Dr. Jürgen Rodegra: Stiftungen erfreuen sich einer zunehmenden Beliebtheit

Interview mit Dr. Jürgen Rodegra
Dr. Jürgen Rodegra ist Rechtsanwalt in Berlin und Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht und Handels- und Gesellschaftsrecht. Im Interview sprechen wir mit ihm über Stiftungsgründungen sowie das hierfür benötigte Mindestkapital.

Nicht nur Superreiche, sondern auch wohlhabende Menschen gründen Stiftungen. In diesem Zusammenhang hört man immer, dass es finanzielle Vorteile gibt. Können Sie uns die Motivation erläutern, eine Stiftung zu gründen?

Dr. Jürgen Rodegra: Es ist zutreffend: Stiftungen erfreuen sich einer zunehmenden Beliebtheit. Aktuell gibt es in Deutschland nahezu 25.000 rechtsfähige Stiftungen. Dazu kommt eine noch wesentlich größere Zahl nichtrechtsfähiger Stiftungen, über die allerdings nur Schätzungen vorliegen. Unterstützt wird diese Entwicklung durch zahlreiche Gesetzesänderungen in der jüngeren Vergangenheit. So wurden mit dem Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts im Jahr 2002 die Gründung einer Stiftung erleichtert und außerdem die Kontrollbefugnisse der staatlichen Stiftungsaufsicht eingeschränkt. In den Jahren 2007 und 2016 wurden die steuerlichen Rahmenbedingungen für gemeinnützige Stiftungen durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerlichen Engagements erheblich verbessert. Die Motive, die einen Mandanten zur Gründung einer Stiftung veranlassen, können sehr vielfältig sein. Häufig verfügt der Mandant über keine Erben oder – aus seiner Sicht – über keine geeigneten Erben. Andere Mandanten wollen durch die Errichtung einer Stiftung die Versorgung der Familie über mehrere Generationen sicherstellen. Die Errichtung einer Stiftung bietet ihnen die Möglichkeit, einer Zersplitterung ihres Vermögens, etwa durch Erbschaften oder Scheidungen oder auch durch Verschwendung entgegenzuwirken. Überdies können durch die Gründung einer Stiftung Pflichtteilsansprüche umgangen werden, wenn Teile des Vermögens mindestens zehn Jahre vor dem Tod des Stifters auf die Stiftung übertragen werden. Ein wichtiges Gestaltungsmittel kann die Gründung einer Stiftung auch im Rahmen der Unternehmensnachfolge sein. Dies kann etwa dann von Bedeutung sein, wenn es dem Unternehmer darauf ankommt, sein Lebenswerk – abgekoppelt von Eigentümerinteressen – dauerhaft, auch über seinen Tod hinaus, zu sichern. Die Gründung einer Stiftung bietet ihm die Möglichkeit, seine Vorstellungen von der Unternehmensführung in der Stiftungssatzung festzuschreiben und damit potentielle Unternehmensnachfolger „an die Kette zu legen“. In sehr vielen Fällen bestehen aber rein altruistische Motivationslagen: Über die Stiftung soll „Gutes“ getan werden. Stiftungszwecke sind etwa die Förderung bestimmter caritativer Einrichtungen, von Forschungs-, Kunst- oder Sportprojekten. Oder es soll das Andenken an eine bestimmte Person gewahrt werden. In neuerer Zeit verbreiten sich zunehmend auch Stiftungen, bei denen mehrere Personen als Stifter auftreten. Bei diesen Bürgerstiftungen handelt es sich um unabhängige, autonom handelnde gemeinnützige Stiftungen, die von zahlreichen Bürger*innen gegründet werden, die alle ihren Teil zum Stiftungsvermögen beitragen und dadurch ein festgeschriebenes Mitspracherecht erwerben. Ihr Stiftungszweck ist zumeist auf die Stärkung des Gemeinwesens ausgerichtet – ihr Aktionsradius ist regelmäßig beschränkt auf eine bestimmte Stadt, einen bestimmten Landkreis oder eine bestimmte Region. Zu beachten ist, dass eine Stiftungsgründung meist nicht rückgängig gemacht werden kann. Es handelt sich im übertragenen Sinne um eine „Einbahnstraße“. Sobald das Vermögen auf die Stiftung übertragen worden ist, hat man hierauf keinen direkten Zugriff mehr. Zwar ist die Gründung einer Stiftung im Grundsatz nicht als ein Steuersparmodell zu qualifizieren. Bei richtiger Ausgestaltung lassen sich mit ihr aber gleichwohl in geeigneten Konstellationen legale Steuervorteile erzielen. Soweit es sich bei dem Stiftungsgründer um eine natürliche Person handelt, kann die Stiftung – unabhängig von der Frage der Gemeinnützigkeit – sowohl zu Lebzeiten des Gründers als auch von Todes wegen errichtet werden. In den meisten Fällen ist es jedoch empfehlenswert, die Stiftung schon zu Lebzeiten zu errichten, nicht zuletzt, um den Einfluss des Gründers nachhaltig zu sichern. Die Vermögensübertragung auf eine Stiftung ist in rechtlicher Hinsicht als eine Schenkung zu qualifizieren. Das Anfechtungsrecht und die Pflichtteilsergänzungsansprüche erfassen Vermögensübertragungen von bis zu zehn Jahren.

Wie teuer ist die Gründung und welches (Mindest-)Kapital sollte eingesetzt werden?

Dr. Jürgen Rodegra: Die Gründung einer Stiftung ist grundsätzlich kostenlos. Das bedeutet aber nicht, dass die Errichtung einer Stiftung nicht mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden sein kann.

Da der Gründer regelmäßig mit der Stiftung einerseits ein strategisches Ziel verfolgt, dessen Erreichen ihm persönlich sehr am Herzen liegt, und er andererseits sicherstellen will, dass die Verfolgung dieses Ziels auch nach seinem Tod nicht gestört wird, wird er Wert darauflegen, dass er bereits bei der Konzeption und der Ausgestaltung der Stiftung durch hochqualifizierten Sachverstand von Rechtsanwälten, Steuerberatern und sonstigen Experten unterstützt wird. Hier sollte nicht an der falschen Stelle gespart werden.

Feste Größenordnungen hinsichtlich der Mindestkapitalausstattung für die Gründung einer rechtsfähigen oder nichtrechtsfähigen Stiftung bestehen nicht. Nach den gesetzlichen Vorschriften muss das Stiftungskapital allerdings ausreichen, um die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks zu sichern. Bei nur kleinen Vermögen unter EUR 20.000 sollte keine eigene Stiftung gegründet werden. Hier kommen eher eine Spende oder eine Zustiftung in Betracht. Bei mittelgroßen Vermögen bis etwa EUR 250.000 empfiehlt sich möglicherweise die Gründung einer nichtrechtsfähigen Stiftung. Die Gründung einer rechtsfähigen Stiftung mag oberhalb dieser Größenordnung in Betracht gezogen werden. Allerdings handelt es sich bei diesen Zahlen nicht um gesetzliche Schwellenwerte. Vielmehr ist die erforderliche Kapitalausstattung sehr stark vom jeweiligen Einzelfall und von der konkreten Situation abhängig, deren Analyse zusammen mit den hinzugezogenen Beratern erfolgen sollte.

Mit welcher Dauer muss man rechnen bis eine Stiftung geschäftsfähig ist? Gibt es europaweit Unterschiede?

Dr. Jürgen Rodegra: „Geschäftsfähig“ ist in diesem Zusammenhang als Rechtsbegriff zu unpräzise. Von Geschäftsfähigkeit spricht man im Zusammenhang mit natürlichen Personen.

Der juristisch zutreffende Terminus betrifft für Stiftungen die Frage, wann diese „rechtsfähig“ sind.

Hierbei ist wie folgt zu unterscheiden:

Es gibt rechtsfähige und nichtrechtsfähige Stiftungen. Beide Arten sind regelmäßig ohne Weiteres dazu in der Lage, die strategischen Ziele des Stiftungsgründers zu erreichen.

Der Unterschied liegt maßgeblich darin, dass die rechtsfähige Stiftung im deutschen Recht eine juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist. Sie entsteht durch das so genannte Stiftungsgeschäft und staatliche Genehmigung gemäß § 80 Absatz 1 BGB.

Für die Gründung einer rechtsfähigen Stiftung sollten mindestens 2-3 Monate einkalkuliert werden.

Demgegenüber unterliegt die nichtrechtsfähige Stiftung, die häufig auch „Treuhandstiftung“ genannt wird, keiner staatlichen Aufsicht und bedarf zu ihrer Entstehung keiner behördlichen Genehmigung. Sie kann kurzfristig innerhalb eines Tages durch Vertrag errichtet werden. Die Errichtung kann grundsätzlich formfrei erfolgen, es sei denn die Vermögensübertragung selbst bedarf – zum Beispiel bei Grundstücken oder GmbH-Anteilen – der notariellen Beurkundung. Wie bei der rechtsfähigen Stiftung wird auch bei der Trauhandstiftung vom Stifter ein bestimmtes Vermögen auf Dauer gewidmet. Allerdings ist die Treuhandstiftung keine juristische Person. Sie kommt vielmehr durch einen Vertrag zwischen dem Stifter und einem Treuhänder zustande oder wird entsprechend durch Verfügung von Todes wegen errichtet. Anders als bei der rechtsfähigen Stiftung, die selbst Eigentümerin des Vermögens wird, überträgt der Stifter bei der Treuhandstiftung das Stiftungsvermögen an den Treuhänder, der es getrennt von seinem eigenen Vermögen zu verwalten hat. Er darf die Einnahmen aus dem Stiftungskapital nur für Stiftungszwecke verwenden. Die Treuhandstiftung ist gesetzlich nicht geregelt. Rechtsgrundlage ist allein der Vertrag zwischen Stifter und Treuhänder respektive die letztwillige Verfügung des Stifters.

Im europäischen Ausland erfolgt die Gründung einer (rechtsfähigen) Stiftung zumeist schneller als in Deutschland. So muss man zum Beispiel im Fürstentum Liechtenstein nur mit 1-2 Wochen rechnen. Grundsätzlich erfreuen sich ausländische Stiftungen einer immer größeren Beliebtheit. Allerdings sollte sich der Gründer darüber im Klaren sein, dass bei einer ausländischen Stiftung durchaus erhebliche zivilrechtliche und steuerrechtliche Tücken lauern können. Aufgrund des zunehmenden (digitalen) Informationsaustauschs in Europa und einer entsprechenden Vernetzung sind überdies die Zeiten lange vorbei, in denen die Gründung einer ausländischen Familienstiftung erfolgreich zum Zwecke der Steuerhinterziehung im Inland genutzt werden konnte. Zu berücksichtigen ist, dass bei der Gründung einer Stiftung im Ausland fremdes Recht zur Anwendung kommt. Zumeist wird es unerlässlich sein, zusätzliche Berater vor Ort im rechtlichen und steuerrechtlichen Bereich hinzuzuziehen. Probleme bestehen auch hinsichtlich der Anerkennung der ausländischen Stiftung im Inland. Selbst wenn die ausländische Stiftungserrichtung zivilrechtlich in Deutschland anerkannt wird, bedeutet dies noch nicht, dass sie auch steuerrechtlich akzeptiert wird. Die Finanzverwaltung kontrolliert bei ausländischen Familienstiftungen sehr genau, ob ein Umgehungsgeschäft nach § 42 der Abgabenordnung (AO) vorliegt oder ob das Vermögen und Einkommen der ausländischen Stiftung gemäß § 39 AO weiterhin dem Stifter beziehungsweise dem Begünstigten zuzurechnen ist und von ihm in Deutschland voll versteuert werden muss. Überhaupt bleibt der Gang in den Drittstaat ohne jeglichen steuerlichen Effekt, wenn nicht auch die tatsächliche Geschäftsleitung der Stiftung im Ausland sitzt. Erfolgt die Geschäftsleitung aus dem Inland, ist die Stiftung nach § 1 Körperschaftssteuergesetz in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Auch wird das ausländische Gemeinnützigkeitsrecht nicht ohne Weiteres in Deutschland anerkannt.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang noch auf die besondere Rechtsfigur des Trusts aus dem angelsächsischen Recht (insbesondere den USA), die im deutschen Recht zwar nicht geregelt ist, mit der deutsche Erben im Zusammenhang mit Erbfällen im Ausland aber zunehmend konfrontiert werden.

Trusts sind – einfach gesagt – ein rechtlich und wirtschaftlich selbstständiges Sondervermögen, das dadurch entsteht, dass die handelnde Person, zum Beispiel der zukünftige Erblasser, bestimmte Vermögensgegenstände auf einen von ihm geschaffenen Trust überträgt und diesen von einem Treuhänder, dem Trustee, zugunsten eines Begünstigten verwalten lässt. Immer häufiger sind auch deutsche Mandanten Begünstigte aus solchen Trusts. Gerade in den letzten Jahren wurden zahlreiche Deutsche als Begünstigte aus einem US-Trust ganz unverhofft zu Millionären. Für die Abwicklung und Auseinandersetzung mit den Trustees sollte in jedem Fall ein auf das jeweilige ausländische Recht spezialisierter Rechtsanwalt hinzugezogen werden.

Gibt es in den Stiftungsarten Unterschiede, beispielsweise zwischen privater und gemeinnütziger Stiftung?

Dr. Jürgen Rodegra: Die maßgeblichen Unterschiede bestehender Stiftungen sind abhängig von dem jeweiligen Stiftungszweck. Bei der Errichtung einer Stiftung ist die grundsätzliche Entscheidung zu treffen, ob eine gemeinnützige oder eine so genannte „Familienstiftung“, die in erster Linie der Versorgung des Stifters und seiner Angehörigen dienen soll, gegründet wird. Die Gemeinnützigkeit wird anerkannt, wenn der Stiftungszweck darin liegt, ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke zu verfolgen. Anerkannt gemeinnützige Zwecke sind in § 52 Absatz 2 AO exemplarisch aufgezählt. Zu ihnen gehören etwa die Förderung von Wissenschaft, Forschung, Denkmalschutz, Tierschutz oder bürgerlichem Engagement. Die Entscheidung darüber, ob die Stiftung gemeinnützige Zwecke verfolgt, treffen die Finanzbehörden der Länder. Eine gemeinnützige Stiftung wird in vielfacher Hinsicht steuerlich privilegiert. Mit diesen Privilegien einher geht allerdings eine besondere Kontrolle durch die Finanzverwaltung und damit verbundene Haftungsrisiken für die handelnden Personen. Bei einer gemeinnützigen Stiftung ist eine Unterstützung des Stifters und seiner Angehörigen nur in sehr begrenztem Umfang möglich. Nach § 58 Nr. 6 AO dürfen gemeinnützige Stiftungen nur maximal ein Drittel ihres Einkommens dazu verwenden, in angemessener Weise den Stifter und seine nächsten Angehörigen zu versorgen, ihre Gräber zu pflegen und ihr Andenken zu ehren. Soll der Anteil zugunsten des Stifters und seiner Angehörigen größer ausfallen, ist die Gründung von zwei Stiftungen in Erwägung zu ziehen (so genannte „Doppelstiftung“), eine gemeinnützige und eine Familienstiftung. Eine „Familienstiftung“ liegt vor, wenn nach ihrer Satzung der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als 50% Bezugs- und Anteilsberechtigte oder Empfänger sonstiger Vermögensvorteile durch die Stiftung sein sollen.

Unter bestimmten Voraussetzungen soll sogar schon eine Bezugs- oder Anteilsberechtigung von mehr als 25% ausreichen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Familie ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung der Stiftung eingeräumt worden ist.

Familienstiftungen sind nach deutschem Steuerrecht grundsätzlich nicht privilegiert.

Eine weitere Ausgestaltung sind unternehmensverbundene Stiftungen. Sie werden oft von großen Konzernen gegründet, um von Ihnen für förderwürdig gehaltene Ziele nachhaltig zu verfolgen und dadurch Ihr Ansehen zu steigern. Sie sind zumeist gemeinnützig tätig. Die ausgeschütteten Erträge der unternehmensverbundenen Stiftungen dürfen ausschließlich für steuerbegünstigte Zwecke eingesetzt werden.

In welcher Form unterstützen Sie bei der Stiftungsgründung?

Dr. Jürgen Rodegra: Die Gründung einer Stiftung bietet in geeigneten Fällen durchaus ein vortreffliches Gestaltungsmittel bei der Erbfolgeplanung. Dies gilt sowohl im privaten Bereich (Stichwort: Familienstiftung), im betrieblichen Bereich (Stichwort: Unternehmensnachfolge) als auch dann, wenn dem potentiellen Stiftungsgründer daran gelegen ist, sein Vermögen für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke einzusetzen. Ich stehe meinen Mandanten seit Jahren für eine umfassende Beratung im Hinblick auf eine sinnvolle Erbfolgeplanung zur Seite, wozu selbstverständlich auch die Erörterung des Stiftungsrechts gehört.

Entscheidet sich der Mandant dann für die Gründung einer Stiftung, begleite ich ihn durch den gesamten Prozess, das heißt beginnend mit der Erörterung des Stiftungskonzepts über die Gestaltung der notwendigen Dokumente, insbesondere der Stiftungssatzung, gegebenenfalls die Anerkennung der Gemeinnützigkeit und aller weiteren Schritte. Dies alles geschieht – in Absprache mit dem Mandanten – oftmals im Team mit Experten anderer Fachrichtungen, insbesondere von Steuerberatern. Selbstverständlich stehe ich dem Mandanten – soweit erforderlich –   auch nach Gründung der Stiftung für das laufende Stiftungsgeschäft zur Verfügung. Auch außerhalb der Erbfolgeplanung stehe ich den Rechtssuchenden mit anwaltlichem Rat zum Stiftungsrecht zur Verfügung, zum Beispiel in der jüngeren Vergangenheit bei der Errichtung von Bürgerstiftungen.

Herr Rodegra, vielen Dank für das Gespräch!

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