Die Schuldenkrise wird von den Notenbanken bekämpft, indem die Märkte mit Geld geflutet werden. Wie stehen Sie zu diesem Thema?
Dr. Thorsten Polleit: Das ungedeckte Papiergeldsystem ist in Schieflage, die Volkswirtschaften sind heillos überschuldet. Mit Null- und Negativzinsen und dem Vermehren der Geldmengen wird der Systemkollaps gerade noch so verhindert. Das Papiergeld-Problem wird dadurch aber nur übertüncht, nicht gelöst. Die Entwertung von US-Dollar, Euro und Co. ist leider vorprogrammiert – entweder in Form von steigenden Konsumgüterpreisen oder steigenden Vermögenspreisen. Die Ursache des Geldwertschwunds sind die Zentralbanken, die Papiergeldproduzenten. Sie haben die ganze Misere erst heraufbeschworen.
Sachwerte werden gern als „Inflationsschutz“ oder Mittel gegen die Geldentwertung bezeichnet. Können Sie uns dies einmal am Beispiel Gold veranschaulichen?
Dr. Thorsten Polleit: Der Euro hat seit seiner Einführung 1999 bis heute etwa 30 Prozent seiner Kaufkraft, gemessen anhand der Konsumgüterpreise, eingebüßt. Legt man die Häuserpreise im Euroraum zugrunde, beläuft sich der Kaufkraftverlust des Euro auf 50 Prozent. Mit anderen Worten: Im Vergleich zum Jahr 1999 bekommen Sie heute für den gleichen Euro-Betrag nur noch ein halbes Haus. Der Goldpreis, in Euro gerechnet, ist im gleichen Zeitraum hingegen um 540 Prozent gestiegen – seine Kaufkraft hat also mächtig zugelegt. Ein steigender Goldpreis zeigt nichts anderes als die Abwertung des ungedeckten Papiergeldes gegenüber dem gelben Metall.
Was kostet eine Unze in der Herstellung?
Dr. Thorsten Polleit: Die Gesamtkosten bei der Goldförderung (man spricht hier von „All-in Sustaining Costs“) sind sehr unterschiedlich. Im ersten Quartal 2020 wurden sie industrieweit auf durchschnittlich 980 USD/oz geschätzt. Bei den kostengünstigsten Produzenten liegen die Kosten bei 650 USD/oz, teurere fördern für 1.500 USD/oz. Es sei hier angemerkt, dass die Produktionskosten des Goldes weder eine Preisuntergrenze noch eine Preisobergrenze für das gelbe Metall markieren. Der Goldpreis bildet sich durch Angebot und Nachfrage.
In welche Richtung entwickelt sich mittelfristig der Goldpreis?
Dr. Thorsten Polleit: Die Zentralbanken dies- und jenseits des Atlantiks weiten die Geldmengen immer weiter aus, und eine Abkehr von der Null- und Negativzinspolitik ist nicht absehbar. Unter diesen Bedingungen ist es sehr wahrscheinlich, dass der Goldpreis weiter ansteigt – und zwar nicht nur in US-Dollar, sondern in allen Währungen. Gold ist einer der ganz wenigen verbliebenen liquiden „sicheren Häfen“. Ich wäre nicht überrascht, wenn der Goldpreis in US-Dollar in der zweiten Hälfe des kommenden Jahres 2.500 USD/Feinunze übersteigt.
Manche schwören auf Goldsparpläne, andere auf den Kauf von Münzen und Barren beim Händler. Was würden Sie empfehlen?
Dr. Thorsten Polleit: Goldsparpläne sind eine komfortable Art, das Goldvermögen kontinuierlich im Zeitablauf aufzubauen. Gerade auch dann, wenn man kleinere Geldbeträge peu à peu in physisches Gold anlegen möchte. Grundsätzlich rate ich zum Kauf von physischem Gold in Form von Münzen und Gold, nicht von „Papiergold“, also Gold-Zertifikaten oder Gold-Fondsanteilen. Denn nur wer physisches Gold hält, der hat keine Kontrahenten- und Erfüllungsrisiken.
Gold kann man Zuhause in großen Mengen aus unterschiedlichen Gründen meist nicht Zuhause verstauen. Welche Orte empfehlen Sie?
Dr. Thorsten Polleit: Das Schließfach ist der richtige Ort für die Goldlagerung, vorzugsweise ein Schließfach außerhalb des Bankensektors. Wichtig ist, dass die Schließfächer höchste Sicherheitsstandards erfüllen, und dass man direkten Zugriff auf das Schließfach hat. Als Schließfachbesitzer sollte man einen Zugriffberechtigten benennen und einem Vertrauten den Aufbewahrungsort des Schließfachschlüssels bekannt machen. Es kann zudem ratsam sein, Schließfächer bei unterschiedlichen Anbietern beziehungsweise an verschiedenen Orten zu haben.