Die richtige Geldanlage wird immer schwieriger, ebenso wie die finanzielle Ruhestandsplanung. In welche Edelmetalle investieren die meisten Menschen eigentlich?
Arndt Kümpel: Vorab: Zu berücksichtigen ist für die Beantwortung der Frage, dass die Kultur, der sich Menschen zugehörig fühlen und nach deren Regeln sie leben, den Besitz und die Nutzung von Gold (und Silber) fördern oder hemmen kann. Deshalb ist es wichtig, die entsprechende Kultur als Optionsfilter individueller Wahlhandlungen zu verstehen und dies bei der Bewertung der Motive des Kaufes von Edelmetallen zu berücksichtigen.
Nimmt man die in Deutschland lebende Bevölkerung in Ermangelung kulturell-differenziernden Wissens als Maßstab, so zeigt etwa eine Erhebung des ,,Statista Research Department‘‘ vom Mai 2020 über die jeweiligen Vermögensanlagen
(https://de.statista.com/statistik/daten/studie/199639/umfrage/formen-der-geldanlage-der-deutschen/), dass 11 % der Befragten ,,netto Gold / Silber‘‘ besaßen, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. 8 % der Befragten gaben an, Goldmünzen oder Goldbarren zu besitzen, und 5 % bejahten den Besitz von Silbermünzen oder Silberbarren. Das bedeutet aber auch, dass 89 % der Befragten kein Gold oder Silber besitzen bzw. angaben, keines zu besitzen. Dies bedeutet: Die meisten Deutschen haben gar keine Edelmetalle. Wie realistisch diese Zahlen sind, weiß man aber ebenso wenig wie bei den Ergebnissen einer Umfrage danach, wie oft man Sex hat. Die jüngste Gold-Umfrage des ,,Research Center for Financial Services‘‘ der Steinbeis-Hochschule Berlin (CFin) im Auftrag der Reisebank unter rund 2.000 in Deutschland lebenden Befragten im Januar 2021 ergab nun, dass private Haushalte in Deutschland etwa 9.089 Tonnen an Gold (Schmuck und physische Anlagen) besaßen. (https://www.dasinvestment.com/pdf.php?id=61113)
Davon waren 5.194 Tonnen (57,1 %) physische Goldanlagen sowie 42,8 % Goldschmuck. Parallel dazu betrug der Goldbestand der Deutschen Bundesbank Ende 2020 rund 3.362 Tonnen. Der Besitz von Platin und Palladium spielt bei Privatpersonen als Vermögensanlage kaum eine Rolle, etwas größer ist die Rolle von Platin als Schmuck. Aufgrund der geringen Marktgröße ist diese allerdings von untergeordneter Bedeutung.
Wie wichtig können Edelmetalle für eine Ruhestandsplanung sein?
Arndt Kümpel: Ruhestandsplanung deutet als Ziel ein Verfügungsniveau von Vermögenswerten an, mit denen man seinen Lebensstandard in der Nicht-Erwerbsphase halten kann. Dazu ist ein Erhalt der Kaufkraft dieser Vermögenswerte zentral. Dieser ist aber grundsätzlich ungewiss. Hilfreich ist bei der verbleibenden Prognose unter Unsicherheit ein Blick auf die kurzen und langen Trends der historischen Wert-Entwicklung zur Verfügung stehender Vermögenswerte, nicht nur jene von Gold und Silber. Daraus ergibt sich dann sowohl eine absolute als auch eine relative Attraktivität von Gold und Silber als Vermögensanlage. Für Gold und Silber ergibt sich die Attraktivität vor allem aus ihrer Wert-Entwicklung in einer Fiat-Währung, die tendenziell abwertet und historisch bisher ohne Ausnahme wertlos wurde. Die Ausnahme, die heute aus dem Blick geraten ist, aber für 95 % der ökonomischen Geschichte gilt, ist die Zeit, in der Gold und Silber Geld waren. In dieser Zeit bemaß sich der Wert des Gold- und Silbergeldes nach seinem Gehalt an Gold und Silber.
Wer also in die Geschichte zurückschaut, findet dort gute Gründe für eine hohe Bedeutung von Edelmetallen, insbesondere für die Ruhestandsplanung. Und dies gilt in Deutschland nicht nur für die Hyperinflation 1923, sondern auch für alle danach durchgeführten Währungsreformen und Enteignungen, die einen ruhigen Ruhestand oftmals verhinderten.
Wann lohnt sich eine Gold- und wann eine Silberinvestition? Was ist in diesem Zusammenhang die Gold-Silber-Ratio?
Arndt Kümpel: Die Gold-Silber-Ratio zeigt, in welchem Wertverhältnis der Goldpreis und der Silberpreis in der gleichen Währung zueinanderstehen. Typischerweise drückt es aus, wie viele Unzen Silber man für eine Unze Gold erhält, wenn man den aktuellen Marktpreis zugrunde legt. Wann sich dabei ein Wechsel von Gold in Silber oder von Silber in Gold lohnt, hängt von mehreren Faktoren ab. Denn beide Edelmetalle reagieren nicht auf die gleichen Einflüsse gleich stark, was an der breiten industriellen Verwendung von Silber, aber auch an der anhaltenden Verwendung von Gold als Zentralbankreserve liegt. Zudem wird Gold und teilweise auch Silber in großen Kulturkreisen (Indien, Südostasien) anhaltend als monetäres Asset genutzt. Dort erfüllen Gold und Silber in unterschiedlichem Ausmaß traditionell (kulturell) Geldfunktionen. Die Nachfrage nach realem Geld bestimmt dann, ob sich der Erwerb von Gold eher lohnt als von Silber. Eine Investition in Gold und Silber als Investment-Asset kann unter Nutzung der Gold-Silber-Ratio (GSR) plausibel sein, wenn man eine Tendenz zur Rückkehr zum Durchschnittswert unterstellt. Dabei drückt ein höheres GSR ein relativ (in Gold betrachtet) unterbewertetes Silber aus und könnte ein Kaufargument für Silber sein. Der Durchschnittswert des GSR seit 1973, also kurz nach der Aufhebung der Goldbindung des US-Dollars, bis 2021 beträgt rund 61. Ein Wert darüber zeigt die relative Attraktivität von Silber im Vergleich zu Gold, ein Wert darunter die von Gold gegenüber Silber. Wann sich Gold und/ oder Silber als Investition lohnen, hängt allerdings weniger vom GSR ab, sondern von den Faktoren, die über den Wert von Gold und Silber in der Kaufwährung entscheiden. Die Abwertung des US-Dollars seit 1971 gegen Gold von 35 US-Dollar je Feinunze auf aktuell rund 1.800 US-Dollar und damit eine mehr als Verfünfzigfachung verdeutlicht eindrücklich den großen Einfluss der abwertenden Referenzwährung. Sie entspricht einer Abwertung des US-Dollars gegen Gold als Währung um 98,1 % in den vergangenen 50 Jahren! Zum Vergleich: Im August 1971 kostete eine Unze Silber etwa 1,50 Dollar, aktuell rund 24 US-Dollar. Silber hat sich also in den vergangenen 50 Jahren seit der Aufhebung der Goldbindung des US-Dollars mehr als versechzehnfacht und stieg damit nur rund ein Drittel so stark wie der Goldpreis in US-Dollar. Dies zeigt den relativen Wert des Fokus auf den GSR als Basis einer langfristigen Investitionsentscheidung. Gleichwohl beträgt die Abwertung des US-Dollars gegenüber Silber als Währung seit August 1971, dem Zeitpunkt der Aufhebung der Goldbindung des US-Dollars, 93,75 %!
Werden Edelmetalle weiterhin wertstabil bleiben. Was glauben Sie?
Arndt Kümpel: Wer der Wirtschaftsgeschichte eine Prognosekraft für die zukünftige Wertentwicklung von Gold und Silber zuschreibt, kann die ,,Lehren‘‘, die die Geschichte des Goldes und des Silbers als Geld bereithält, zu Rate ziehen. Wie bereits beschrieben bezieht sich die Frage der Wertstabilität von Gold und Silber immer auf eine Referenzwährung, die seit 1971 ausnahmslos weltweit Fiatwährungen (Fiat – aus dem Nichts geschaffen) sind.
Darum ist die Frage nach dem zukünftigen Wert von Gold und Silber primär eine Frage nach dem zukünftigen Wert der Referenzwährungen, in der der Preis für eine bestimmte Menge von Gold und Silber beschrieben wird. Die aktuelle Situation, in der die Menge der geschaffenen (digitalen) Referenzwährungen spätestens seit der Finanzkrise 2008/2009 explodiert ist, zeigt dabei das ,,Wertsteigerungspotenzial‘‘ von Gold und Silber.
Wertstabilität ist als Investmentstrategie kein attraktives Investmentziel, da man im Zuge der Investition Wertsteigerungen erwartet, für deren Realisierung man bereit ist, die damit verbundenen Investitionsrisiken einzugehen und für diese damit ,,entschädigt‘‘ wird.
Vor diesem Hintergrund ist unserer Ansicht nach eine verstärkte Aufwertung von realen Vermögenswerten, gemessen in der extrem gestiegenen Geldmenge, zu erwarten. Dieser Trend dürfte sich weiter beschleunigen, je stärker den Investoren die Wertverluste von Anlagealternativen wie Bargeld oder nominalen Finanzanlagen wie Anleihen bewusstwerden.Denn aktuell gibt es geldpolitisch kaum Aussicht auf steigende Zinsen, sondern nur sehr gute Aussichten auf steigende Inflationsraten!
Wo liegen die Risiken beim Investieren in Edelmetalle?
Arndt Kümpel: Die Risiken liegen wie bei allen Vermögensanlagen in einem relativ zu geringen Ertrag, in einer zu geringen Liquidität und in einer zu geringen Sicherheit der Anlagen, wie es sich im ,,magischen Dreieck der Geldanlage‘‘ ausdrückt. Dort wird der ,,Trade off‘‘ deutlich, der die der Geldanlage innewohnenden Zielkonflikte beschreibt und klarmacht, dass für die Geldanlage explizit oder implizit immer Prioritäten gesetzt werden (müssen). Dies gilt auch für Edelmetalle. Zu den typischen Risiken gehören eine Vielzahl von Faktoren, wozu bei Edelmetallen insbesondere die Besteuerung, die Form der Verwahrung in physischer Form, die Art des Zugriffs und der Liefer- bzw. Herausgabeansprüche zählen (Länderrisiko, Transferrisiko, Kontrahenten-Risiko). Eine Erinnerung wert ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung des ,,Return on the money‘‘ im Verhältnis zum ,,Return oft the money‘‘, wie etwa das Goldverbot in den USA mit der Executive Order Nr. 6102 vom 05.03.1933 deutlich macht. (https://www.presidency.ucsb.edu/documents/executive-order-6102-requiring-gold-coin-gold-bullion-and-gold-certificates-be-delivered )
Würden Sie stattdessen andere Investmentformen vorziehen?
Arndt Kümpel: Vorziehen deutet einen Optimierungsbedarf in einer bestehenden Vermögensaufteilung an. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass für Investitionen immer individuelle Prioritäten bzw. Wertentscheidungen im Spannungsfeld von Sicherheit, Liquidität und Ertrag getroffen werden müssen, kann es dafür keine allgemeingültige Antwort geben. Nimmt man aber die zu Beginn zitierte Umfrage von ,,Statista Research Department‘‘ vom Mai 2020 als Basis und nimmt weiter an, dass die Aussagen im Wesentlichen stimmen, dann ergibt sich daraus, dass Gold und Silber als Investmentform etwa im Vergleich zu Finanzvermögenswerten (Kontoguthaben, Anleihen, Lebensversicherungen) und Immobilien in Bezug auf ihre Bedeutung in einem Vermögensmix, der auf das erfolgreiche Management historisch typischer Risiken wie etwa für einen ruhigen Ruhestand abstellt, deutlich unterrepräsentiert sind. Da die beschriebene Vermögensaufteilung dem Wertmanagement bestimmter aktueller oder wahrscheinlicher Risiken dient, reagiert diese ,,Asset Allocation‘‘ auf diese und ist deshalb nicht starr. Je höher also das Risiko einer Entwertung von nominalen Geldbeträgen durch eine steigende Inflation wird, umso höher sollte der Anteil an (tendenziell aufwertenden) realen Vermögenswerten sein. Und je höher das Risiko einer Enteignung oder eines Staatsbankrottes ist, umso wichtiger werden Vermögenswerte, die diesem Risiko nicht direkt ausgesetzt sind. Schließlich lohnt auch eine Erinnerung an die 3-Speichen-Regel des langfristigen Werterhalts. Rund 400 n. Chr. beschreibt der Babylonische Talmud die weitsichtige Vermögensaufteilung in ,,jeweils ein Drittel Land, Handelswaren und bar zur Hand‘‘. Übertragen auf die heutige Situation entsprechen dem Land ganz überwiegend Immobilien, auch wenn der Nutzwert von Ackerland nicht zu unterschlagen ist. Als Handelswaren können Wertpapiere gelten. Bleibt schließlich noch die Komponente Bargeld, das um 400 n. Chr. allerdings ausschließlich Gold und Silber war. Diesem weisen Rat ist nichts hinzuzufügen.