Die Corona-Pandemie hat zu einem erheblichem Digitalisierungsschub in Wirtschaft und Gesellschaft geführt. Welche aktuellen Trends und Entwicklungen werden auch nach der Pandemie bleiben?
Markus Richter: Wir sind der Meinung, dass sich die Arbeit im Home-Office in Zukunft dauerhaft als Option etablieren wird. Gerade im Online-Marketing funktioniert die Arbeit von zu Hause aus problemlos. Arbeitgeber werden umdenken und ihren Mitarbeitern perspektivisch die entsprechende Cloud-Infrastruktur (Hardware, Providerzuschuss für DSL, zentrale Dokumentenablage) und Software zum kollaborativen Arbeiten und zur digitalen Kommunikation bereitstellen. Die Zahl der Onlinemeetings wird zunehmen und nur noch bei wichtigen oder langen Terminen bzw. Verhandlungen ein Vor-Ort-Treffen notwendig sein. Wir haben im Lock-Down alle mitbekommen, dass sich die meisten Themen viel effizienter in Webkonferenzen besprechen lassen. Bei all den Veränderungen wird es auch Änderungen im Vertrieb und bei den Geschäftsmodellen geben: Hangout-Calls und Online-Meetings statt Klinkenputzen und Handschlagtreffen; Onlineshops statt POS als entscheidende Verkaufskanäle, Online-Dienstleistungen/-Kurse statt Präsenzveranstaltungen.
Auch offline-orientierte Unternehmen machen sich vermehrt Gedanken um Strategien zur Neukundengewinnung im Internet. Welche Optionen haben Firmen, um im Internet ihre Zielgruppen anzusprechen?
Markus Richter: Zunächst natürlich die gute, „alte“ Webseite, die als Schaufenster im WWW mittlerweile auch ein Muss für Offline-Unternehmen ist. Darüber hinaus empfiehlt es sich in sozialen Netzwerken mit Unternehmensprofilen und auf Plattformen mit Brancheneinträgen und Bewertungen Präsenz zu zeigen. Wir als Online-Agentur sehen die Chance im „Local SEO“, denn der Trend geht zur Etablierung „lokaler Suchergebnisse“, z.B.: Wo ist der nächste Schlüsseldienst oder Paket-Shop? Wie sind die Öffnungszeiten der Apotheke nebenan? oder Welcher Arzt hat die meisten 5-Sterne-Bewertungen? Derzeit nutzen nur wenige Unternehmen die Web-Mechanismen zur gezielten Beeinflussung des Images durch erbetene Bewertungen und Rezensionen, moderierte Kommentare, Feedback oder Empfehlungen (z. B. Reputation Management). Ein aktuelles Kunden-Beispiel: Auch klassische Geschäftsmodelle wie Escape Rooms haben in der Pandemie den Sprung gewagt und sehr erfolgreiche Online Escape Rooms etabliert und sich somit neue Vertriebskanäle und weltweite Mitspieler aufgebaut.
Vor allem Content Marketing gilt neben klassischen Werbekampagnen als attraktive Möglichkeit Neukunden anzusprechen und Bestandskunden bei Laune zu halten. Wie gehen Sie bei der Konzeption einer Content Marketing Strategie vor?
Markus Richter: Im ersten Schritt finden wir gemeinsam mit dem Kunden Antworten auf die Kernfragen: Wen will ich mit meinem Content erreichen (Zielgruppe)? Was ist eigentlich mein Kommunikationsziel (Reichweite vergrößern, Kontakte sammeln, Reputation, Umsätze im Onlineshop)? Daraus folgt dann die zielgruppengenaue Content-Ansprache (Video, Bild, Text) und Veröffentlichungsform (Blog, Newsletter, Printmagazin, Video-Kanal). Grundlage bei der Wahl der jeweiligen Content-Strategie ist immer auch die Frage der Manpower-Kapazität (Eigenregie, Praktikant, Mitarbeiter, Agentur), die der Kunde bereitstellen kann. Ein vorab erarbeiteter Redaktionsplan sorgt für Aktualität und Regelmäßigkeit des Contents.
Die mobile Nutzung des Internets ist mittlerweile deutlich verbreiteter als die Nutzung mit Notebooks oder PCs. Wie hat sich das auf Kommunikationsstrategien von Unternehmen ausgewirkt?
Markus Richter: Unternehmensressourcen müssen von überall abgerufen werden können und dem Mitarbeiter die Möglichkeit bieten am Kommunikationsprozessen teilnehmen zu können. Dazu haben sich Tools etabliert (z. B. Office365 von Microsoft mit SharePoint-Ablage, Teams zur Kommunikation, mobil nutzbaren Word-, Excel- und PowerPoint-Anwendungen). Die „Überall-und-jederzeit-Erreichbarkeit“ trägt sich auch nach außen; eine Supportanfrage darf keine zwei Tage durch das Unternehmen wandern, sondern sollte möglichst direkt im Live-Chat beantwortet werden. Die jeweiligen Kunden (B2C, B2B) rücken so deutlich näher an die eigene Organisation heran und sind oft auch direkt in die Prozesse integriert (bspw. gemeinsame Dokumentenablage mit Kunden, Online-Formulare zur Buchung freier Zeitslots in Kalendern). In allen Kommunikationsstrategien nach innen und außen gilt mittlerweile „Mobile First“.
Videoinhalte nehmen laut einer Studie von Cisco den größten Teil des Internets ein und erzielen auch in Social Media besonders gute Reichweiten und Verbreitung. Welche Formen von Videoinhalten sind grundsätzlich für Unternehmen nutzbar, von welchen raten Sie eher ab?
Markus Richter: Das kommt zunächst auf das Unternehmen, Branche, Leistungen und Zielgruppen an. Für viele Produkte und Dienstleistungen empfehlen sich Erklärvideos, die lange Textwüsten ablösen und die Botschaft oder den USP kurz und knackig in wenigen Minuten auf den Punkt bringen. Im E-Recruiting beispielsweise kommunizieren nahbare Videos eine vertrauenserweckende Authentizität, indem man den künftigen Arbeitsplatz, die Kollegen, den Vorgesetzten und Aufgaben direkt im Bewegtbild zu sehen bekommt. Auch zur Präsentation von Referenzen lohnen sich kurzweilige und prägnante Videos und zeigen oft viel anschaulicher und lebendiger das erfolgreiche Ergebnis gegenüber mehrseitigen PDFs. Es gilt: Langeweile in Videos sollte vermieden werden.
Influencer-Marketing ist ein schnell wachsender Bereich, auch in Deutschland. Welche sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Trends in dieser Nische?
Markus Richter: Der Einsatz von Influencer-Marketing geht heute weit über die Ursprünge in den Bereichen Mode und Beauty hinaus. Mittlerweile gibt es auch Sport-, Gaming-, Reise-, Technik-, Auto- oder kulinarische Beeinflusser, mit denen Unternehmen gemeinsame Kampagnen umsetzen können. Die Nutzung dieses „organischen Contents“ wertet Produkt und Marke auf und vermindert negative Aspekte klassischer Anzeigenwerbung (Werbeblocker, negative Einstellung gegenüber „Störern“). Allerdings sollte der Influencer sehr bewusst für den Marken-Fit ausgewählt werden, da Risiken durch unpassende Kooperationen oder negative Entwicklungen rund um den Influencer bestehen.