkmar H. Haegele: Der Klimaschutz spielt bei der Geldanlage zunehmend eine mitentscheidende Rolle – investieren doch Banken, Kapitalanlagegesellschaften und Versicherungen jährlich Hunderte Milliarden Euro aus Geldanlagen und Versicherungsprämien ihrer Kundschaft. Die Lenkungs- und Hebelfunktion von Geld ist immens. Ich beschäftige mich nun schon seit über 17 Jahren damit, wie man mit seinem Geld grün vorsorgen und Positives bewirken kann. Es ist bis heute sehr schwierig, soziale und ökologisch wirksame Geldanlagen mit individueller Risikoaffinität in Einklang zu bringen. Nicht ohne Grund liegen allein in Deutschland anscheinend fast 8 Billionen Euro auf „sicheren“ Konten – bewirken dort jedoch fast nichts für den Klimaschutz. Obwohl viele Menschen inzwischen erkannt haben, dass es eine Klimakrise gibt, betreibt die Mehrheit immer noch business as usual. Die Chance, durch klimafreundliches Investieren nicht nur den Klimaschutz aktiv zu unterstützen, sondern auch attraktiv Vermögen aufzubauen, wird noch zu selten erkannt.

Wie wird das Thema Nachhaltigkeit in der Finanzbranche behandelt?

Dipl.-Pol. Volkmar H. Haegele: Inzwischen steht das Thema gefühlt an oberster Stelle – nur wird der Begriff in der Finanzbranche oftmals nicht richtig verstanden. Es vergeht kein Tag, an dem nicht eine Schlagzeile verkündet, welcher Produktgeber oder welcher Investmentfonds jetzt nachhaltig ist (oder schon immer gewesen sein soll). Problem ist, dass die Begriffe „Nachhaltigkeit“ oder „nachhaltige Geldanlagen“ nicht einheitlich definiert sind. Aufgrund des Mangels an Informationen und klaren Aussagen sowie Standards in den Verkaufsprospekten und ähnlichem ist es nicht einfach, nachhaltige Investments zu identifizieren. Die Gefahr von „Greenwashing“ ist daher sehr erheblich. Hinzu kommt neben der Unkenntnis die überwiegend fehlende intrinsische Motivation, da Führungskräfte, Stakeholder und auch die Kundschaft Gewinne sehen wollen. Diesem kurzfristigen Gewinnstreben stehen jedoch zunehmend Klima- und Umweltkatastrophen oder Reputationsrisiken gegenüber, die langfristig nachteilig sind. Und der Druck steigt – auch durch den Gesetzgeber: Im März 2021 ist die Offenlegungsverordnung in Kraft getreten, 2022 folgt die Einführung der Taxonomie-Verordnung. Beide sind Teil des EU-Aktionsplans für ein nachhaltiges und (zumindest gewünschtes) transparenteres Finanzwesen, mit dem unter anderem die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden sollen. Wollen wir in und mit der Finanzbranche wirkungsvoll soziale und ökologische Nachhaltigkeit innerhalb des wirtschaftlichen Transformationsprozesses durchsetzen, müssen jedoch unbedingt einheitliche Definitionen her.

Wie rentabel und sicher sind nachhaltige Geldanlagen im Vergleich zu klassischen Kapitalanlagen?

Dipl.-Pol. Volkmar H. Haegele: Was ist eine „klassische“ Kapitalanlage? Investitionen in Rüstungsunternehmen und die Kohleindustrie oder Missachtung von Kinderrechten? Nachhaltige Geldanlagen gibt es in fast jeder Assetklasse, nur dass diese sozialer und umweltfreundlicher sein sollen – denn bei „nachhaltig“ spielt neben dem ökonomischen Kriterium auch die soziale und ökologische Wirkung eine entscheidende Rolle. Der Frage nach der „Rentabilität“ stelle ich gerne die Frage nach den Nachhaltigkeitsrisiken gegenüber: Wenn ich jetzt zu Lasten der Umwelt und von Menschenrechten investiere, um schnell mein Kapital zu vermehren, welche Kosten durch die Folgen der Klimakrise, durch Hunger, Armut oder Kriege – auch in indirekter Form durch höhere Steuern zur Finanzierung gesellschaftlicher Verpflichtungen – kommen dann zukünftig auf mich zu? Bin ich bereit, diese zu tragen – auch, wenn dies bedeutet, dass meine Kinder in einer ungesünderen Umgebung aufwachsen? Daher stellen auch Sie sich bitte immer zunächst die Frage nach der ökologischen und/oder sozialen Wirksamkeit ihrer Investition, nicht nach der Rendite oder vermeintlicher Sicherheit. Denn je nach individueller Risikoaffinität finden Sie inzwischen auch inflationssichere und finanziell sehr attraktive Geldanlagen, die sozial und/oder ökologisch Positives bewirken können.

Was steckt hinter dem FNG-Siegel und für wie sinnvoll halten Sie diese Zertifizierung?

Dipl.-Pol. Volkmar H. Haegele: Der Verein Forum Nachhaltiger Geldanlagen e.V. (FNG) ist ein Fachverband für Nachhaltige Geldanlagen, der nach eigenen Aussagen über 200 Mitglieder, darunter Banken, Kapitalanlagegesellschaften, Rating-Agenturen, Finanzberater, wissenschaftliche Einrichtungen und Privatmitglieder repräsentiert. Das FNG-Siegel zeichnet jährlich nachhaltige Investmentfonds aus. Daneben gibt es noch das ecoreporter-Siegel, das neben diversen nachhaltigen Finanzprodukten auch die Anbieter unter die Lupe nimmt. Jedes dieser Siegel bietet (temporär) anlegenden und beratenden Personen einen sinnvollen Anhalt, ersetzt jedoch nicht die persönliche Verantwortung, sich neben den Finanzprodukten auch die Anbieter genauer anzusehen. Da auch Rating-Agenturen Geld verdienen müssen und eher selten zum selben Ergebnis kommen, empfehle ich immer, sich neben den öffentlich einsehbaren Geschäfts- und Produktberichten auch über Facing Finance e.V. und urgewald e.V. Hintergrundinformationen einzuholen.

Herr Haegele, vielen Dank für das Gespräch!

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